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Astrophysik: Wenn Schwarze Löcher Sterne zerstören

Extrem massereiche Schwarze Löcher reißen sich nähernde Sterne in Stücke und verschlingen sie. Mit neuen Teleskopsystemen lässt sich das bis ins Detail hinein studieren.
Diese künstlerische Darstellung zeigt ein schnell rotierendes supermassereiches Schwarzes Loch, das von einer Akkretionsscheibe umgeben wird. Diese dünne Scheibe aus rotierender Materie besteht aus den Überresten eines sonnenähnlichen Sterns, der durch die Gezeitenkräfte des Schwarzen Lochs auseinandergerissen wurde.

Fast jede große Galaxie, so auch unsere Milchstraße, verbirgt in ihrem Zentrum ein kosmisches Rätsel: ein supermassereiches Schwarzes Loch. Das bizarre Himmelsobjekt enthält die millionen- bis milliardenfache Masse der Sonne in einem Raumgebiet, das kleiner ist als unser Sonnensystem. Entsprechend gewaltige Gravitationskräfte übt es auf seine Umgebung aus. Astronomen möchten Wachstum und Verhalten dieser Objekte erforschen, um die Entstehung und Entwicklung der sie umgebenden Galaxien besser zu verstehen.

Da Schwarze Löcher kein Licht aussenden, bleiben sie normalerweise unsichtbar. Nur wenn sie Materie verschlingen, machen sie sich bemerkbar, aber das geschieht überraschend selten. Gas, Staub und Sterne wirbeln zumeist auf festen Bahnen um sie herum und werden nicht aufgesogen. Erst wenn doch einmal größere Materiemengen hineinstürzen, wird ihr unstillbarer Hunger von Weitem sichtbar.

Seit 50 Jahren beobachten Forscher vor allem einen Typ gefräßiger Schwarzer Löcher: die 1963 von dem Astronomen Maarten Schmidt entdeckten Quasare. Bei diesem Himmelsphänomen, dem wohl spektakulärsten überhaupt, handelt es sich um den aktiven Kern einer Galaxie, der heller leuchtet als Milliarden Sonnen. Vermutlich ist das nur möglich, weil riesige Gas- und Staubwolken hunderte oder tausende Millionen Jahre lang spiralförmig auf ein supermassereiches Schwarzes Loch zustürzen und dabei so stark komprimiert und erhitzt werden, dass sie lange Zeit intensiver leuchten als jedes andere Objekt im Universum.

Leider sind Quasare relativ selten und zudem sehr weit von uns entfernt. Da sie nur während eines Bruchteils der Lebensdauer des in ihrem Zentrum verborgenen Schwarzen Lochs strahlen, geben sie wenig Aufschluss über dessen gesamte Entwicklung. Zwar lässt sich die Masse Schwarzer Löcher bestimmen, indem man die Geschwindigkeit eng um sie kreisender Sterne misst, aber das gelingt nur, wenn sie nahe genug liegen – innerhalb der Milchstraße oder in einer Nachbargalaxie –, um mit unseren Teleskopen einzelne Sterne auflösen zu können.

Schon 1988 schlug der britische Astronom Martin Rees eine weitere Untersuchungsmethode vor, die seit Kurzem Früchte zu tragen beginnt. Statt die Strahlung von Quasaren oder die Geschwindigkeit eng kreisender Sterne zu beobachten, könnte man nach kurzen, hellen Lichtblitzen in der Nähe galaktischer Zentren suchen. Sie treten auf, wenn ein supermassereiches Schwarzes Loch einen Stern verschlingt, und werden Tidal Disruption Events (TDEs; zu Deutsch: gezeitenbedingte Zerstörungsereignisse) genannt. Da sie nicht Jahrtausende dauern, sondern nur einige Monate, lässt sich die Sternzerstörung von Anfang bis Ende verfolgen. Sie sind sehr leuchtstark und damit selbst in fernen Galaxien gut zu beobachten.

© Hyperraum.tv
Der Ereignishorizont in Sicht
Mit den zu erwartenden Erkenntnissen werden auch einige umstrittene physikalische Theorien auf den Prüfstand kommen. Der 2016 verstorbene Walter Greiner beispielsweise, ein weltweit renommierter theoretischer Physiker, der lange an der Universität Frankfurt lehrte, behauptete: Schwarze Löcher gibt es möglicherweise gar nicht – zumindest nicht in der Form, die von Einsteins Beschreibung der Gravitation vorhergesagt wird.
Ein Video von HYPERRAUM.TV in Zusammenarbeit mit "Spektrum der Wissenschaft".

Wie enorme Anziehungskräfte einen Stern zerfetzen

TDEs haben im Prinzip die gleiche Ursache wie Ebbe und Flut. Für die irdischen Gezeiten ist größtenteils der Mond verantwortlich: Seine Gravitationsanziehung ist auf der ihm näheren Seite der Erdkugel größer als auf der abgewandten, und diese Ungleichheit wirkt als Gezeitenkraft. Sie erzeugt auf beiden Seiten der Erde je einen lokalen Anstieg des Meeresspiegels, den wir als Flut erleben. Wenn allerdings ein Stern in die Fänge eines supermassereichen Schwarzen Lochs gerät, können ihn die extremen Unterschiede buchstäblich in Fetzen reißen.

Die Details hängen dabei von der Größe beider Himmelskörper ab. Ein kleines und dichtes Objekt, etwa ein Weißer Zwerg, widersteht solchen Kräften viel besser als ein gewöhnlicher Stern von der Art unserer Sonne; auch eine Bowlingkugel lässt sich schwerer zerreißen als Zuckerwatte. Die allergrößten, Milliarden Sonnenmassen entsprechenden Schwarzen Löcher erzeugen überhaupt keine TDEs: Sie verschlingen den Stern, bevor die Gezeitenkraft groß genug wird. Hingegen zerfetzen die von einem Schwarzen Loch mit Millionen Sonnenmassen ausgeübten Kräfte jeden Stern, der sich auf weniger als 50 Millionen Kilometer nähert. Das ist etwa der Abstand von Sonne zu Merkur.

Der Zerfall des Sterns ist erst der Anfang eines spektakulären Feuerwerks. Die Bruchstücke verlassen allmählich die ursprünglich vom Stern beschriebene Bahn. Ungefähr die Hälfte des Materials bildet lange Filamente, die sich vom Schwarzen Loch entfernen, während die andere Hälfte als Akkretionsscheibe zu kreisen beginnt – ein spiralförmiges Gebilde, dessen Innerstes langsam vom Schwarzen Loch aufgesogen wird. Dieses Material erreicht dabei fast Lichtgeschwindigkeit und beginnt zu leuchten, da Gravitation und Reibungskräfte es komprimieren und auf nahezu 250 000 Grad Celsius erhitzen. Einige Wochen oder Monate lang überstrahlt dann ein zuvor unsichtbares Schwarzes Loch sämtliche Sterne seiner Galaxie.

Selten und schwierig nachzuweisen

Obwohl Theoretiker das Phänomen schon vor Jahrzehnten voraussagten, wurden solche Sternzertrümmerungen erst um das Jahr 2000 entdeckt, denn sie sind sehr selten: Schätzungsweise treten sie in einer Galaxie von der Größe der Milchstraße nur einmal in 100 000 Jahren auf. Außerdem lassen sie sich nur schwer beobachten. Laut einfachen theoretischen Modellen sollte die Akkretionsscheibe vor allem im weichen Röntgen- oder kurzwelligen Ultraviolettbereich strahlen, doch diese Wellenlängen sind für irdische Teleskope wegen der Störung durch interstellaren Staub und durch die Erdatmosphäre schlecht zugänglich.

Quasar | Ein Quasar – hier künstlerisch dargestellt – entsteht, wenn ein supermassereiches Schwarzes Loch mit seiner gewaltigen Schwerkraft allmählich die rotierende Scheibe aus Gas und Staub aufzehrt, von der es umgeben ist. Die Strahlung der Giganten ist noch in Milliarden Lichtjahren Entfernung sichtbar.

Denselben Modellen zufolge können Astronomen aus einem TDE ziemlich genau auf die Masse des Schwarzen Lochs schließen, welches das Spektakel verursacht. Man misst einfach, wie lange es dauert, bis das TDE seine maximale Helligkeit erreicht, denn das gibt an, wie schnell sich die Akkretionsscheibe bildet und dem Schwarzen Loch Material zuführt. Wegen ihrer enormen Helligkeit geben die TDEs wie kein anderes Phänomen Auskunft über die unterschiedliche Masse superschwerer Schwarzer Löcher.

Die ersten TDE-Kandidaten wurden in den Daten des Röntgensatelliten ROSAT und des Ultraviolett-Weltraumteleskops Galaxy Evolution Explorer aufgespürt. Sie machten sich als wochen- bis monatelange Strahlungsausbrüche im Zentrum zuvor unauffälliger Galaxien bemerkbar. Die Entdeckungen etablierten ein völlig neues Forschungsgebiet. Allerdings waren die Astronomen zunächst auf alte Daten angewiesen und konnten das Phänomen nicht in Echtzeit und auch nicht bei vielen Wellenlängen studieren. Um ein TDE in Aktion zu erwischen, mussten die Forscher entweder großes Glück haben oder kontinuierlich riesige Himmelsregionen beobachten.

Glücklicherweise sind in den letzten Jahren weiträumige Himmelsdurchmusterungen durch die Fortschritte von Datenverarbeitung und Sensorik tatsächlich möglich geworden. Eine Hochleistungskamera vermag heute einen mehr als ein Quadratwinkelgrad großen Himmelsausschnitt mit einer einzigen Aufnahme zu erfassen. Durch wiederholtes Durchmustern großer Himmelsbereiche und digitalen Vergleich der Aufnahmen lassen sich selbst schwache und vorübergehende Phänomene erkennen. Die dazu genutzten neuen Missionen heißen Panoramic Survey Telescope and Rapid Response System (Pan-STARRS), Palomar Transient Factory (PTF) und All-Sky Automated Survey for Supernovae (ASAS-SN). Sie sollten ursprünglich Supernovae und Asteroiden identifizieren, leisten aber noch viel mehr. Da sie Nacht für Nacht das Licht von Millionen Galaxien einfangen, spüren sie auch die seltenen Sternzertrümmerungen auf.

Überraschende Details einer Sternvernichtung

Kurz nachdem Pan-STARRS die Arbeit aufgenommen hatte, entdeckte ein Team um die Astronomin Suvi Gezari 2011 ein PS1-10jh genanntes TDE, das bei einem rund zwei Millionen Sonnenmassen schweren Schwarzen Loch in einer 2,7 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie stattfand. Da dieses TDE kurz nach dem Sammeln der Daten auffiel, konnte das Team zum ersten Mal die weitere Entwicklung im sichtbaren und UV-Bereich sozusagen live verfolgen. Das Ergebnis verblüffte die Forscher.

Der sorgfältigen Spektralanalyse zufolge schien dieses TDE viel zu wenig Wärme zu erzeugen. Mit rund 30 000 Grad Celsius hatte es nur einen Bruchteil der Hitze, welche die gängigen Modelle für Akkretionsscheiben vorschrieben. Außerdem verblasste PS1-10jh nicht binnen Wochen durch Abkühlung und Zerstreuung seiner Akkretionsscheibe, sondern behielt nach seiner Entdeckung viele Monate lang eine konstante Temperatur. Besonders seltsam war, dass Pan-STARRS im Nachleuchten Anzeichen von ionisiertem Helium entdeckte – was eigentlich nur bei Temperaturen von mehr als 100 000 Grad geschehen darf. Während das TDE anscheinend viel Helium enthielt, fehlte Wasserstoff, immerhin das häufigste Element im Universum und der Hauptbestandteil von Sternen. Die Theoretiker standen vor einem Rätsel.

Um den fehlenden Wasserstoff zu erklären, nahm Gezaris Team an, der zerstörte Stern habe seinen dicken Wasserstoffmantel schon zuvor eingebüßt – vielleicht bei einer früheren Wechselwirkung mit dem Schwarzen Loch – und nur seinen heliumreichen Kern behalten, mit dem er dann die beobachtete Akkretionsscheibe speiste. Doch wie erklärte sich das paradoxe thermische Verhalten von PS1-10jh, also seine überraschend niedrige Temperatur und im Gegensatz dazu der nur bei viel höherer Hitze ionisierbare Heliumüberschuss? Andere Theoretiker haben darum vermutet, die Astronomen hätten gar nicht die Akkretionsscheibe selbst beobachtet, sondern stattdessen einen viel weiter vom Schwarzen Loch entfernten Gasschleier, der die intensive Strahlung der Scheibe absorbierte und bei tieferen Temperaturen wieder abgab. Ein solcher Schleier hätte den zusätzlichen Vorteil, dass er das scheinbare Fehlen von Wasserstoff zwanglos erklärt. Bei passender Temperatur und ziemlich hoher Dichte verhüllt er alle Hinweise auf dieses Element.

Der Haken ist nur: Ein dichter Gasschleier wäre bei dem erforderlichen Abstand zum Schwarzen Loch nicht stabil. Das Gas würde entweder ins Schwarze Loch stürzen oder sich ins All verflüchtigen. Der unklare Ursprung dieses Materials sorgt noch immer für rege Diskussionen. Grob gesagt gibt es zwei Möglichkeiten, die beide mit der Dynamik des gefräßigen Schwarzen Lochs zu tun haben. Während die Überbleibsel eines zerstörten Sterns um dieses herumwirbeln und eine wachsende Akkretionsscheibe bilden, könnten von der Scheibe ausgehende Stoßwellen den sofortigen Absturz weiter draußen kreisenden Materials verhindern und damit einen halbwegs stabilen Schleier erzeugen. Laut einer anderen Erklärung wälzt die Akkretionsscheibe kurz nach ihrer Entstehung so viel Material nach innen, dass das Schwarze Loch davon quasi überfordert wird und einen Teil wieder weit über die Scheibe hinaus wegschleudert. Wie die Rätsel um PS1-10jh und andere bald danach entdeckte TDEs verdeutlichen, sind Sternzerstörungen unerwartet komplexe Phänomene. Doch die größte Überraschung stand noch bevor.

Ein gewaltsames Ende | Obwohl supermassereiche Schwarze Löcher selbst nicht leuchten, verursachen sie die spektakulärsten Phänomene im Universum, darunter so genannte gezeitenbedingte Zerstörungsereignisse oder TDEs (Tidal Disruption Events). Ein Stern, der einem dieser kosmischen Giganten zu nahe kommt, wird durch intensive Gezeitenkräfte zerfetzt. Ein Teil der Bruchstücke strömt als Gas auf das Schwarze Loch zu, wird unterwegs komprimiert und beginnt zu strahlen. Ein anderer Teil entweicht ins All.

In den frühen Morgenstunden des 28. März 2011 wurden Astronomen in aller Welt durch automatische Nachrichten auf ihren Mobiltelefonen alarmiert. Der Swift-Satellit hatte soeben tief im All einen hochenergetischen Strahlungsblitz entdeckt. Swift ist ein Weltraumteleskop der NASA mit italienischer und britischer Beteiligung, das vor allem auf Gammastrahlenblitze (abgekürzt GRBs für gamma-ray bursts) spezialisiert ist, heftige Sternexplosionen, die zu den strahlungsintensivsten Kurzzeitereignissen im Universum zählen. Sobald ein Strom energiereicher Gammastrahlen die Swift-Sensoren erreicht, reagiert das Teleskop sofort. Es beobachtet die Quelle im optischen und Röntgenbereich und alarmiert zugleich die Erde. Hastig richten daraufhin die Astronomen die größten Teleskope der Welt auf das rasch schwindende Nachleuchten des Gammablitzes. Seit seinem Start 2004 hat Swift auf diese Art mehr als 1000 GRBs entdeckt. Das Ereignis vom 28. März 2011, später als Swift J1644+57 katalogisiert, sollte sich allerdings als etwas noch nie Gesehenes erweisen.

Swift sorgt mit einem Strahlungsblitz für Sensationen

Wie ihr Name sagt, dauern Gammablitze nur sehr kurz, zwischen Sekundenbruchteilen und wenigen Minuten. Als wir an jenem frühen Märzmorgen unsere Teleskope auf Swift J1644+57 richteten, waren wir auf das übliche kurze Nachglühen eines GRBs gefasst. Stattdessen beobachteten wir starke, unregelmäßige Ausbrüche, die einen Tag andauerten, gefolgt von monatelangen, intensiven, langsam nachlassenden Röntgenemissionen. Bald hatten wir die Quelle in einer 3,8 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie im Sternbild Drache geortet. Unser Kollege Joshua S. Bloom von der University of California in Berkeley meinte gleich, wir seien auf ein TDE gestoßen. Er sagte korrekt voraus, dass wir diese spezielle Gammaquelle exakt im Zentrum der Galaxie lokalisieren würden – dort, wo ein supermassereiches Schwarzes Loch Sterne zermalmt. Aber konnte das sein? Alle früher entdeckten TDEs waren bei größeren, weniger energiereichen Wellenlängen gefunden worden, die von der erwärmten Akkretionsscheibe eines zerfetzten Sterns ausgehen. Hier war alles anders.

Ein einmaliges Schauspiel | Ein TDE ist das einzige Ereignis, bei dem Astronomen verfolgen können, wie ein Schwarzes Loch aktiv wird, Material verzehrt und wieder zum Ruhezustand zurückkehrt. Aus der Zeit, die eine Akkretionsscheibe braucht, sich zu bilden (1), maximale Helligkeit zu erreichen (2) und zu verlöschen (3), lassen sich die Größe des zerstörten Sterns sowie Masse und Drehimpuls des Schwarzen Lochs erschließen. Außerdem können die Forscher Stoßwellen in der Scheibe sowie die Entstehung relativistischer Jets verfolgen – Teilchenströme, die fast mit Lichtgeschwindigkeit von den Polen des Schwarzen Lochs ausgehen.

Wie kann ein TDE Gammastrahlen erzeugen? Die beste Antwort, die wir anbieten können, lautet: Schwarze Löcher haben keine Tischmanieren. Ein Schwarzes Loch frisst das meiste Gas eines zerstörten Sterns auf und lässt es auf Nimmerwiedersehen hinter dem Ereignishorizont verschwinden, hinter jener Grenze, der nicht einmal Licht entkommt. Doch vermutlich rotieren alle Schwarzen Löcher, und ihr Drehimpuls treibt ein paar Prozent des Sternmaterials außerhalb des Ereignishorizonts zu den Polen, wo das Gas fast auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird und in Form gebündelter Teilchenstrahlen davonschießt. Unterwegs senden diese energiereichen Jets Gamma- und Röntgenstrahlen aus. Anscheinend hat der Jet von Swift J1644+57 zufällig den Swift-Satelliten getroffen. Das war ein glücklicher Fang. Offenbar leisten sich nicht alle TDEs solche relativistischen – fast lichtschnellen – Teilchenemissionen, und diese sind zumeist nicht direkt auf uns gerichtet.

Dennoch blieb Swift J1644+57 nicht allein. Bis Anfang 2017 fand das Swift-Team zwei weitere TDEs, die Gamma-Jets aussandten. Diese besonders seltenen und intensiven Boten sterbender Sterne eröffnen einen neuen Zugang zu einem der wichtigsten Forschungsgebiete der modernen Hochenergie-Astrophysik, der Entstehung relativistischer Teilchenstrahlen.

Im Unterschied zu den viel größeren und dauerhafteren Jets und Akkretionsscheiben der Quasare, die vom lang anhaltenden Sturz gigantischer Gaswolken in ein supermassereiches Schwarzes Loch herrühren, sind TDEs kurze, überschaubare Ereignisse, die sich gut untersuchen lassen. Kein Mensch wird jemals den kompletten Lebenszyklus eines einzelnen Quasars verfolgen können, aber Astronomen haben bereits mehr als 20 TDEs von Anfang bis Ende studiert. In den Details dieser Sternkatastrophen lauern weitere Rätsel. Präzise Messungen der TDE-Strahlungsausbrüche geben nicht nur Auskunft über Schwarze Löcher, sondern zudem über Zusammensetzung und innere Struktur von Sternen, die Milliarden Lichtjahre weit entfernt in Stücke gerissen werden.

Das gilt sogar für mögliche Begleitobjekte, die zusammen mit ihrem Stern zu Grunde gehen. Jedes Aufblitzen im Zentrum einer fernen Galaxie signalisiert vielleicht das Ende eines kompletten Planetensystems. Wie Durchmusterungen unserer Milchstraße ergeben haben, wird fast jeder Stern von Trabanten begleitet. Wahrscheinlich sind auch bei den meisten TDEs ganze Systeme im Spiel. Selbst wenn die Planeten dabei nicht direkt verschlungen werden, können sie in die von einigen TDEs erzeugten relativistischen Jets geraten, die sich über Lichtjahre ins All erstrecken. Jede Spur von Leben auf diesen Welten würde sofort vernichtet. Vielleicht werden wir eines Tages Zeugen einer Sternzerstörung in unserem kosmischen Hinterhof, wenn das vier Millionen Sonnenmassen schwere Schwarze Loch, das im Zentrum der Milchstraße lauert, einen vagabundierenden Stern zerreißt. Der Blitz wäre sehr intensiv, aber unschädlich, denn die Erde liegt in sicherer Entfernung vom galaktischen Zentrum.

Mit noch mächtigeren Durchmusterungen kündigt sich eine neue Ära der TDE-Forschung an. In Chile entsteht das Large Synoptic Survey Telescope (LSST); dieses Acht-Meter-Teleskop, dessen Gesichtsfeld zehn Quadratwinkelgrad abdeckt, soll allein im ersten Jahrzehnt tausende TDEs aufspüren. Das größte Problem wird die Auswertung einer überwältigenden Flut von Daten sein. Geplante Radioobservatorien wie das Square Kilometre Array mit Standorten in Australien und Südafrika eignen sich speziell zur Entdeckung relativistischer Jets – sogar dann, wenn die Teilchenstrahlen nicht genau auf uns gerichtet sind. In naher Zukunft könnte daraus ein TDE-Katalog mit abertausenden Einträgen entstehen, die helles Licht auf das Ende ferner Welten werfen.

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