Schwitzen: Im Angesicht des Schweißes
Hunde, Elefanten und Schweine können es nicht, Esel, Pferde und Menschen sehr gut: schwitzen. Während Hunde hecheln, Elefanten mit den Ohren fächeln und Schweine sich im Schlamm suhlen, rinnt bei den anderen der Schweiß, wenn ihnen zu warm ist.
Obwohl Schwitzen lebenswichtig ist, tun Menschen alles, um ja nicht transpirierend aufzufallen. Übermäßiges Schwitzen gehört einer Umfrage zufolge zu den größten Peinlichkeiten. Schweißflecken werden allenfalls beim Sport toleriert. Und wer freut sich schon über einen feuchten Händedruck? Weil schwitzen so unerwünscht ist, beschäftigt sich die Forschung viel damit. Warum das klebrige Nass so wichtig ist, woraus es besteht und wie sich verhindern lässt, dass Schweiß in Strömen den Körper hinabrinnt – sieben Fakten.
Schweißdrüsen sind winzige Klimaanlagen
Menschen können schwitzen, weil sie Schweißdrüsen besitzen. Zwei bis vier Millionen befinden sich in der Haut, die meisten davon auf der Stirn, in den Handflächen und vorwiegend unter den Fußsohlen – dort sind es bis zu 600 Stück pro Quadratzentimeter. Nicht alle sind gleich, es gibt zwei Arten: ekkrine, die den eigentlichen Schweiß absondern, und apokrine, die Duftdrüsen. Letztere sitzen hauptsächlich in den Achselhöhlen und im Genitalbereich.
Jede Schweißdrüse wirkt wie eine kleine Klimaanlage: Droht die Körperkerntemperatur zu stark anzusteigen, etwa bei Hitze oder beim Sport, aktiviert das Nervensystem die Schweißdrüsen, um den Körper vor Überhitzung zu schützen. Die winzigen Gebilde, die wie ein Knäuel aufgewickelt in der Unterhaut sitzen, produzieren ihr Sekret und transportieren es über Kanälchen an die Hautoberfläche. Dort verdunstet die Flüssigkeit, wodurch die Hautoberfläche abkühlt und dem Körper Wärme entzogen wird.
Menschen, die viel schwitzen, sollten darauf achten, reichlich zu trinken und sich bei Hitze zwischendurch abzukühlen. Mineralstoffe mit Nahrungsergänzungsmitteln zuzuführen, ist meist unnötig.
Neugeborene können noch nicht schwitzen
Schwitzen ist für die Wärmeregulation lebenswichtig. Anders als beispielsweise Reptilien sind Menschen nämlich keine wechselwarmen, sondern gleichwarme Lebewesen. Ihr Körper muss die Temperatur in seinem Innern möglichst konstant halten, damit alles funktioniert – und bei Kälte oder Hitze gegensteuern. Allerdings läuft die Klimaanlage nicht von Beginn an: Erst etwa zwei Wochen nach der Geburt nehmen die Schweißdrüsen von Babys ihre Arbeit auf.
Was da so übel riecht? Ameisensäure!
Eine frische Schweißperle besteht zum Großteil aus Wasser, enthält aber auch Salz, Kalium und langkettige Fettsäuren. Zunächst ist Schweiß geruchlos. Bauen Bakterien auf der Haut jedoch die Fettsäuren zu kürzeren Ketten ab, entstehen Ameisen- und Buttersäure – und die Geruchsbelästigung beginnt. Besonders schnell riecht Fuß- und Achselschweiß, weil in dem feuchtwarmen Milieu gern viele Bakterien leben und zudem die Anzahl an Schweißdrüsen groß ist.
Der Schweiß von Männern, die sich vegetarisch ernähren, riecht übrigens besser als der von Fleischessern. Heißt es zumindest in einer tschechischen Studie. Die männlichen Teilnehmer des Experiments trugen Achselpads, an denen Frauen später schnuppern sollten. Hatten die Männer während der zweiwöchigen Testphase regelmäßig Fleisch verspeist, bewerteten die Teilnehmerinnen ihren Geruch als weniger attraktiv.
Roll-on, Spraydose, Stift, Creme oder nichts dergleichen? Mehr als 53 Millionen Menschen in Deutschland benutzen täglich Deo. Mit Abstand am beliebtesten sind Deosprays (62,1 Prozent), gefolgt von Deorollern (24,7 Prozent) und Pumpzerstäubern (5,8 Prozent). Einen Deostift bevorzugen 4,8 Prozent der Menschen, mit nur 2,7 Prozent finden Deocremes die wenigsten Anwender.
Welches Deo das richtige ist, probiert am besten jeder für sich selbst aus – je nach Darreichungsform, Geruchsvorliebe und natürlich nach Verträglichkeit. 2019 hat die Stiftung Warentest Roller, Sticks und Cremes getestet. Die Ergebnisse gibt es hier.
Neben duftenden Deos sind »Antitranspirants« im Handel, die das Schwitzen verringern sollen (anti = gegen, transpirieren = schwitzen). Sie enthalten meist Aluminiumsalze, welche die Schweißdrüsenausgänge vorübergehend verengen – bei Hyperhidrose empfohlen.
Die Stoffe sind umstritten: Kritiker behaupten, sie förderten das Entstehen von Alzheimer und Brustkrebs. Zuverlässige Daten, die einen Zusammenhang belegen, gibt es bislang jedoch nicht. Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät, »die Produkte nicht auf geschädigte Haut aufzutragen, beispielsweise direkt nach einer Rasur oder bei Sonnenbrand«.
Schwere Menschen produzieren mehr Schweiß
»Wie viel jemand schwitzt, ist genetisch bedingt«, sagt Jens Altmann, Facharzt für Plastische Chirurgie an der Bodenseeklinik in Lindau. Das vegetative Nervensystem steuert die Schweißproduktion und lässt sich nicht beeinflussen. Die verbreitete Annahme, Männer schwitzten stärker als Frauen, wollen australische Forscher vor drei Jahren in einer Untersuchung mit 60 Probanden widerlegt haben. Das Geschlecht ist nicht entscheidend, wohl aber die Körpermasse: Größere, kräftigere Menschen müssen mehr schwitzen, um dieselbe Kühlleistung zu erreichen.
Sportler schwitzen effektiver
Trainierte Menschen schwitzen effektiver als untrainierte. Schon Ende der 1990er Jahre zeigten Wissenschaftler, dass Sportler überschüssige Wärme über die Haut besser abgeben können als Nichtsportler, weil ihr Körper die Schweißproduktion besser steuert. Ihr Kühlsystem läuft unter Belastung schneller an und ermöglicht länger Höchstleistungen, während es bei Untrainierten eine Weile braucht, um in Gang zu kommen, so dass eher Überhitzung und ein Leistungseinbruch drohen.
An der Universität in Los Angeles hat ein Forscherteam übrigens eine Smartwatch entwickelt, die den Schweiß ihres Trägers beim Sport analysiert. Das soll Rückschlüsse auf seinen Gesundheitszustand zulassen.
Übermäßiges Schwitzen hat einen Namen: Hyperhidrose
Besonders produktiv sind die Schweißdrüsen bei jenen Menschen, die unter Hyperhidrose leiden, übermäßigem Schwitzen. »Es gibt keine absolute Schweißmenge, ab der wir von krankhaft sprechen, sondern lediglich Richtwerte«, sagt Jens Altmann von der Bodenseeklinik in Lindau. »Es sind eher die Fehlfunktion des Schwitzens und der Leidensdruck des Patienten, die bestimmen, ob man von Hyperhidrose spricht oder nicht.« Menschen mit Hyperhidrose – etwa ein bis zwei Prozent in Deutschland sind betroffen – schwitzen nicht nur bei Hitze oder wenn sie sich anstrengen. »Die Betroffenen vermeiden zur Begrüßung den Händedruck, fühlen sich unwohl und machen sich ständig Sorgen, dass sie unangenehm riechen oder andere Menschen Schweißränder entdecken«, sagt Altmann.
Warnsignal Nachtschweiß
Sie schwitzen nachts oft sehr stark? Dann sollten Sie das von einem Arzt untersuchen lassen. Nächtliche Schweißausbrüche können ein Hinweis auf eine ernst zu nehmende Erkrankung sein.
Bei Schwitzflecken von fünf bis zehn Zentimeter Durchmesser und stets feuchter Haut unter der Achsel sprechen Ärzte von Hyperhidrose ersten Grades. Grad zwei liegt vor, wenn die Schwitzflecken bis zu 20 Zentimeter groß werden und sich Schweißperlen bilden. Ab 20 Zentimeter großen Schwitzflecken, Schweißbildung an Fingern und Zehen sowie abtropfendem Schweiß liegt eine Hyperhidrose dritten Grades vor.
»Wir saugen das Gewebe ab oder schaben die Schweißdrüsen aus«
Jens Altmann, Facharzt für Plastische Chirurgie
Mit Botox, OP oder Mikrowellen gegen die Drüsen
Wer seine Schweißdrüsen stoppen will, hat drei Möglichkeiten. Da ist erstens das Nervengift Botox. Reingespritzt verhindert es, dass die Nervenzellen den Botenstoff Acetylcholin ausschütten. Die Folge: Die Schweißdrüsen verweigern die Arbeit. Allerdings wirkt die Behandlung nicht dauerhaft: »Nach drei bis sechs Monaten lässt die Wirkung nach, und die Injektionen müssen erneut erfolgen«, erklärt Altmann. Zweitens lassen sich Schweißdrüsen unter Narkose entfernen. »Wir saugen das Gewebe ab oder schaben die Schweißdrüsen aus«, erklärt Altmann. Beides ist eine dauerhafte Lösung. Nebenwirkungen sind möglich, aber die Wärmeregulation des Körpers bleibt unbeeinträchtigt. Und anders, als viele befürchten, schwitzen Menschen, die in der Achsel keine Schweißdrüsen mehr haben, an anderen Körperstellen nicht mehr.
Und drittens – in Deutschland noch nicht verbreitet, aber seit einigen Jahren zugelassen – gibt es eine Methode aus den USA, bei der ein Arzt die Schweißdrüsen in den Achseln mit Mikrowellen zerstört. Das heilt schneller als nach einer Operation, zurück bleibe ein Gefühl von Sonnenbrand und vielleicht für ein paar Tage eine Schwellung, sagt der Arzt, aber kaum mehr Schweiß.
Alle Maßnahmen haben Risiken. Rat weiß der behandelnde Arzt. Übrigens: Medikamente gegen übermäßiges Schwitzen gibt es; sie sind aber wenig sinnvoll, mit Nebenwirkungen verbunden und keinesfalls für den dauerhaften Einsatz zu empfehlen. So steht es in den Behandlungsleitlinien.
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