24-Zell (Ikositetrachor)
Das regelmäßige 24-Zell ist ein vierdimensionales Objekt (Polychor), bei dem 24 regelmäßige Oktaeder paarweise mit ihren Dreiecken zusammenhängen. Wie viele Kanten und wie viele Ecken hat es?
Bei vierdimensionalen Polytopen (Polychoren) liegt jede Fläche zwischen zwei (dreidimensionalen!) Polyedern. Das 24-Zell kann man sich gut in dreidimensionaler Zentralperspektive vorstellen, wobei allerdings die Kanten ungleich lang erscheinen. Ebenso wirken die Bilder der kongruenten Dreiecke und Oktaeder, als würden sie in Gruppen von unterschiedlich geformten Figuren zerfallen.
Das ist nicht anders als bei der zweidimensionalen Zentralprojektion eines Würfels: Sie besteht aus einem großen Quadrat, einem kleinen Quadrat und vier gleichschenkligen Trapezen. Alle sechs Vierecke bilden aber die Quadrate des Würfels ab.
Das dreidimensionale Bild des vierdimensionalen 24-Zells enthält ein kleines und ein großes regelmäßiges Oktaeder, bei ihnen sind also nur die Größen durch die Abbildung verändert. "Dazwischen" befindet sich ein Kuboktaeder, von dem aber nur die Dreiecke als Flächen des Polytops zu zählen sind.
Die Anzahl der Ecken und der Kanten kann man notfalls im Bild abzählen: es sind 24 Ecken und 96 Kanten.
Sechs Oktaeder treffen sich in jeder Ecke, und jedes von ihnen hat sechs Ecken. Also gibt es im ganzen Polytop genau so viele Ecken wie Oktaeder.
Jedes Oktaeder hat 12 Kanten, jede grenzt aber gleichzeitig an drei Oktaeder (wogegen in jedem dreidimensionalen Polyeder jede Kante an zwei Flächen grenzt). Bei 24 Oktaedern macht das \(24\cdot \frac{12}{3} = 96\) Kanten.
Da ein Oktaeder aus acht dreieckigen Flächen besteht und in jedem vierdimensionalen Polytop eine Fläche zwischen zwei dreidimensionalen Polyedern liegt, haben wir \(24\cdot \frac{8}{2} = 96\) Flächen. Davon sehen wir je acht als Flächen der beiden unverzerrten Okateder und zwölf als Dreiecke des dazwischen liegenden Kuboktaeders. Das Kuboktaeder spielt nur in dieser speziellen Projektion diese Sonderrolle, denn seine Vierecke sind nicht die Außenflächen von Oktaedern, sondern Schnittflächen: Man kann ein Oktaeder mit einer Ebene, die durch vier seiner Ecken geht, genau halbieren, und die Schnittfläche ist ein Quadrat..
Hier finden Sie zwei Animationen der dreidimensionalen Projektion eines 24-Zells.
Beachten Sie bei den Stereobildern, dass alle 24 Oktaeder "in Wirklichkeit" regulär und gleich groß sind, ebenso alle 96 Dreiecke. Außerdem sind alle 96 Kanten gleich lang. Die Quadrate treten hier nicht als Flächen des Polytops auf, sondern sind Flächen im Inneren der Oktaeder. Entlang dieser Quadrate kann man die Oktaeder in je zwei Pyramiden schneiden. Nicht die Pyramiden sind die Zellen unseres Polytops, sondern die 24 Oktaeder.
Zum Vergleich: Diese beiden Zeichnungen zeigen mehrere Vierecke. Im linken Bild kreuzen sich einige Linien, so dass Dreiecke abgeteilt werden. Man kann beide Bilder aber auch als zweidimensionale Bilder eines Würfels auffassen. In diesem sind alle Kanten gleich lang, alle Vierecke sind Quadrate, und es gibt keine Überkreuzungen.
Die bisher gezeigte Darstellung des 24-Zells in drei Dimensionen hat immerhin den Vorteil, dass 23 der 24 Oktaeder nebeneinander innerhalb des am größten wirkenden Oktaeders zu liegen scheinen. Das "größte" Oktaeder überlappt zwar alle anderen, aber die 23 "inneren" Oktaeder liegen säuberlich nebeneinander, vergleichbar mit dem rechten Bild des Würfels: Eines der Quadrate wird stark verkleinert, aber nicht verzerrt; vier Stück werden zu Trapezen verzerrt; das letzte große Quadrat umrandet die übrigen. Fünf der sechs Vierecke überlappen sich nicht gegenseitig. Das linke Würfelbild weist diese Vorteile nicht auf, zeigt aber andererseits, welche Kanten zueinander parallel sind.
Einen Nachteil weisen die anfangs gezeigten Stereo-Animationen des 24-Zells aber auf: Es wird nicht deutlich, dass die 16 Ecken eines vierdimensionalen 8-Zells (Oktachor) mit den 8 Ecken eines dazu dualen ebenfalls vierdimensionalen 16-Zells (Hexadekachor) zu den 24 Ecken des 24-Zells kombiniert werden können. Diese können Sie in den folgenden Animationen erkennen:
In grün und in cyan sieht man je einen Würfel. Die verkürzt sichtbaren weißen Kanten vervollständigen diese zum 8-Zell mit seinen 16 Ecken und 8 würfelförmigen Zellen. Die übrigen 8 Ecken bilden für sich allein ein Kreuzpolytop mit 8 Ecken (auf jedem positiven und jedem negativen Ast des vierdimensionalen Achsenkreuzes) und seinen 16 Tetraeder-Zellen: also ein 16-Zell. Seine 8 Ecken gehören mit zu den 24 Ecken des 24-Zells, aber seine hier gelb gekennzeichneten Kanten entsprechen nicht dessen Kanten, sondern dessen Diagonalen. Die 64 rot gezeichneten Kanten addieren sich aber zu den 32 übrigen (12 grüne + 12 cyanfarbene + 8 weiße) hinzu, so dass alle 96 Kanten beisammen sind.
Zum Schluss sehen Sie das 24-Zell in der Parallelperspekive noch einmal allein, also ohne das 16-Zell:
Beachten Sie aber, dass auch die beiden inneren Ecken "in Wirklichkeit" auf der selben Um-Hyperkugel liegen wie die 22 anderen: die 16 des Maßpolytops und 6 von den 8 des Kreuzpolytops. Die beiden "inneren" Ecken liegen sogar an genau antipodischen Stellen der Um-Hyperkugel.
Die Vorstellung einer vierten Dimension gleicht der Situation, in der uns ein Tastsinn fehlt: Alle Netzhautbilder sind zweidimensional und werden erst in unserem Gehirn zu dreidimensionalen Abbildungen. Der Tastsinn in Verbindung mit dem Ausstrecken der Arme und dem Spazieren auf den Beinen helfen dem Hirn bei dieser Aufgabe ungemein.
Ein schönes Ratespiel ist auch, Drahtmodelle mit einer Punktleuchte von hinten auf eine Leinwand zu projizieren und die anderen Leute raten zu lassen, wie sie aussehen. Und schon sind wir bei Platons Höhlengleichnis: Unsere Erkenntnis ist beschränkt wie das Sehen von Schatten der wirklichen Objekte. Eigentlich wäre die Bezeichnung "Schattengleichnis" treffender, da die Höhle nicht der Kern der Sache ist.
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