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Eiszeiten: Rätsel des fehlenden Gletschereises gelöst

In der letzten Eiszeit passte die Höhe der Meeresspiegel nicht zur Masse an Eis, das in Gletschern gebunden war: Er lag viel zu niedrig. Das war wohl ein Fehler.
Gletscher in der Antarktis

Während des Höhepunkts der letzten Eiszeit vor 20 000 Jahren waren gewaltige Mengen Wasser in den ausgedehnten Gletschern der Nordhalbkugel, in der Antarktis und den Gebirgen der Erde gebunden. Die Meeresspiegel lagen deshalb durchschnittlich um 130 Meter niedriger als heute. Darauf zumindest deuten Analysen aus Meeressedimenten der damaligen Zeit hin, welche die Überreste von Korallen enthalten. Doch diese passen nicht zum errechneten Volumen der Eismassen, die sich damals weit über die Kontinente erstreckten. Dieses »Problem des fehlenden Eises« haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Evan Gowan vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven mit einer neuen Analyse womöglich gelöst, wie sie in »Nature Communications« schreiben.

Fehlerbehaftet scheint dabei wohl die Analyse der Korallendaten: Die Sedimentproben stammen aus den Tropen, wo die Korallen in den lichtdurchfluteten oberen Wasserschichten wachsen. Laut den Auswertungen befanden sich diese Bereiche während des letzten glazialen Maximums 130 Meter tiefer als heute: So weit muss sich das Wasser demnach zurückgezogen haben. Allerdings hätte dafür weltweit zusätzlich die doppelte Masse des grönländischen Eisschilds eingefroren sein müssen. Doch das geben wiederum die Modellierungen der damaligen Gletscher nicht her.

Gowan und Co haben deshalb das Eis mit einer neuen Methode modelliert und dazu auch erstmals die geologischen Bedingungen in den Gletschergebieten mit einbezogen, sprich den Untergrund mit vorhandenen Hängen und Tälern, den Übergang vom Festland zum Meer und das Gestein, auf dem die Gletscher mehr oder weniger schnell fließen. Und sie berücksichtigten, wie stark die Eispanzer die Erdkruste vor Ort herabgedrückt haben. »Wir gehen von anderen Viskositäten des Erdmantels aus und kommen damit zu anderen Eismassen«, sagt Gowan.

Damit kommen sein Team und er auf eine Menge an in Eis gebundenem Wasser, die sich sehr gut mit einer neuen Meeresspiegelhöhe in Einklang bringen lassen: Diese lag damals um 116 Meter tiefer als heute und damit 14 Meter höher als mit der alten Berechnung. Hart gehen die Forscher daher auch mit der bisher gängigen Sauerstoffisotopen-Messung ins Gericht, die zur Abschätzung der Gletschermassen herangezogen wird. Die Messung basiert auf den Verhältnissen der beiden Isotope Sauerstoff-16 und -18. Während der Eiszeiten sollte sich demnach die Konzentration an Sauerstoff-18 im verbleibenden Wasser erhöhen. Doch es zeige sich, dass es mit dieser Methode Diskrepanzen gebe, Meeresspiegel und Gletschermassen für die Zeit vor 20 000 Jahren und darüber hinaus in Einklang zu bringen, schreiben die Wissenschaftler. »Das Isotopen-Modell wird seit Jahren vielfach verwendet, um das Eisvolumen der Gletscher bis zu viele Millionen Jahre vor unserer Zeit zu ermitteln. Unsere Arbeit wirft jetzt Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Methode auf«, sagt Evan Gowan. Die Ergebnisse seines Teams sollen sie nun verbessern helfen.

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