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Diagnostik als Detektivarbeit

Medizin kann spannend sein wie ein Krimi. In dem Bemühen um die richtige Diagnose geben oft Hinweise den Ausschlag, die auf den ersten Blick unwichtig wirkten – und so manche zunächst verheißungsvolle Spur stellt sich später als falsch heraus. Jürgen Schäfer behandelt als Leiter des Marburger Zentrums für unerkannte und seltene Erkrankungen (ZusE) Patienten, die oft jahrelang unter scheinbar unerklärlichen Symptomen gelitten haben. Lebensnah schildert er in seinem Buch deren Fallgeschichten, streut geschickt Hinweise auf die Art ihrer Beeinträchtigung ein und berichtet schließlich, wie er den Patienten half.

Wer nicht schon im Inhaltsverzeichnis gelesen hat, um welche Krankheit es sich handelt, kann auf Basis der ausführlich geschilderten Patientengeschichten mitraten, worunter die jeweilige Person leidet. Ist die dürre junge Frau tatsächlich magersüchtig? Warum schläft der umtriebige Bankenchef auf wichtigen Sitzungen plötzlich ein? Und woher stammen die unerträglichen Bauchschmerzen des Kfz-Mechanikers? Medizinstudenten und Ärzte dürfen hier ihre Kombinationsfähigkeit testen. Doch auch für Laien, die noch nie von den entsprechenden Krankheiten gehört haben, ist das Buch spannend und lehrreich.

In reich ausgeschmückten Szenen beschreibt Schäfer die Lebensverhältnisse der Patienten und schildert ihre Symptome. Zwischen diese erzählerischen Passagen baut er immer wieder erklärende Abschnitte ein, in denen er sich mal der ärztlichen Tätigkeit im Allgemeinen widmet, mal Hintergrundinformationen zum jeweiligen Krankheitsbild liefert. Sein erklärtes Ziel lautet, mit belletristisch-humorvollen Texten auf seltene Krankheiten aufmerksam zu machen und dadurch womöglich dem einen oder anderen Betroffenen zur korrekten Diagnose zu verhelfen.

Komischer Kauz als Vorbild

Die ursprüngliche Idee für das Buch lieferte die US-amerikanische Fernsehserie "Doktor House", in der ein genialer, aber sonderbarer Diagnostiker komplizierte medizinische Fälle löst. Als Medizinprofessor der Universität Marburg bot Schäfer im Jahr 2008 erstmals ein Seminar an, in dem er Fallgeschichten aus der Serie mit seinen Studenten diskutierte. Fortan betitelten ihn die Medien als "deutschen Doktor House" und immer mehr Patienten suchten seinen Rat. Als Reaktion auf die vielen Anfragen richtete das Universitätsklinikum Gießen-Marburg das Zentrum für unerkannte und seltene Erkrankungen ein.

Anders als sein verschrobenes Fernsehvorbild betont Schäfer immer wieder, wie wertvoll das Gespräch mit den Patienten ist. In seinen Fallgeschichten spielen zwar die moderne Labordiagnostik und bildgebende Verfahren eine Rolle, doch den entscheidenden Hinweis liefern meist die Betroffenen selbst. Das Buch lässt sich somit auch als Appell an andere Ärzte verstehen, sich Zeit zum Fragen und Zuhören zu nehmen – selbst wenn unser Gesundheitssystem das unzureichend honoriert. Patienten und ihren Angehörigen gibt der Autor Tipps, wie sie sich so auf einen Arztbesuch vorbereiten können, dass keine wichtigen Informationen unter den Tisch fallen.

Insgesamt liefert Schäfer eine gelungene Kombination aus Detektivroman und medizinischem Sachbuch, das für Ärzte, Patienten und alle medizinisch Interessierten äußerst lesenswert ist.

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