Interplanetare Ozeanografie
Unter den eisigen Oberflächen von dreien der vier großen Jupitermonde, des Saturnmonds Titan und weiterer Objekte verbergen sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Ozeane aus flüssigem Wasser. Ihre Volumina, insbesondere bei den Jupitermonden, übertreffen dabei die Wassermassen der Erde beträchtlich, so dass man hier durchaus von Wasserwelten sprechen kann. Vielleicht gibt es im Inneren dieser Monde sogar Leben. Den außerirdischen Ozeanen und ihrer möglichen Lebensfreundlichkeit widmet sich das Buch »Alien Oceans« von Kevin Peter Hand, Wissenschaftler am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena, Kalifornien.
Das Buch gliedert sich in vier große Abschnitte mit insgesamt 15 Kapiteln. Im ersten Teil, »Oceans near and far«, beschreibt der Autor die denkbaren Ozeane im Sonnensystem und beginnt bei den am leichtesten zugänglichen auf der Erde. Allerdings: Nur deren oberflächennahe Bereiche sind leicht zugänglich, bei der Tiefsee sieht es schon anders aus, wie Hand am Beispiel eines eigenen Erlebnisses schildert. Bei seiner Fahrt mit dem russischen Tauchboot »Mir« kam es zu technischen Problemen, die sogar sein Überleben gefährdeten. Der Autor stellt kurz die Geschichte der Tiefseeforschung dar, bevor er seinen Blick in die Tiefen des Sonnensystems richtet und die interessantesten Himmelskörper dort beschreibt.
Quell der Erkenntnis
Im zweiten Abschnitt, »Discovering an ocean in three easy pieces«, geht es darum, woher wir überhaupt wissen, dass es im Inneren diverser Monde im äußeren Sonnensystem Wasserozeane geben könnte. Dabei streift Hand die Geschichte der Spektroskopie und erklärt, wie sich mit ihrer Hilfe von der Erde aus die Zusammensetzung der Oberflächen der Monde bestimmen lässt. Unter anderem werden Joseph von Fraunhofer sowie die Heidelberger Forscher Kirchhoff und Bunsen erwähnt – nicht unbedingt die Regel bei US-amerikanischen Sachbüchern.
Daraufhin beschreibt der Autor die mit vielen technischen Problemen geplagte Jupitermission »Galileo«, die von 1995 bis 2003 den Gasriesen umrundete und zahlreiche dichte Vorbeiflüge an den Monden Europa, Ganymed und Kallisto absolvierte. Er erklärt, wie sich anhand der Bahnbewegungen der Raumsonde Galilei in der Nähe der Monde verschiedene Rückschlüsse auf deren inneren Aufbau ziehen lassen.
Nach Jupiter richtet Hand seinen Blick auf die Saturntrabanten und dort vor allem auf die Erkundungen der Monde Titan und Enceladus durch die Raumsonde Cassini. Von Letzterem ist seit 2005 bekannt, dass an seinem Südpol ständig Fontänen aus Wasserdampf und feinen Eispartikeln austreten. Mit Cassini gelang es, sich der Oberfläche des nur 500 Kilometer großen Enceladus bis auf 50 Kilometer zu nähern und die chemische Zusammensetzung der Fontänen zu analysieren. Neben dem erwarteten Wasserdampf fanden sich auch Salze und organische Stoffe. Erstere sind ein Hinweis auf eine aktive Geologie im Inneren des Mondes und belegen, dass dort flüssiges Wasser mit Gesteinsmaterial in Kontakt tritt und Salze herauswäscht. Zudem konnte Cassini zeigen, dass sich unter der Eiskruste ein globaler Wasserozean befinden sollte.
Auch der größte Saturnmond gerät in den Fokus des Autors. Tatsächlich gibt es auf Titans Oberfläche große Ansammlungen von Flüssigkeit; die größte von ihnen übertrifft in der Ausdehnung das Kaspische Meer. Allerdings schwappt hier kein Wasser, sondern wegen Temperaturen um −180 Grad Celsius flüssiges Methan und Ethan.
Im dritten Abschnitt, »The Journey from habitable to inhabited«, geht es darum, ob die Wasserozeane jenseits der Erde Chancen für Leben bieten und ob sie tatsächlich bewohnt sind. Hier steigt Hand in die Grundlagen der organischen Chemie und der Biochemie ein. Zudem geht er darauf ein, welche chemischen Prozesse es möglichem Leben erlauben würden, Energie für seinen Stoffwechsel zu erzeugen, da Sauerstoff in den subkrustalen Ozeanen sehr rar sein dürfte. Zudem spekuliert der Autor darüber, wie die Ökologie dieser Welten beschaffen sein könnte. Dabei betont er immer wieder, dass es noch keinen Beweis für Leben auf diesen Himmelskörpern gibt.
Im vierten und letzten Teil, »The next steps«, beschreibt Hand, wie er und seine wissenschaftlichen Kollegen sich die weitere Erkundung des äußeren Sonnensystems bei der Suche nach Leben vorstellen. Hier bespricht er derzeit geplante Raumsonden und Projekte. So stellt er eine Landesonde für den Jupitermond Europa vor, welche die Eisoberfläche und die in ihr enthaltenen Stoffe analysieren soll, ebenso wie das zurzeit noch futuristische Konzept einer nuklear betriebenen Bohrsonde, die sich durch die viele Dutzend Kilometer dicke Eiskruste hindurchschmelzen soll. Für die wichtigen Aussagen in seinem Buch liefert Hand sorgfältige Quellennachweise, die sich in einem ausführlichen Verzeichnis am Schluss des Werks finden.
»Alien Oceans« ist ein empfehlenswertes und gut zu lesendes Buch. Der Autor hat viel Sorgfalt darauf verwendet, Fachbegriffe leicht verständlich zu erklären. Die Leser erfahren eine Menge Neues über die Möglichkeiten von Ozeanen und über Leben im Sonnensystem jenseits der Erde. Es wäre daher zu begrüßen, wenn dieses Buch auch in einer deutschen Übersetzung erschiene.
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