Das Leben Darwins
Der Titel von Jonathan Clements Werk »Darwins Notizbuch« ist irreführend, denn es handelt sich keineswegs um eine Herausgabe der zahlreichen schriftlichen Notizen des britischen Naturforschers Charles Darwin (1809–1882). Stattdessen ist es die erste deutsche Übersetzung der populärwissenschaftlichen Biografie »Darwin's Notebook. The Life, Times, and Discoveries of Charles Robert Darwin«, die der britische Autor Jonathan Clements bereits im Jahr 2009 veröffentlicht hat.
Der allmächtige Schöpfer wird überflüssig
Charles Darwin zählt zu den bedeutendsten Naturwissenschaftlern aller Zeiten. Seine Evolutionstheorie, die den Artenwandel erklärt, sowie die Feststellung, auch der Mensch stamme »von einer früheren existierenden Form« ab, haben unser Verständnis der Welt für immer verändert. Darwins Erkenntnisse basierten auf riesigen Fülle empirischer Befunde und einem enorm fleißigen Literaturstudium. Ursprünglich angeregt worden waren sie von Beobachtungen, die er auf einer fünfjährigen Weltumsegelung gemacht hatte – im Rahmen einer Vermessungsfahrt mit dem Schiff "Beagle". Seine Theorie widerlegte die Entstehung der Arten in eigenständigen Schöpfungsakten. Die großen Debatten darüber mussten aber andere an Darwins Stelle führen, denn er litt seit seiner Rückkehr an einer bis heute ungeklärten chronischen Krankheit.
Hochgeachtet wurde Darwin nach seinem Tod in der Westminster Abbey beigesetzt. An Literatur über den genialen Naturforscher herrscht sicherlich kein Mangel, auch nicht an populärwissenschaftlichen Biografien. Dennoch ist die Lektüre von »Darwins Notizbuch« lohnenswert.
Denn so vielfältig die Werke von Clements sind, so gestaltet sich auch dieses Werk: Der Brite verfasste unter anderem verschiedenste Biografien, Bücher zur Geschichte Ostasiens sowie Sciencefiction-Hörspiele. In »Darwins Notizbuch« stellt Clements nicht nur das Leben und Werk des berühmten Naturforschers vor, sondern bettet seine Leistungen in den historischen Kontext ein. Dabei geht der Autor gekonnt auf den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts, die damaligen wissenschaftlichen Fragen und theologischen Kontroversen ein.
Vor allem die Aufmachung des Werks macht es zu etwas Besonderem. Der dunkelgrüne, feste Einbanddeckel mit Fadenbindung erweckt insgesamt den Eindruck, als handle es sich tatsächlich um ein altes Notizbuch. Auch das Papier ist bräunlich eingefärbt und hat eine feine Linierung. Die Illustrationen sind wie Skizzen dargestellt, und Zitate zieren den Seitenrand wie handgeschriebene Notizen. Zudem wirken farbige Abbildungen durch Schatteneffekte wie Fotografien, die jemand in das Buch hineingelegt hat, oder als seien sie mit einer Büroklammer an eine Seite geheftet – und das, obwohl es zu Darwins Zeiten noch gar keine Büroklammern gab. Diese zweifellos aufwändige und liebevolle Aufmachung erinnert vielleicht manchen Leser an den Stil eines Jugendbuchs.
Auf gerade einmal 160 Seiten bemüht sich Clements, ein umfassendes Bild von Darwin Leben zu zeichnen. Das Buch ist in kurze Abschnitte unterteilt, die bloß eine Doppelseite umfassen. Sie widmen sich dabei jeweils einem bestimmten Thema: etwa dem Wunsch von Darwins Vater, sein Sohn möge Pfarrer werden, oder der berühmten Debatte zwischen dem Biologen Thomas Huxley (1825–1895) und dem Bischof Samuel Wilberforce (1805–1873) über die Abstammung des Menschen. Glücklicherweise widmet Clements der Weltreise von Darwin insgesamt zehn Abschnitte.
Auch wenn durch diese Struktur einige Details zu kurz kommen, erlaubt sie es, den Text nichtlinear zu lesen: Man kann das Werk auf einer beliebigen Seite aufschlagen und – ohne etwas zu verpassen – loslesen. Auch die Sprache ist einfach und klar gehalten, was die Lektüre erleichtert. Insgesamt ist »Darwins Notizbuch« eine interessante, populärwissenschaftliche Biografie in relativ aufwändiger Aufmachung, die den Ansprüchen des Infotainments nachkommt.
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