Coronavirus bei Älteren: Zellalterung könnte Covid-19 verschlimmern
Eine Hypothese über einen Zusammenhang zwischen alterungsbedingter Entzündung und schweren Verläufen von Covid-19, präsentiert von zwei Forschern in »Science«, könnte erklären, warum ältere Menschen häufiger an der Coronavirus-Infektion sterben. In ihrem Beitrag führen Arne Akbar und Derek Gilroy vom University College London Befunde über die Alterung des Immunsystems einerseits und Erkenntnisse über Covid-19 andererseits zusammen. Laut ihrer These macht ein als Entzündungsaltern bezeichneter Vorgang die bei einer Infektion mit Sars-CoV-2 auftretenden entzündlichen Prozesse gefährlicher, indem T-Zellen dazu verleitet werden, wahllos Körperzellen zu zerstören.
Normalerweise reagieren T-Zellen, die Körperzellen töten, nur auf Antigene des Virus in diesen Zellen. Durch einen als Seneszenz bezeichneten Alterungsprozess können sie jedoch laut Akbar und Gilroy auch Rezeptoren von unspezifischen Killerzellen des angeborenen Immunsystems erwerben. Je älter man wird, desto mehr Zellen überall im Körper werden seneszent. Gleichzeitig führe eine Entzündung wie jene bei Covid-19 dazu, dass viele Körperzellen Proteine tragen, die diese Rezeptoren aktivieren – insbesondere ebenfalls seneszente Zellen in der Lunge. Diese Kombination führe womöglich dazu, dass T-Zellen in älteren Menschen auch nicht vom Virus befallenes Lungengewebe zerstören.
Entzündungen sind eine Komponente der frühen Immunantwort auf Krankheitserreger oder beschädigtes Gewebe. Sie entstehen, weil Immunzellen im Gewebe auf für Krankheitserreger oder beschädigtes Gewebe typische Moleküle reagieren und eine Reihe von Signalstoffen freisetzen. Diese wiederum verändern die Blutgefäße, so dass Flüssigkeit und durch die Entzündungssignale aktivierte Immunzellen ins Gewebe eindringen. Normalerweise geht die Entzündung zurück, wenn ihr Anlass verschwunden ist.
Ältere Menschen allerdings zeigen oft Anzeichen einer chronischen, »sterilen« – also nicht durch Krankheitserreger ausgelösten – Entzündung: Sie haben dauerhaft einen höheren Anteil charakteristischer Botenstoffe wie C-reaktives Protein (CRP) und Zytokine im Blut. Akbar und Gilroy sehen diese Entzündung nicht per se als schädlich an, verweisen aber auf die Möglichkeit, dass die Entzündungsalterung fatale Wechselwirkungen mit Infektionen durch Krankheitserreger haben könnte. So mache die dauerhafte Entzündung neben den vermuteten Auswirkungen auf die T-Zellen auch die Immunantwort auf verschiedene Viren ineffektiv. Deswegen sei es möglicherweise sinnvoll, Covid-19 neben antiviralen Medikamenten mit Entzündungshemmern zu behandeln – ein Vorschlag, den auch schon andere Fachleute machten.
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