Meeresschützer in Szene
Es war einmal – so fangen meist Märchen an –, da fand der Abenteurer und Fotograf York Hovest einen Klumpen Ambra am Strand. Der wachsähnliche, graue Stoff stammt aus dem Verdauungstrakt von Pottwalen; die Tiere scheiden ihn mitunter aus, nachdem er jahrelang in ihren Innereien verweilte. Hovest lieferte dieser märchenhafte Fund das Startkapital dafür, dieses Buch zu schreiben. Denn Ambra ist ein Rohstoff für die teuersten Parfüms der Welt – halb so wertvoll wie Gold. Mit dem Geld konnte der Fotograf um die ganze Welt reisen, um vor Ort zu recherchieren, und hochwertige Unterwasserkameras sowie Drohnen für Luftaufnahmen anschaffen.
Herausgekommen ist ein großformatiger, bildgewaltiger Band, der allerdings nicht nur farbenprächtige und traumhaft schöne Meereswelten zeigt, sondern auch Inseln, die im Müll ersticken, oder sterbende Korallenriffe. Der Fotograf hat diverse Aktivisten und Wissenschaftler besucht, die sich für den Schutz der Ozeane einsetzen. Sechs ihrer Projekte stellt er vor, die Hoffnung machen. Für den Autor sind diese Menschen »Helden der Meere«.
Suche nach Lösungen
Hovests erste Reise führte nach Tansania. Hier, wo die Traumstrände der nahe gelegenen Insel Sansibar viele Touristen anlocken, sammeln Einheimische Muscheln aus den küstennahen Gewässern, um sie zu verkaufen. Doch wie wirkt sich das auf die Natur aus? Zwei Biologinnen des Leibniz-Zentrums für Marine Tropenforschung untersuchen das. Sie vergleichen die Ökosysteme in den Sammelgebieten mit denen eines nahe gelegenen Naturschutzgebiets. Noch sind ihre Studien nicht abgeschlossen, aber sie wollen auf Grundlage ihrer Ergebnisse gemeinsam mit den Einheimischen nach Lösungen suchen.
Der Autor berichtet noch von fünf weiteren Hoffnung machenden Projekten. So versuchen Aktivisten, an der Westküste Thailands Korallen anzusiedeln. Andere bekämpfen mit einem sparkassenähnlichen Geschäftsmodell den Plastikmüll auf Haiti. Eine weitere Organisation will die marinen Ökosysteme vor Mexikos Küste schützen, indem sie den Tourismus und die Fischerei mit einbezieht. Hovest stellt auch die Aktivisten der internationalen Meeresschutzorganisation »Sea Shepherd« vor, die er auf eine Kontrollfahrt begleitete, welche – in Zusammenarbeit mit dem afrikanischen Staat Gabun – der Überwachung der Hochseefischerei diente.
Unterwasser, auf See oder auf Inseln: Die atemberaubend schönen – und manchmal leider auch trostlosen – großformatigen Naturaufnahmen dieses Buchs ziehen die Betrachter in den Bann. Doch Hovest weiß nicht nur mit farbintensiven und abwechslungsreichen Fotos zu faszinieren, sondern auch durch seine emotionalen Schilderungen. Als er einmal mit »Sea Shepherd« unterwegs war und sie einem Fischereischiff begegneten, tauchte er ganz nah vor das riesige Fangnetz. Seine erschütternden Eindrücke von dort beschreibt er sehr authentisch, wenn er wiedergibt, wie die tausenden Thunfische im Netz umher rasen, zappeln und gemeinsam mit ebenfalls gefangenen Hammerhaien panisch ein Schlupfloch suchen, um zu entkommen. Eben jene Hammerhaie sah der Autor später wieder, als sie als »Beifang« tot ins Meer zurückgeworfen wurden.
Solche traurigen Momente wechseln sich im Buch ab mit freudigen, wenn der Autor beispielsweise erzählt, wie er einen Pottwal nahekam und der ihm fast ins Auge schaute, oder wie er sich freute, als Teufelsrochen mehr als zwei Meter hoch aus dem Wasser sprangen. Ein rätselhaftes Verhalten, das bis heute nicht restlos verstanden ist.
Hovest bringt in seinem Band auch viele Erklärungen und Fakten zu Korallensterben, Überfischung und Meeresökologie unter. Alles in allem ist ihm ein Werk gelungen, das einem nicht nur nahegeht, sondern auch aufschlussreiche Informationen vermittelt. Wer nach der Lektüre noch Lust auf weitere »Heldengeschichten« hat: York erstellt gerade eine Datenbank namens »Heroes of the Sea« (www.heroesofthesea.org), in der sich solche finden.
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