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Sternengeschichten: Die Strömgren-Sphäre und die ersten Sterne

In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um die »Strömgren-Sphäre«. Sie handelt von der Entstehung und Entwicklung von Galaxien und von den ersten Sternen im Universum.
Das Very Large Telescope in Chile

Die Wasserstoffblasen der Sterne

In der heutigen Folge der Sternengeschichten geht es um die »Strömgren-Sphäre« und man kann sich auf jeden Fall schon mal denken, dass es um irgendwas kugelförmiges gehen wird. Was auch stimmt, aber die Geschichte der Strömgren-Sphäre handelt vor allem davon, wie Sterne entstehen und ihre Umgebung beeinflussen. Sie handelt von der Entstehung und Entwicklung von Galaxien und von den ersten Sternen im Universum.

Fangen wir aber am besten mal damit an zu klären, was ein Strömgren ist. In diesem Fall ist es kein was, sondern ein wer, nämlich der dänische Astronom Bengt Strömgren. Über ihn gäbe es viel zu erzählen, aber ich beschränke mich auf das, was er 1939 in einer Arbeit mit dem Titel »The Physical State of Interstellar Hydrogen« geschrieben hat, was auf deutsch so viel heißt wie »Der physikalische Zustand des interstellaren Wasserstoffs«. Darin bezieht sich Strömgren auf eine Arbeit aus dem Jahr zuvor. Da hatten die amerikanischen Astronomen Otto Struve und Chris Elvey diverse kosmische Nebel beobachtet, in denen sehr viel ionisierter Wasserstoff zu finden war. Und um zu verstehen, warum das interessant ist, müssen wir uns nochmal erinnern, was es bedeutet, wenn Wasserstoff – oder sonst irgendwas – »ionisiert« ist. Aber keine Sorge, das ist schnell erledigt: Wasserstoff ist ein Atom, mit einem Kern aus einem Proton. Und in der Atomhülle hat der Wasserstoff ein Elektron. Fertig – Wasserstoff ist simpel; andere Atome haben mehr Protonen im Kern und mehr Elektronen in der Hülle, aber der Punkt ist: Die Elektronen aus der Hülle eines Atoms können entfernt werden und wenn das der Fall ist, dann ist das Atom ionisiert. Ionisierter Wasserstoff ist also ein Wasserstoffatom, bei dem das Elektron aus der Hülle entfernt wurde und nur noch der Atomkern übrig ist. Oder anders gesagt: Das einzelne Proton.

Ok, was heißt das jetzt alles. Wir wissen, dass Wasserstoff das häufigste Element des Universums ist. Es ist ja auch das einfachste und es braucht nicht viel, damit es entsteht. Drum war es auch schon kurz nach dem Urknall da; fast drei Viertel der damals entstandenen Materie waren Wasserstoff und auch heute noch macht Wasserstoff die überwiegende Mehrheit der Atome im Universum aus. Warum also beschäftigen sich ein paar Astronomen in den späten 1930er Jahren mit Wasserstoff, selbst wenn er ionisiert ist? Weil es Energie braucht, um Wasserstoff zu ionisieren. Energie gibt es im Weltall natürlich auch, die kommt unter anderem von der Strahlung der Sterne. Was Strömgren in seiner Arbeit getan hat, war folgendes: Er hat sich überlegt, wie dieser ionisierte Wasserstoff tatsächlich im Raum verteilt sein müsste, wenn man davon ausgeht, dass es die Strahlung der Sterne ist, die ihn ionisiert. Das geht nicht mit jeder beliebigen Strahlung, es braucht die richtige Energie und die steckt vor allem in der ultravioletten Strahlung der sehr heißen und großen Sterne; die mit den Spektralklassen O und B, wenn es jemand genau wissen will.

Wir haben also diese heißen Sterne, die vom üblichen interstellaren Medium umgeben sind, also dem Zeug, dass sich zwischen den Sternen befindet. Das ist natürlich auch weitestgehend Wasserstoff, aber in dem Fall neutraler Wasserstoff, oder halt einfach nur Wasserstoff, nicht ionisiert. Die energiereiche ultraviolette Strahlung der heißen Sterne kann diesen Wasserstoff jetzt ionisieren. Das heißt aber auch, dass da jetzt freie Elektronen durch die Gegend fliegen, die nicht mehr an ihre Atomkerne gebunden sind. Die können jetzt wieder von Wasserstoffatomkernen eingefangen werden – das nennt man »Rekombination« – und dabei wird Energie abgestrahlt, in Form von Lichtteilchen, die jetzt aber weniger Energie haben und nicht in der Lage sind, Atome zu ionisieren. Strömgren hat sich das alles genau durchgerechnet: Wie weit entfernt von einem Stern gibt es noch genug energiereiche UV-Strahlung, um Atome zu ionisieren; wo fängt die Zone an, wo der Wasserstoff sich wieder ein Elektron einfängt, und so weiter. Und er ist dabei zu dem Schluss gekommen, dass das erstens logischerweise eine mehr oder weniger kreisförmige Region um den Stern herum sein muss, weil Sterne ihre Strahlung ja in alle Richtungen abgeben. Er ist aber auch zweitens darauf gekommen, dass die Grenze zwischen ionisierten und neutralen Wasserstoff relativ scharf sein muss. Der ionisierte Wasserstoff wird nicht irgendwie langsam immer weniger und weniger und es ist auch nicht so, dass da Bereiche mit ionisierten Wasserstoff sind, die sich mit neutralen Wasserstoff abwechseln. In der Nähe des Sterns wird Wasserstoff durch die starke Strahlung ständig ionisiert. Weiter draußen gibt es dann aber nicht mehr genug UV-Strahlung, weil die zum Teil schon von den Atomen weiter innen absorbiert worden sind. Dort werden die Atome dann entweder nicht mehr ionisiert oder schnappen sich dann gleich wieder eines der freien Elektronen. Noch weiter draußen wird dann gar nichts mehr ionisiert und, so die Rechnung von Strömgren, im Vergleich zur Ausdehnung der ionisierten Region ist diese Übergangszone sehr schmal. Man kann also durchaus von einer Blase beziehungsweise Sphäre aus ionisierten Wasserstoff sprechen, der diese Sterne umgibt und Strömgren hat auch eine Formel entwickelt, die die Größe dieser Sphäre in Abhängig der Strahlungsstärke des Sterns bestimmt. Die Strömgren-Sphären sind dabei durchaus groß; sehr viel größer als ein Stern. Bei den ganz heißen Sternen können sie einen Durchmesser von ungefähr 650 Lichtjahren haben; bei den kühlsten Sterne, die noch Strömgren-Sphären produzieren können, sind es immer noch um die 50 Lichtjahre.

Man kann sich solche Strömgren-Sphären auch anschauen. Ein prominentes Beispiel dafür ist der Rosettennebel. In seinem Zentrum befinden sich gleich ein ganzer Sternhaufen mit jungen und heißen Sterne und rundherum erkennt man deutlich die sphärischen Bereiche mit den ionisierten bzw. neutralen Wasserstoffatomen. Und man erkennt sie deswegen, weil das Licht, das bei der Rekombination der freien Elektronen von den dann wieder neutralen Wasserstoffatomen ausgestrahlt wird, eine ganz charakteristische Wellenlänge hat. Strömgren-Sphären können wir im Orion-Nebel sehen, im Adler-Nebel, und so weiter. Aber die Strömgren-Sphäre ist nicht einfach nur die theoretische Erklärung für ein paar schöne Bilder, die wir gemacht haben.

Wenn das interstellare Medium durch die Strahlung eines heißen Sterns beeinflusst wird und sich eine Strömgren-Sphäre bildet, dann hat das natürlich auch Auswirkungen auf die weitere Umgebung. Ioniziation und Rekombination und die ganze Strahlung die dabei aufgenommen und abgegeben wird, beeinflussen das interstellare Medium und können dafür sorgen, dass die Entstehung neuer Sterne leichter oder schwerer wird. Ist das Gas zum Beispiel zu heiß, dann bewegen sich die Teilchen zu schnell, als dass die Wolke die aus dem Gas besteht, in sich zusammenfallen und so einen neuen Stern bilden kann. Wenn eine Strömgren-Sphäre sich bildet und ausdehnt, kann sie das umgebende Material andererseits aber auch erst Recht quasi zusammenschieben und so neue Sternbildung auslösen.

Auf noch größeren Skalen betrachtet, können Strömgren-Sphären auch die Entwicklung ganzer Galaxien beeinflussen, je nachdem wie sie dort verteilt sind und damit zum Beispiel ganze Sternentstehungsregionen bilden. Die heißen Regionen aus ionisierten Wasserstoff lassen sich außerdem auch gut beobachtet, selbst aus der Ferne in anderen Galaxien. Damit können wir auch über enorme Distanzen hinweg die Sternentstehungsraten dieser Galaxien bestimmen und schauen, wo sich die Quellen der Ionisation, also die heißen Sterne befinden.

Die Strömgren-Sphären spielen auch eine wichtige Rolle, wenn man die Reionisierungsepoche des Universums verstehen will. Das ist eigentlich wieder eine ganz andere Geschichte und eine lange noch dazu, aber ganz kurz geht sie so: Zuerst gab es im Universum nur ionisierte Atome. Es war alles zu heiß, so dass die Elektronen sich nicht an die Atomkerne binden haben können. Erst knapp 400.000 Jahre nach dem Urknall hat das geklappt. Und erst da ist das Universum »durchsichtig« geworden, soll heißen: Davor konnte sich das Licht nicht vernünftig ausbreiten, weil alles voll mit freien Elektronen war, die es dauernd abgelenkt haben und noch dazu war das Universum damals ja auch viel kleiner. Nachdem sich aber die Elektronen an die Atomkerne gebunden haben, war genug Platz für das Licht, aber es war immer noch dunkel, weil es ja keine Sterne gegeben hat. Die haben sich dann in den nächsten paar Dutzend bis Hundert Millionen Jahren gebildet und die ersten Sterne waren sehr große und sehr heiße Sterne. Sie haben also auch Strömgren-Sphären gebildet und den Wasserstoff um sich herum wieder ionisiert. Alle jungen Sternen im jungen Universum haben das getan; die Strömgren-Sphären haben sich quasi überlappt und – zusammen mit ein paar anderen Phänomenen auf die ich jetzt nicht eingehe – hat das dazu geführt, dass ein großer Teil des Wasserstoffs im Universum wieder reionisiert worden ist, so wie damals, als der junge Kosmos noch nicht durchsichtig war. Zum Glück hat sich das All aber in der Zwischenzeit weit genug ausgedehnt, es ist genug Platz für das Licht und wir können schauen, was es da alles zu sehen gibt.

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