Direkt zum Inhalt

»Dark and Bright Mathematics«: Streublümchen aus der unterhaltsamen Mathematik

Dieses Buch ist eine amüsante Mischung kurzer Beiträge des Mathematikers Dirk Huylebrouck. Die Texte machen Freude, für ihre Übersetzung ins Englische gilt dies nur bedingt.
Das Zeichen Pi und der Zahlenwert vor dem Universum

Die Dreiteilung eines beliebigen Winkels zählt zu den berühmten Problemen, die mit den Mitteln der klassischen griechischen Geometrie – Zirkel, Lineal und sonst gar nichts – unlösbar sind. Befreit man sich von dieser Beschränkung, so finden sich Lösungswege mit einfachen mechanischen Geräten. Zum Beispiel mit den gelochten Blechbändern von der Firma Meccano oder aus dem Märklin-Metallbaukasten, mit dem ich als Kind gespielt habe. Vier dieser Blechbänder werden an einem Endpunkt miteinander verschraubt und in ihrer Bewegung durch weitere solche Teile eingeschränkt. Legt man die äußeren der vier Bänder an einen gegebenen Winkel an, so realisieren die inneren dessen Teilung in drei gleiche Teilwinkel. In der »Meccano-Mathematik« finden sich auch Konstruktionen, die noch besser zu einem Metallbaukasten passen und ebenfalls mit Zirkel und Lineal nicht machbar sind, wie zum Beispiel das regelmäßige Siebeneck.

Der Mathematiker Dirk Huylebrouck lehrte nach zahlreichen Stationen auf drei Kontinenten seit 1996 an der Fakultät für Architektur der Katholischen Universität Leuven (Belgien). Lange Jahre war er Kolumnist des »Mathematical Intelligencer«; seit einigen Jahren schreibt er regelmäßig für »EOS«, die niederländischsprachige Schwesterzeitschrift von »Spektrum der Wissenschaft«. Das vorliegende Buch enthält eine bunte Sammlung seiner dort erschienenen Kolumnen, ins Englische übersetzt.

Dabei zählt die Meccano-Mathematik eher zu den abstrakteren Themen. Praxisnäher geht es bei den Fundstücken aus der Statistik zu. Deine Freunde haben mehr Freunde als du selbst – jedenfalls im Durchschnitt. Mechanische Bauteile versagen entweder sehr bald durch »Kinderkrankheiten« (Fertigungsfehler) oder spät wegen Materialermüdung; dazwischen gibt es eine deutlich erkennbare Lücke. Ein ganz ähnliches Muster zeigt die Regierungsdauer römischer Kaiser: Wenn sie nicht nach kurzer Amtszeit ermordet wurden, machten sie es durchaus etliche Jahre. Nur Augustus fällt mit seinen 45 Amtsjahren völlig aus dem Rahmen.

Das Hirngespinst um den Goldenen Schnitt

Mit Blick auf seine langjährige Wirkungsstätte ist es wenig erstaunlich, dass Huylebrouck besonderen Wert auf die Verbindung von Mathematik und Architektur legt – oder auch Mathematik und Kunst im Allgemeinen. Dabei findet er zahlreiche Gelegenheiten, geläufige Mythen zu dekonstruieren. Sein berühmter Architektenkollege Le Corbusier führte den »Modulor« ein als das Größenverhältnis, dem alle Architektur folgen sollte, und untermauerte seine Vorstellungen mit allerlei nebulösen und zum Teil manifest falschen Herleitungen. Dabei ist der Modulor nichts weiter als eine einzige reelle Zahl: 1,618…, das Verhältnis des Goldenen Schnitts. Und selbst deren Bedeutung ist in der Vergangenheit maßlos überhöht worden. Die Idee, dass sie als Proportion in zahlreichen Kunstwerken zu finden sei und zu deren ästhetischer Qualität beitrage, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als das – wirkmächtige – Hirngespinst eines einzigen Menschen, des deutschen Gelehrten Adolf Zeising (1810–1876). Und während dieses Verhältnis in der Natur in Tannenzapfen und Sonnenblumen realisiert ist, sucht man es, entgegen zahlreichen Darstellungen, in den Gehäusekammern des Kopffüßers »Nautilus« vergeblich: Huylebrouck hat’s nachgemessen.

Insgesamt handelt es sich um eine durchaus amüsante Mischung aus kurzen und leicht verdaulichen Stücken. Nur der Verlag hat es nicht gut mit dem Werk gemeint. Da sind die Aufmacherbilder mehrerer Kapitel so brutal verkleinert worden, dass man wichtige Details, auf die der Autor auch Bezug nimmt, kaum oder gar nicht mehr erkennen kann. Und stellenweise wirkt der Text, als wäre er aus der Übersetzungssoftware DeepL direkt in den Buchsatz gewandert. Längere, durchaus überzeugend formulierte Passagen werden unterbrochen durch Sätze, in denen man auch mit mathematischer Vorbildung keinen Sinn findet – was auch ein Mensch ohne mathematische Vorbildung eigentlich hätte merken können. Hier wurde möglicherweise an der falschen Stelle gespart.

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Akustische Kur gegen Stress

Naturgeräusche haben eine unglaublich beruhigende Wirkung auf uns. Wieso das so ist und wie Vogelgezwitscher und Wasserrauschen im Gehirn verarbeitet werden und auf unsere Psyche wirken, lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der »Woche«. Außerdem: Läutet das KI-Zeitalter eine neue Ära der Physik ein?

Spektrum - Die Woche – Wie die Guinness-Brauerei den t-Test erfand

Wer hätte gedacht, dass eine Brauerei der Geburtsort für eine der wichtigsten mathematischen Methoden ist? Dem Guiness-Bier haben wir zu verdanken, dass Ergebnisse in der Wissenschaft als statistisch signifikant gewertet werden können. Außerdem in dieser »Woche«: Wie Rauchen das Immunsystem stört.

Spektrum der Wissenschaft – Fraktale

Seit Jahrzehnten arbeitet eine kleine Gruppe von Mathematikern an den letzten Geheimnissen des wohl bekanntesten Fraktals. Ihre Geschichte zeigt, wie technische Fortschritte selbst die abstraktesten mathematischen Gebiete voranbringen. Ein Durchbruch zur Entschlüsselung der Mandelbrot-Menge dürfte kurz bevorstehen. Außerdem im Heft: Bartenwale sind die Giganten der Meere. Ihre Nahrung besteht jedoch aus winzigen Planktonorganismen. Wie spüren die Wale das Futter in den Weiten des Ozeans auf? Drei Bierforscher interessieren sich für moderne und alte Hefestämme rund um das Brauen von Bier. Kryptografen und -innen arbeiten auf Hochtouren daran, neuartige Algorithmen zu entwickeln, die den Fähigkeiten künftiger Quantencomputer standhalten können. Es gibt einige vielversprechende Kandidaten, doch einige davon wurden bereits geknackt.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.