Im Anfang war die Quanteninformation
Wenn der Enkel des berühmten Schriftstellers Thomas Mann und die Tochter des nicht minder berühmten Physikers Werner Heisenberg gemeinsam ein Buch schreiben, macht das natürlich neugierig. So viel sei hier schon verraten: Das Werk ist weder besonders literarisch noch erfordert es ein Verständnis der Matrizenmechanik. Das überrascht auch nicht weiter, denn beide Autoren sind studierte Psychologen, Frido Mann darüber hinaus promovierter Theologe. Ihnen geht es vor allem darum, zu zeigen, welche Folgen die Erkenntnisse der Quantenphysik für unsere immer noch materialistisch dominierte Weltanschauung haben.
Die Grundlagen der Quantenphysik wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Max Planck und Albert Einstein geschaffen und von Werner Heisenberg, Niels Bohr, Max Born und anderen weiter ausgearbeitet. Mit der so genannten Kopenhagener Deutung durch Niels Bohr und Werner Heisenberg fand der Prozess im Jahr 1927 einen vorläufigen Abschluss. Die zentralen Konzepte der Quantenphysik waren und sind allesamt revolutionär. Zu ihnen gehören der Welle-Teilchen-Dualismus elektromagnetischer Strahlung ("Komplementaritätsprinzip"); die Unmöglichkeit, gleichzeitig Ort und Impuls eines Teilchens beliebig genau zu bestimmen ("Unschärferelation"); die Rolle des Zufalls innerhalb physikalischer Prozesse ("Kollaps der Wellenfunktion") sowie die Einsicht, dass Materie nicht aus Materie aufgebaut ist.
Stoffgewordene Information?
Schon Heisenberg spekulierte, die Grundstruktur der Materie sei geistig verfasst. Laut den Autoren löst sich Materie auf hinreichend kleinen Längenskalen in Energiefelder auf, die möglicherweise mit dem Geist selbst identisch seien. Das würde bedeuten, dass "nicht nur in unserem Denken und Fühlen sich Geistiges zeigt, sondern dass jede Materie schon Geistiges in sich trägt oder, man könnte auch sagen, mit transportiert". Die Quantenphysik hätte somit das Potenzial, den alten Dualismus von Geist und Materie zu überwinden, indem sie darlegt, wie sich das Geistige mit dem schrittweisen Entstehen immer komplexerer materieller Strukturen entfaltet.
Christine und Frido Mann berufen sich in weiten Teilen auf Veröffentlichungen des Physikers Thomas Görnitz und sein Konzept der "Protyposis". Demzufolge steht am Beginn aller Entwicklung die abstrakte und (noch) bedeutungsfreie Quanteninformation als eine Art Urstoff von Materie, Leben und Bewusstsein. Sie stellt zunächst aber nur Möglichkeiten verschiedener Seinsformen dar, in denen sie sich später schrittweise manifestiert und – Hegel lässt grüßen – schließlich im Bewusstsein des Menschen zu sich selbst kommt. Inwieweit dieses Modell echten Erklärungswert besitzt, darüber lässt sich streiten. Interessanterweise erinnert es sehr an die Vorstellung des vorsokratischen Philosophen Anaximander, für den vor zirka zweieinhalbtausend Jahren das "Apeiron", das heißt das Unbestimmte und Unbegrenzte, die Grundstruktur der Welt darstellte.
Den Manns geht es außerdem darum, zu zeigen, dass die Welt nicht vollständig festgelegt ist. Dass zwar die Möglichkeiten eines Systems determiniert sind, nicht aber die daraus sich ergebenden Realisierungen, fassen die Autoren als Beweis dafür auf, dass die Welt prinzipiell offen und gestaltbar und der Mensch in seinen Entscheidungen frei – und somit auch verantwortlich ist.
Kollektives Bewusstsein?
Für entscheidend halten die Autoren den ganzheitlichen Ansatz der Quantenphysik. Da alle in Organismen ablaufenden Prozesse letztlich auf elektromagnetischen Wechselwirkungen beruhten und "praktisch alle Bewusstseinsvorgänge in einem dichten, unser ganzes Universum durchdringenden Netz elektromagnetischer Wellen eingebettet sind", seien wir untrennbar mit allem verbunden. Das mag zwar in dieser Form eine zumindest gewagte These sein, doch diese Verknüpfung kann nach Auffassung der Autoren als "besondere Chance für eine neue, kreativ inspirierte Gestaltung der Zukunft begriffen werden".
Frido und Christine Mann setzen dem nicht selten dogmatisch auftretenden Weltbild des Materialismus eine spiritualistische Weltanschauung entgegen, in der die zentralen Begriffe Kooperation, Intuition, Verbundenheit und Freiheit heißen. Zudem schlägt die Quantentheorie in ihren Augen auch eine Brücke zur Religion. Obwohl das Buch auf gesicherten physikalischen Erkenntnissen basiert, bleibt es doch in manchen Teilen hoch spekulativ. Das betrifft unter anderem auch die Überlegungen zu einem Leben nach dem Tod.
Die philosophischen Implikationen der Quantenphysik zeichnen sich aber gerade dadurch aus, dass sie unser herkömmliches Denken in Frage stellen – insofern ist das Werk konsequent. Das monokausale, deterministische, dogmatische und materialistische Denken zu überwinden, kann den Horizont öffnen für neue Einsichten und Ideen. Und wenn diese Welt etwas dringend gebrauchen kann, dann sind es neue Ideen.
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