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News: Wildtiere als Forsthelfer

Gibt es Alternativen zur konventionellen Pflege von Offen- und Halboffenbiotopen, die naturverträglich und ökonomisch erschwinglich sind? Läßt sich Naturschutz und Landschaftsgestaltung mit robusten Haustierrassen und Wildtieren betreiben? Darüber diskutierten Experten aus Deutschland, Holland und der Schweiz während eines zweitägigen Workshops und stellten funktionierende Beispiele aus der Praxis vor.
Leider, so konstatierte der Direktor des Berliner Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (IZW), Prof. Dr. Reinhold R. Hofmann, eingangs, würden unsere großen Huf- und Wildtiere in ihrer Eignung als Landschaftsgestalter im artgerechten (!) Lebensraum immer noch verkannt. Wildtiere seien mitnichten "Waldschädlinge", die den Aufbau von naturnahen Mischwäldern behindern. Diese so extrem einseitige Sichtweise konnte nur als Folge der vom Menschen geschaffenen forstlichen Monokulturen entstehen. In Nationalparks tragen Wildtiere bereits ganz erheblich zur Erhaltung der Arten- und Strukturvielfalt bei, ohne die natürliche Waldregeneration zu behindern. Der international bekannte und gerade aus der Serengeti zurückgekehrte Experte vertrat die Ansicht, daß heute in einer Reihe von Regionen, darunter Berlin-Brandenburg, gute Chance bestünden, naturnahe Strategien im Einklang von Wildbiologen und Forstfachleuten zu verwirklichen.

Interessante Projekte in Holland, Deutschland und der Schweiz

Deshalb war es ein wichtiges Anliegen des Meetings, einmal das bereits angesammelte Wissen näher unter die Lupe zu nehmen und dabei europäische Regionen vom atlantisch geprägten tiefen Küstenraum über das mecklenburgische Seengebiet bis hinauf zu den alpinen Wäldern und Wiesen vorzustellen. Theoretische Erörterungen konnten somit immer auch an Projekten überprüft werden, die bereits über Jahre laufen und wissenschaftlich begleitet werden.

So berichtete Dr. Vera (niederländisches Polderschutzgebiet Oostvaaderplassen), daß in dem 6000 ha großen Areal Huftiergemeinschaften imstande sind, ohne menschliche Hilfe großflächige Pionierbiotope zu pflegen. Es begann mit mausernden Graugänsen, die im feuchten Teil des Schutzgebietes die Schilfbestände offen hielten. Um auch für den trockenen Teil des Schutzgebietes eine vielfältige Naturentwicklung zu erreichen und Lebensraum für weitere Vogelarten und Kleinsäuger zu schaffen, wurden Heckrinder (Rückzüchtungen des Auerochsen) und Koniks (Tarpan-ähnliche polnische Pferde) sowie Rothirsche angesiedelt. Die Tiere haben sich inzwischen stark vermehrt (450 Heckrinder, 350 Koniks, 300 Rothirsche sowie zahlreiche Rehe).

Dr. Martin (Nationalpark Müritz) schilderte, daß zur Pflege alter Hutungsflächen im Müritz-Nationalpark seit 1969 nordische Fjellrinder eingesetzt werden. Diese erwiesen sich in der ganzjährigen Freilandhaltung als außerordenlich robust und für die Zwecke des Naturschutzes gut geeignet. Gezieltes Weidemanagement in Kombination mit Gotlandschafen und Shetlandponies vermochte die wertvollen Pflanzenbestände und den Landschaftscharakter weitgehend zu erhalten. Gleichzeitig dient die Fjellrind-Haltung der Erhaltung einer vom Aussterben bedrohten Haustierrasse.

Dr. Krüsi (zur Zeit EU Brüssel) trat für den Schweizerischen Nationalpark (gegründet 1914) den Beweis an, daß trotz starker Zunahme der Zahl von Rothirschen die subalpinen und alpinen Weiden biologisch nicht verarmten, sondern in intensiv beästen Bereichen die botanische Vielfalt in den letzten 50 bis 80 Jahren sogar oft stark zugenommen hat.

Dr. Petrak (Wildforschungsstelle Bonn) bestätigte an Daten aus dem deutsch-belgischen Naturschutzgebiet Perlenbach-Fuhrtsbachtal-Schwalm, daß Rothirsche durch selektive Nahrungswahl wesentlich zur Stabilisierung und Erhaltung der reichen Bärwurz- und Narzissenwiesen beitragen. Die "Pflegeleistung" des freilebenden Rotwildes korreliere sogar mit der Beliebtheit der Pflanzengemeinschaften als Äsungsfläche.

Rückenwind für IZW-Projekt

Starke Resonanz fand auf dem Workshop auch das von Prof. Hofmann vorgestellte Multi-Spezies-Projekt (MSP). Es soll auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz die natürlichen Prozesse zwischen Großsäugern und Vegetation wieder in Gang bringen. Denn auch in den Wäldern Brandenburgs hielten wildlebende Huftiere (Wisent, Auerochse, Elch, Rothirsch, Reh) bis in das Mittelalter hinein Waldlichtungen offen, schufen fein strukturierte Waldränder und sorgten so für die Existenz lichtliebender und an Säume angepaßter Pflanzen, Kleinsäuger, Vögel und Insekten. IZW-Experten wollen sich mit der Wiederansiedlung grasender Arten (Wisente, Heckrinder, Koniks) und des laubäsenden Elches wieder dem naturnahen Gefüge aus Huftieren und Vegetation nähern. Die dort vorhandene Pioniervegetation bietet die Möglichkeit, dieses Gefüge weitgehend ohne den lenkenden Einfluß des Menschen zu entwickeln, d.h. einem synökologischen Prozeßschutz Raum zu geben.

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