Algebraische Graphentheorie in all ihren Facetten
Wer kennt es nicht: „Das Haus vom Nikolaus”? Wie viele Farben benötigt man, um eine Landkarte anzumalen, ohne dass zwei Länder mit denselben Farben aneinander angrenzen? Gibt es einen Rundweg, der an allen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt, ohne dass eine Wegstrecke doppelt gegangen werden muss? Dies sind alles klassische Fragestellungen der Graphentheorie. In ihrem Buch „Algebraic Graph Theory” versuchen die Autoren Chris Godsil und Gordon Royle die Beziehung zwischen Graphentheorie und (linearer) Algebra in „moderner” mathematischer Sprache aufzuzeigen. Dabei lassen sich drei Leitlinien festmachen: Die Verbindung zur Algebra: Untersucht werden Automorphismengruppen von Graphen. Es werden insbesondere Automorphismengruppen untersucht, die transitiv auf den Ecken oder auch auf Teilmengen von Ecken des zugehörigen Graphen operieren. Die klassischen Gruppen, nämlich die Permutationsgruppen von endlich vielen Elementen, stellen sich als Automorphismengruppen einer bestimmten Sorte von Graphen (den sogenannten Kneser-Graphen) heraus. Die Verbindung zur linearen Algebra: Einem gegebenen Graphen können auf natürliche Weise Matrizen zugeordnet werden: die Adjazenz- oder Knotenmatrix, die Inzidenzmatrix und die Laplace-Matrix. Die Frage, inwiefern diese Matrizen den Graphen bestimmen, bzw. inwiefern man mit der Kenntnis (einer) dieser Matrizen den Graphen zurückgewinnen kann, wird ausführlich behandelt. Die Verbindung zur Geometrie/Topologie: Ist ein Graph planar, d.h. lässt er sich ohne Überschneidung in einer Ebene zeichnen? Kann man einen gegebenen Graphen in einen mehrdimensionalen Raum ohne Selbstüberschneidungen „hineinlegen”? Fragen dieser Art stehen hier zur Debatte. Insbesondere wird dadurch eine Verbindung zur sogenannten Knotentheorie hergestellt, das heißt zur Untersuchung von Kurven ohne Selbstüberschneidungen im dreidimensionalen reellen Raum. Das Buch „Algebraic Graph Theory” bietet einen gekonnten Überblick über die verschiedenen Aspekte der Graphentheorie und ihren Beziehungen zu anderen Bereichen der Mathematik. Insbesondere wird es dadurch wertvoll, dass die Graphentheorie nicht isoliert und als Mauerblümchen dargestellt wird. Es werden grundlegende Begriffe definiert und an einer Vielzahl von Beispielen erläutert. Interessante Übungsaufgaben und ausführliche Literaturhinweise ermöglichen ein vertieftes Studium. Durch die sehr guten Einführungen in die einzelnen Kapitel hat der Leser die Chance, sich nicht im Dickicht von Begriffen und Sätzen zu verlieren. Allerdings ist das Buch weniger dazu geeignet, sich den Stoff ohne entsprechende Begleitveranstaltung von Grund auf neu anzueignen, da die Verarbeitung einer derartigen Informationsflut doch eine Menge Geduld und/oder einer spezielle Motivation bedarf.
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