Glaziologie: Was nagt unten am Eis?
Mit einer Fläche von 3500 Quadratkilometern gehört das Dotson-Eisschelf zu den kleineren seiner Art in der Antarktis. Doch unter dem 300 bis 500 Meter dicken Eispaket im Südpolarmeer läuft ein ungewöhnlicher Prozess ab – der das Eis von unten aushöhlt. Über eine Länge von 60 und eine Breite von fünf Kilometern fräst sich hier ein Kanal von unten in das Schelfeis und höhlt das Paket jährlich um sieben Meter nach oben aus. Stellenweise hat sich die Dicke des Eises hier bereits um die Hälfte reduziert, schreiben Noel Gourmelen von der University of Edinburgh und seine Kollegen in den "Geophysical Research Letters".
An der Oberfläche ahnt man davon kaum etwas – sieht man von den zahlreichen Gletscherspalten ab, die sich durch die auftretenden Spannungen im Eis öffnen. Ausgehöhlt werde das Eis wahrscheinlich durch Meeresströmungen, die unter das Schelf vordringen und wärmeres Wasser mitbringen, so die Wissenschaftler. Sie denken auch, dass sich der Prozess selbst verstärkt. Ursprünglich nagte der erwärmte Ozean relativ gleichmäßig an dem Eispaket. Wo dies jedoch etwas stärker stattfand, entstanden erste kleine Höhlungen. Die Erdrotation sorgte dann dafür, dass an diesen Punkten das Wasser stärker mit dem kalten Schmelzwasser vermischt wurde, während sich dieses an anderen Stellen wie eine isolierende Blase über das wärmere Meerwasser legte. Das immer noch leicht überdurchschnittlich warme Gemisch konnte daher in den Höhlungen weiter Eis abtauen und durch nachfließendes Meerwasser ersetzt werden – was das Abtauen in diesen Hohlräumen wiederum beschleunigte.
"Wir denken, dass dieser Kanal tatsächlich erst während der letzten 25 Jahre entstanden ist", sagte Gourmelen gegenüber der "Washington Post". Setzt sich der Prozess in diesem Tempo fort, dürfte das Dotson-Eisschelf schneller zusammenbrechen und sich auflösen, als dies bei einem gleichmäßigen, flächigen Abschmelzen der Fall wäre. Taut der Kanal bis zur Oberfläche auf, wird das gesamte Gebilde anfälliger für Stürme und die Brandung. In diesem Fall kollabiere das Schelf schon in 40 bis 50 Jahren statt erst in zwei Jahrhunderten wie bei gleichmäßigem Ausdünnen, so die Geowissenschaftler.
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