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News: Wie alt ist Ihre Zahnpasta?

Mit modernen Tintendrucker darf heute jeder, der es mag, seine Urlaubsbilder in schönster Qualität auf Papier bannen. Die Technik hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht und die Auflösung hat durchaus Photoqualität. Was sorgt aber dafür, dass die kleinen Farbtröpfchen genau auf der richtigen Stelle des Papiers haften bleiben und nicht verwischen? Das Zauberwort heißt Additive. In kleinen Mengen sind pastenartige Substanzen der Farbe beigemischt und sorgen für einen sauberen Klecks. Die Physik dieser Pasten war bislang weitgehend unverstanden. In einer neuen Arbeit stellen französische Physiker einen Vergleich mit Glas an - und siehe da, manches wird klarer.
Die mechanischen Eigenschaften von Pasten und ähnlichen Materialien stellen schon seit etlichen Jahren eine harte Nuss für Forscher dar. Die Substanzen scheinen ihr Verhalten mit der Zeit zu ändern – ganz nach Lust und Laune, möchte man meinen. Wer hat nicht schon mit einer Zahnpastatube gekämpft, um den letzten Rest herauszuquetschen? Drückt man leicht, federt die gelartige Masse zurück – erst, wenn man richtig presst, bequemt sich die Creme aus ihrem Versteck und gleitet fast wie Flüssigkeit auf die Bürste. Ganz pfiffige Zeitgenossen stellen deshalb ihre Tuben auf den Kopf. Aha! Wer also lange wartet, kommt auch zum Erfolg. Die Physik der Zahncreme ist schon recht mysteriös – ein paar Physiker aus Frankreich möchten nun etwas Licht ins Dunkel bringen.

Motiviert durch theoretische Arbeiten zu weichen, nachgiebigen Materialien und deren Gemeinsamkeiten mit Glas, machten sich die Forscher um Michel Cloitre vom Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS) und der Gesellschaft Atofina frisch ans Werk. Für die Untersuchung fiel ihre Wahl auf eine rheologische Standardapparatur. Sie besteht aus zwei Platten. Auf die untere wird die Probe gelegt, und die obere kann mit großer Kraft gegen die untere gedrückt werden – eine Presse also (Physical Review Letters vom 28. November 2000, Abstract).

Die Forscher schauten sich in ihren Versuchen nicht so sehr an, wie sich die Paste unter Druck verformt, sondern vielmehr, wie sie sich nach Entlastung verhält. Sie stellten fest, dass sie sofort beginnt, ihre alte Form einzunehmen – allerdings sehr schleichend. Nach mehreren Stunden war ein Ende noch nicht abzusehen. Der Prozess des Spannungsabbaus verhält sich logarithmisch in der Zeit, so dass es sehr schwer ist, ein Ende zu definieren. Eine derart langwierige Relaxation kennen Physiker auch von einem anderem Material, dem Glas.

Cloitre und seine Kollegen fanden heraus, dass außerdem ein Alterungsprozess auftritt. Die Steifheit der Paste nahm während der Relaxation mit der Zeit zu. Das konnten die Forscher zeigen, indem sie das Material zwischendurch leicht belasteten. Die induzierte Verformung hing in einfacher Weise von der Alterungszeit ab. In anderen glasartigen Substanzen wie beispielsweise PVC können hohe Temperaturen das Material zum Fließen bringen und so das Gedächtnis an jede vorhergehende Relaxation auslöschen.

Die Paste im Versuch bestand aus einer konzentrierten Lösung 200 Nanometer großer gelartiger, dicht zusammengepackter Partikel. Die unter großem Druck komprimierten Teilchen sind laut Cloitre stark verzerrt und setzen, nachdem der Druck nachlässt, alles daran, eine weniger verspannte Position und Form einzunehmen. Die Suche nach einem Gleichgewichtszustand kann allerdings sehr langwierig sein, da die Entlastung einiger Partikel meist zur Belastung anderer führt. Ganz ähnlich erklären die Forscher glasartige Relaxationen in anderen Materialien. Hier ist es der Wettkampf zwischen Atomen oder Molekülen, die allesamt komfortable Positionen einnehmen möchten – wobei jeder Baustein zuerst an sich selbst denkt und sich auf Kosten des Nachbarn ausbreitet.

Laut Cloitre sollten in Zukunft auch die Eigenschaften von Schwämmen, Emulsionen und Suspensionen auf ähnliche Art und Weise erfassbar sein. Vermutlich lassen sich durch die Kenntnisse die Materialeigenschaften vieler industrieller Produkte verbessern. Alterung lässt sich eventuell weitgehend unterdrücken. David Weitz von der Harvard University meint, dass durch die vorliegende Arbeit Klarheit in das undurchsichtige Verhalten von Pasten kommt. Es zeigt sich, dass Pasten normalerweise nicht im Gleichgewichtszustand sind und dass sie auf die gleiche Weise altern, wie es jedes Glas tut. Alterung "scheint ein allgegenwärtiges Verhalten in ungeordneten Systemen zu sein".

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