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News: Zu heiß serviert

Die Diskussion, ob gentechnisch veränderte Lebensmittel gesundheitsschädliche Auswirkungen auf den Menschen haben können, wird heftig und mit großer Emitionalität geführt. Die Nachricht, daß transgene Kartoffeln das Immunsystem von Ratten beeinträchtigt haben, fachte die Furcht in der Öffentlichkeit erneut an. Entgegengesetzte Meldungen, in denen die Ergebnisse als falsch oder gar absichtlich manipuliert dargestellt wurden, machten die Verwirrung perfekt. Das Rowett Research Institute, an dem die Versuche durchgeführt wurden, erklärt dazu, die betreffenden Experimente seien bisher wissenschaftlich nicht ausgewertet worden. Außerdem sei es zu einer irreführenden Berichterstattung in den Medien gekommen.
Er würde gentechnisch veränderte Früchte nicht essen, erklärte Professor Arpad Pusztai vom Rowett Research Institute. Seine Meinung begründete er mit den Ergebnissen eines Experiments an nur fünf Ratten, die 110 Tage mit transgenen Kartoffeln gefüttert worden waren und nach seiner Aussage ein vermindertes Wachstum zeigten und anfälliger für Krankheiten waren.

Die Testreihe, auf welche Pusztai sich bezieht, wird jedoch erst am Freitag, den 14. August 1998, ausgewertet sein. Der wissenschaftlichen Fachwelt sind die Daten folglich noch völlig unbekannt. Allerdings hat die britische Arbeitsgruppe im April auf einem Kongreß Ergebnisse eines ähnlichen Versuchs vorgestellt. Darum vermuteten Experten, Pusztai interpretiere in dem BBC-Interview diese Studie neu.

In beiden Untersuchungen wurden die Versuchstiere mit Kartoffeln und Lectinen gefüttert. Bei diesen Substanzen handelt es sich um Proteine oder Glykoproteine, die an Zellmembranen oder -wände binden und dadurch deren Physiologie verändern. Während die im Frühjahr veröffentlichten Arbeiten sich mit den Folgen einer Ernährung auf Kartoffelbasis mit Zusatz von Concanavalin vom Typ A (Con A) beschäftigten, war in den von Pusztai erwähnten Kartoffeln selbst das Gen für ein Lectin namens GNA (Galanthus nivalis Agglutinin) enthalten, das aus dem Schneeglöckchen stammt.

Lectine sind in vielen Organismen zu finden, besonders in Pflanzen und dort wiederum vor allem in Hülsenfrüchten. Der Grund, weshalb man keine rohen Bohnen essen sollte, ist darin zu sehen, daß Lectine die Darmwand angreifen können, durch Kochen jedoch unschädlich gemacht werden. Weiterhin ist bekannt, daß einige Lectine das Immunsystem beeinflussen können.

Nach Aussage von Professor Klaus-Dieter Jany vom Wissenschaftlerkreis Grüne Gentechnik ist es nicht verwunderlich, daß die lange Fütterungsperiode mit hohen Dosen an Lectin zu den von Pusztai erwähnten Resultaten geführt hat. Er verweist darauf, daß die Experimente ja gerade dafür gedacht waren, mögliche Auswirkungen auf den Säugerorganismus zu testen. Kartoffeln mit den beobachteten toxischen Auswirkungen würden nicht für den Markt zugelassen, was seiner Ansicht nach den hohen Stand der Sicherheitsforschung demonstriert.

Die Leitung des Rowett Research Institute erklärte am 12. August, sie bedauere die Veröffentlichung von irreführenden Informationen in einer so wichtigen Angelegenheit. Professor Pusztai wurde seiner Aufgaben entbunden, und Andrew Chesson, Mitglied einer Arbeitsgruppe der EU zur Sicherheit gentechnisch veränderter Lebensmittel, wird die Auswertung und Präsentation der Daten übernehmen.

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