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Mars One: "Wir müssen beginnen, uns von der Erde zu lösen"

100 Kandidaten haben es in die nächste Runde des Mars-One-Projekts geschafft. Die private Mission will 2025 die ersten Menschen zum Mars bringen - ohne die Chance auf eine Rückkehr. "Spektrum.de" sprach mit einem der beiden verbliebenen Deutschen, Robert P. Schröder, 27, Elektrotechnikstudent in Darmstadt.
Mars-One-Siedlung

Herr Schröder, Sie haben sich bei Mars One als Kandidat für einen Marsflug beworben. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Ich habe einen Werbespot für das Projekt im Fernsehen gesehen, Anfang 2013 war das. Als Kind war ich ein großer Sciencefiction-Fan. Mit meinem Vater habe ich "Star Wars" geschaut. Schon damals wollte ich in den Weltraum fliegen. Doch um bei der NASA oder ESA eine Chance zu haben, muss man ja mehrere Doktortitel vorweisen oder ein erfahrener Kampfpilot sein. Also habe ich mir den Traum als Jugendlicher erst mal wieder abgeschminkt. Bis ich von Mars One gehört habe. Das war die Gelegenheit für mich!

Robert P. Schröder | Der 27-jährige Marsflugkandidat studiert derzeit Elektrotechnik in Darmstadt. Mehr Informationen finden sich auf seiner Facebook-Page.

Wie groß sehen Sie die Chance auf mittel- bis langfristiges Überleben auf dem Mars?

Ich glaube, dass die Chancen recht groß sind. Mars One baut die Raketen und Module für die Crew ja nicht selbst, sondern arbeitet mit erfahrenen Firmen wie SpaceX zusammen. Die werden, bis es 2025 zu einer bemannten Mission kommt, mehrere Flüge mit Modulen zum Wohnen und für die Energieerzeugung auf dem Mars absetzen. Solange die Mission nicht sicher genug ist, wird Mars One sie auch gar nicht starten.

Sie sind 27. Warum wollen Sie zum Mars reisen und dort Ihr Leben verbringen?

Ich bin ein Entdecker. Ich mag es, unabhängig zu sein, neue Dinge auszuprobieren und mit aufzubauen. Deshalb bin ich auch schon mit 17 zu Hause ausgezogen, um am Forschungszentrum Jülich eine Ausbildung zum Physiklaboranten zu machen. Das war schon damals ein Problem für meine Eltern. Aber wenn ich mir einmal etwas in den Kopf gesetzt habe, ziehe ich es auch durch. Ich will am liebsten gleich auf der ersten Mission mitfliegen und als einer der Allerersten auf dem Mars ankommen. Dann kann ich von Grund auf alles mitentwickeln, was wir dort brauchen werden, um zu überleben. Ich würde auf dem Mars gerne Höhlen erkunden und versuchen, ein Freizeitangebot zu schaffen. Und ich will mich kreativ austoben.

Gefällt es Ihnen bei uns nicht?

Ich fühle mich auf der Erde nicht unwohl, habe Eltern, die mich lieben und die ich liebe, und eine Schwester und einen Bruder, die mir wichtig sind. Es wird sicher schwierig, meinen Eltern Lebewohl zu sagen. Ich spiele Badminton in einem Amateurverein, außerdem engagiere ich mich beim Technischen Hilfswerk. Das kann ich auf dem Mars natürlich nicht mehr machen. Auch meine Freunde werden mir fehlen. Aber ich glaube, dass wir beginnen müssen, uns von der Erde zu lösen. Schließlich kann es hier auch schnell sehr unwirtlich werden. Wir haben das Potenzial, uns 1000-fach mit Kernwaffen zu vernichten. Deshalb müssen wir die Marskolonie, sobald sie besteht, auch autark machen, damit sie unabhängig von der Erde existieren kann.

Was ist Mars One? |

Mars One ist eine von einer privaten niederländischen Stiftung organisierte Mission zum Mars. Dabei ist lediglich ein Hinflug geplant. Die 24 Kandidaten, die am Ende aus den ehemals mehr als 200 000 Bewerbern ausgewählt werden, können den Roten Planeten – sollten sie überhaupt dort wohlbehalten ankommen – wohl nie wieder verlassen. Denn dort gibt es keine Ressourcen und nicht die nötige Technik, um Raketen zu bauen. Bewerben konnten sich Männer und Frauen ohne besondere Vorkenntnisse von überall auf der Welt. Lediglich gesund mussten sie sein und die englische Sprache grundlegend beherrschen.

2013 begann der Bewerbungsprozess. Nach zwei Auswahlrunden, bei denen sich die Kandidaten zunächst in Videos vorstellen und später auch einem Gespräch mit dem medizinischen Leiter stellen mussten, sind am 16. Februar 2015 die verbliebenen 100 Bewerber für Runde 3 vorgestellt worden. Von der Notärztin bis zum Herausgeber eines Rock-Magazins, vom 19- bis zum 60-jährigen Kandidaten ist alles dabei. Die ersten Mars-Bewohner sollen 2024 die Erde verlassen und 2025 auf dem Planeten landen.

Die nun verbliebenen 50 Männer und 50 Frauen sollen Teil einer TV-Produktion werden, die die Kandidaten bei ihrer Vorbereitung und den weiteren Tests begleitet. Die Erlöse der Sendung sollen einen Teil der Kosten, die mit sechs Milliarden Euro von der Stiftung noch sehr konservativ beziffert werden, einspielen. Schließlich soll diese von der Big-Brother-Produktionsfirma Endemol erstellte Dokumentation in eine Reality-TV-Show münden, in der mit den 24 zukünftigen Marsbewohnern eine Simulation in Wohncontainern, wie sie auch auf dem Mars als Behausung dienen sollen, stattfindet. Die künftigen Marsianer müssen immer wieder Aufgaben im Team oder allein lösen.

Von wissenschaftlicher Seite gibt es heftige Kritik an dem Projekt. Eine MIT-Studie hat ergeben, dass die ersten Marsianer bereits nach 68 Tagen an einer Sauerstoffvergiftung in ihren Wohneinheiten sterben werden. Der ehemalige Astronaut Ernst Messerschmid spricht von einem "Selbstmordkommando".

Kann man die Mission auch als eine Art heldenhafte Flucht sehen?

Es gibt sicher unter den Kandidaten einige, die das Leben gebeutelt hat und die hier nichts mehr hält. Ich kann auch diese Motivation verstehen, finde das aber sehr schade. Bei mir ist das anders. Ich bin liebevoll großgezogen worden. Und ich will auch nicht um jeden Preis weg. Wenn das Risiko zu groß wäre, würde ich aussteigen. Ich bin nicht der Typ, der sich auf eine Mission begibt, die vielleicht gar nicht ankommt.

Was sagen Ihre Eltern und Freunde zu Ihren Plänen?

Meine Freunde fragen mich oft nach dem aktuellen Stand und wollen wissen, wie es weitergeht. Manche finden spannend, was ich vorhabe, andere verstehen es nicht wirklich. Einige versuchen auch, mir den Plan auszureden. Mit meinen Eltern ist es natürlich sehr emotional. Sie finden die Entscheidung nicht gut und versuchen auch immer noch, mich davon abzubringen. Aber sie kennen mich und wissen: Wenn ich mir mal etwas in den Kopf gesetzt habe, dann bin ich so gefestigt im Willen, dass es unmöglich ist, mich umzustimmen. Meine Schwester will mich zwar unterstützen, ihr fällt es aber auch schwer. Mein Bruder dagegen steht voll hinter mir.

Angenommen Sie würden ausgewählt: Was könnte Sie noch davon abhalten, mitzufliegen?

Eigentlich nichts. Ich finde es nicht gut, wenn jemand, der Kinder hat, zum Mars fliegt und sie zurücklässt. Aber ich habe keine Kinder und im Moment auch keine Beziehung. Ich schütze mich aber auch nicht gezielt davor, mich zu verlieben. Ich würde einer Frau jedoch immer sofort sagen, dass sie davon ausgehen muss, dass ich irgendwann zum Mars fliege. Und so was macht natürlich keine Frau gerne mit. Auf dem Mars hingegen will ich später gerne eine Familie gründen. Alle zwei Jahre kommt ein neues Team an, die Hälfte sind Frauen. Da kann sich schon was ergeben. Man teilt ja auch ähnliche Interessen. Und ansonsten ist das restliche Team auch eine Art von Familie.

Was würden Sie am meisten vermissen?

Am meisten fehlen würde mir wahrscheinlich das Essen hier. Die Vielfalt wird auf dem Mars nicht so groß sein, zumindest am Anfang. Und generell wird es weniger Abwechslung geben. Badminton wird man dort nicht spielen können wie auf der Erde. Dann müssen eben neue Spiele her. Bevor ich aufbreche, will ich aber auf jeden Fall noch einige Orte auf der Welt besuchen. Und ich will tauchen gehen. Auch als Vorbereitung auf die Schwerelosigkeit. Das muss ein unglaubliches Gefühl sein.

Lennart Lopin – der zweite Deutsche

Lennart Lopin ist 36, Softwareentwickler, Buddhist, verheiratet und Vater von vier Kindern. Er hat einen deutschen Pass, lebt aber seit einigen Jahren in Florida. Schon früh hat er sich für Naturwissenschaften und Mathematik interessiert. Besonders die Astronomie hat es ihm angetan. Solange er sich erinnern könne, habe er immer nur "weggewollt", in einem positiven Sinn, schreibt er auf seinem privaten Blog. Die technikbegeisterten und zukunftsoptimistischen Amerikaner bewerteten seinen Plan völlig anders als beispielsweise seine Eltern in Europa. Lopin hat jahrelang als buddhistischer Mönch in Sri Lanka gelebt. Die Erfahrung des Alleinseins aus der Meditation werde ihm auch auf dem Mars helfen, glaubt er. Dennoch sei einem der Tod bei einer solchen Mission viel näher als auf der Erde: "An den Gedanken sollte man sich schon sehr früh gewöhnen."

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