News: Weniger ist mehr
Denn Uhren sind keine Zeitmesser, sondern Zeitschätzer. Keine zwei Uhren gehen gleich. Um die wahre Zeit allerdings nur zehnmal so gut zu treffen wie mit einer einzigen Uhr, müsste man den Mittelwert von ungefähr 100 Uhren ermitteln - besonders effektiv scheint das nicht.
Dabei könnte die Zeit im Vergleich dazu gleich 100 000-mal präziser ermittelt werden, bestimmte man nicht den Mittelwert aus allen vorhandenen Uhren, sondern nur aus der Hälfte davon. Unsere Seefahrer lägen also ungleich besser in der Zeit, wenn sie aus 100 Uhren an Bord zur Mittelwertbildung nur 50 davon auswählten.
Dies fanden Damien Challet und Neil Johnson von der Oxford University heraus, nachdem sie sich des Phänomens mit statistischen Hilfsmitteln annahmen. Grundlage waren Uhren, deren Gangabweichungen der Glockenkurve einer Gauß'schen Normalverteilung entsprachen. Zunächst hatten die Forscher aus allen Uhren alle möglichen Paare gebildet und deren Mittelwerte bestimmt. Sodann fassten sie jeweils drei Uhren zu einer Gruppe zusammen und bildeten daraus die möglichen Mittelwerte. So verfuhren sie mit immer größeren Gruppen weiter - bis am Ende der Mittelwert aus der Gesamtzahl aller Uhren übrig blieb.
"Naiv, wie man ist, glaubt man wohl, mehr sei besser", meint Johnson. Doch darin stecke ein logischer Fehler, denn je größer die Zahl der Uhren, umso größer sei auch die Wahrscheinlichkeit für eine vollkommen falsch gehenden Uhr, die das ganze Ergebnis zunichte machte. Johnson und Challet fanden vielmehr heraus, dass die Mittelwerte dem wahren Wert dann besonders nahe kommen, wenn er auf der Basis der Hälfte aller Uhren gebildet wird.
Von den Seeleuten einmal abgesehen, dürfte uns in aller Regel eine einzige Uhr ausreichen. Dennoch hat diese Erkenntnis weitreichende Konsequenzen. So könnten am Fließband aus minderwertigen Komponenten funktionierende Bauteile montiert werden, indem aus jeder Anlieferung von Computerchips oder ähnlichem die optimale Zahl der Kombinationen bestimmt würde. Die Abweichungen der Einzelteile würden sich auf diese Weise gegeneinander aufheben.
Zugegeben, dieser Prozess würde Zeit und Material - also Geld - kosten, doch die Forscher halten dagegen, dass weniger präzise Bauteile in großen Mengen viel billiger herzustellen seien als solche die sehr hohen Qualitätsstandards genügen.
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