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News: Wunschdenken steuert neuronale Entwicklung

Sollen sich Muskelzellen zusammenziehen - etwa damit die Hand eine Kaffeetasse hebt -, brauchen die Fasern Anregung durch Nervenimpulse. Diese perfekte Kommunikation muss sich während der Entwicklung allerdings erst ausbilden und beginnt bei der Muskelzelle, die Signalstoffe ausschüttet, um die Nervenzelle anzulocken. Wunschdenken bei der ganzen Angelegenheit ist nun nur noch der Name des verantwortlichen Gens.
Damit die Kommunikation zwischen Muskel- und Nervenzellen gut funktioniert, kommen sich beide Zellarten in der so genannten Synapse sehr nahe. Ein länglicher Zellfortsatz der Nervenzelle reicht fast an die Muskelzelle heran und verdickt sich am Ziel zu einem abgeplatteten Bläschen, dem so genannten Endköpfchen. Nur einen hauchdünnen Spalt entfernt liegt die Nervenzelle, die auf erregende oder hemmende Signale wartet, um sich pflichteifrig zusammenzuziehen.

Diese enge Nähe zwischen den Zellen liegt zwar in den Genen, muss sich während der Embryonalentwicklung aber erst herauskristallisieren. Wie die Annäherung vonstatten geht, haben nun zwei Forscherteams parallel mit unterschiedlichen Ansätzen bei der Taufliege Drosophila melanogaster aufgedeckt. Das Team von Michael O`Connor suchte am Howard Hughes Medical Institute nicht direkt nach Genen, die bei der Entstehung von Synapsen eine Rolle spielten [1]. Ihre Aufmerksamkeit galt einer speziellen Familie von Oberflächenproteinen, die bei der Formgebung der Knochen den Ton angeben; die so genannten bone morphogenetic proteins (BMP).

Bevor sie mit ihrer Suche begannen, wussten sie nicht, dass BMPs bei der Signalübertragung in Nervenzellen überhaupt vorkommen. Und doch war es so. Den ersten Hinweis darauf erhielten sie, als sie auf ein hohes Vorkommen eines BMPs im Nervensystem stießen. Anschließende Studien von Fliegenlarven, denen das wishful-thinking-Gen (wit) fehlte, bestätigte die Vermutung. Die Tiere hatten nur eine mangelhafte Vernetzung zwischen Muskel- und Nervenzellen.

Zu dem selben Ergebnis kamen Corey Goodman von der University of California in Berkeley und seine Kollegen, als sie Fliegenlarven untersuchten, die einen Defekt im Wachstum der Synapsen hatten [2]. Übereinstimmend stellten beide Forschergruppen fest, dass das Synapsenwachstum beide Seiten des Spaltes benötigt. "Aus vielen Experimenten, die wir in den letzten fünf Jahren durchgeführt haben, häuften sich die Beweise, dass beide Seiten des Spaltes eine komplexe Konversation miteinander führten, um Größe und Stärke zu regulieren", sagte Goodman. Damit die enge Verbindung zustande kommt, treten Faktoren aus der Muskelzelle aus, überqueren den hauchdünnen Spalt und locken die Nervenzelle an. Welche Aufgabe übernimmt "wishful thinking" dabei? Es bindet den ankommenden Faktor und vermittelt so die lockende Information an die Nervenzelle.

O`Connor und seine Kollegen wollen nun die Spur des von dem Protein wit angenommenen Signals innerhalb der Nervenzelle näher untersuchen. Wie gelangt es durch den langen Arm, das Axon, bis in den Zellkörper, das Neuron, wo es neue Signale auslöst? Sicherlich sind die Entdeckungen erst der Startschuss. So sieht es zumindest Goodman. "Diese Veröffentlichung ist erst der Anfang."

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