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News: Wenn Staub erzählt

Auf so manchem Dachboden lagert die Luftverschmutzung eines ganzen Jahrhunderts. Die dort liegenden Staubschichten lesen sich für Wissenschaftler wie ein Buch der Schadstoffgeschichte.
Wo die Zeit still steht, dort sammelt er sich: Staub. Auf Dachböden bedeckt er Bücherkisten, rieselt in die Ecken und lässt sich auf längst vergessenem Spielzeug nieder. Wie die Staubfänger, hat auch er eine Geschichte zu erzählen.

Vito Ilacqa von dem Environmental and Occupational Health Science Institute in New Jersey und seine Kollegen sammelten auf Dachböden, die zwischen 1879 und 1995 in der amerikanischen Kleinstadt Dover erbaut wurden, den Staub von Klimaanlagen und Balken, um diesen nach Schadstoffen zu untersuchen. Denn in der gut belüfteten, wenig besuchten Umgebung kann sich Staub ungestört ansammeln.

Normalerweise beruhten Angaben über die Luftverunreinigung der Vergangenheit nur auf Schätzungen des Schadstoffausstoßes. Inwieweit Wind und Regen die tatsächliche Luftverschmutzung der damaligen Zeit dabei beeinflusst haben, könne man dabei jedoch nicht sagen, begründen die Wissenschaftler die Vorteile ihrer Dachboden-Methode.

Der Bleigehalt der Staubproben sollte zunächst zeigen, inwieweit sich die Luftbelastung bestimmter Jahrzehnte in Staubniederschlägen wiederspiegelt, denn die Geschichte dieses Schadstoffes ist gut dokumentiert. Tatsächlich schien der Bleigehalt aus Proben in den fünfziger und sechziger Jahren erbauter Häuser drastisch anzusteigen – damals war das Benzin noch stark bleihaltig. Staub aus nach 1970 gebauten Häusern zeigte dagegen von Jahrzehnt zu Jahrzehnt einen weitaus geringeren, gleichmäßigen Anstieg der Bleikonzentration. Tatsächlich wurde der Zusatz des toxischen Bleis in den USA seit den siebziger Jahren stark reduziert und in den achtziger Jahren schließlich verboten.

Auch nach radioaktiven Elemente suchte das Forscherteam. Während besonders langlebiges Cäsium mit erhöhter Konzentration in Hausstaub aus den siebziger Jahren gefunden wurde, wiesen die Wissenschaftler keine bedeutenden Mengen an radioaktivem Strontium und Jod nach. Der Grund für die erhöhte Cäsiumbelastung seien vermutlich die nuklearen Tests in den sechziger Jahren, glauben die Forscher. Das Fehlen von radioaktivem Jod und Strontium sei wegen eines bei Dover gelegenen Kernkraftwerkes jedoch erstaunlich, habe man diese Elemente doch für die Ursache mehrerer Krebsfälle bei Kindern gehalten.

Umweltchemiker Cizdziel von der University of Nevada warnt jedoch vor voreiligen Schlüssen: Nur sehr stabile Schadstoffe seien über so lange Zeiträume im Staub nachweisbar. Ilacqa und seine Kollegen räumen selbst ein, dass Staub natürlich auch durch andere Quellen verschmutzt werden könne, etwa bei Renovierungen.

Haustaub-Untersuchungen seien dennoch eine sehr überzeugende Methode, um die Luftverschmutzungen der Vergangenheit einzuschätzen, meinen die Forscher. So wie sich die klimatischen Ereignisse in den Jahresringen eines Baumes wiederspiegelten, könne man mit dieser Methode die Belastung der Luft durch radioaktive Elemente, Pestizide und andere Schadstoffe im Staub ablesen. Welche Auswirkungen die brennenden, kuwaitischen Ölfelder des Golfkrieges auf die Reinheit der Luft hatten, wurde ebenfalls durch Hausstaub-Proben untersucht.

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