Fröhliche Elemente
Eine »Offenbarung des Weltgeistes« erlebt der Autor Michael Pilz, der sich als Agnostiker bezeichnet, während einer Chemievorlesung. In der Ich-Form erzählt er in diesem Buch, wie er den Urknall quasi vor Augen sah und regelrecht spürte, wie die Materie entsteht und die Evolution der Elemente fortschreitet, wenn Wasserstoffatome ineinanderkrachen und zu Helium verschmelzen.
Nach dem ersten Kapitel des Werks ist klar: Pilz brennt für die Chemie. Er bedauert, dass Kindern keine Begeisterung für die Schönheit der Elemente vermittelt werde. Ihr Interesse daran werde ihnen vielmehr frühzeitig ausgetrieben, wenn sie beispielsweise vergeblich fragen, warum Wasser nass oder ein Schmetterling bunt ist. Später würden sie dann noch vom Periodensystem der Elemente traumatisiert, das »sadistische Chemielehrer in ihre Klassenräume« hängen. Pilz, selbst Chemiker, will das ändern.
Messias der Materie
Der Autor beginnt seine Reise in die »fröhliche Wissenschaft« der Chemie mit Anekdoten über den russischen Chemiker Dmitri Mendelejew, Mitbegründer des Periodensystems der Elemente, den er als »Rasputin der Elemente«, »Sibirischen Prophet« oder »Messias der Materie« vorstellt. Später betont er dann wieder das Nüchterne, wenn er Mendelejew als »rationalen Geist« und »gelassenen Denker« beschreibt. Der russische Chemiker ließ in seinem System sogar Lücken für Stoffe, die damals noch nicht bekannt waren, deren Existenz er aber voraussagte.
In den folgenden Kapiteln stellt Pilz alle heute bekannten Atomsorten vor. Oft berichtet er unterhaltsam und kurzweilig aus der Kulturgeschichte der Elemente. Er beschreibt ihre Mythen und schildert, wie sie entdeckt wurden, wie sie Musikgruppen zu Songs inspirierten oder wie sich TV-Serien wie »The Big Bang Theory« oder »Breaking Bad«, die Bibel oder der Islam damit beschäftigen.
Zu spüren ist im Buch übervoll die Begeisterung des Autors für die Chemie. Manchmal allerdings scheint die Euphorie derart mit ihm durchzugehen, dass er wichtige Fakten unterschlägt. So setzt er große Hoffnungen darauf, dass der Wasserstoff als Antriebsmittel für E-Mobile einen Weg weise »aus der toten Gasse für die E-Mobilität mit ihren immer größeren und schwereren Akkus voller Lithium und Kobalt, deren Produktion allein so schmutzig ist und energieverschwenderisch, dass man über die grüne Prosa der Hybridlobby nur staunen kann«. Dabei wird Wasserstoff derzeit zu mehr als 96 Prozent aus fossilen Rohstoffen hergestellt. Zwar wünscht Pilz sich, dass Autos mit Wasserstoff aus Ökostrom angetrieben werden, doch entspricht das nun mal nicht der heutigen Realität. Die von ihm gezeichnete Bilanz der E-Autos ist durchaus nicht so simpel, wie er suggeriert. Weitere Ungenauigkeiten verärgern – etwa wenn Pilz auf den ersten Seiten allein dem Chemiker Otto Hahn die Entdeckung der Kernspaltung zuschreibt und den Anteil der Physikerin Lise Meitner daran erst deutlich später erwähnt.
Zudem sind erkennbar nicht alle Abschnitte des Buchs mit dem gleichen Enthusiasmus geschrieben. Gegen Ende des Werks handelt der Autor die Elemente zunehmend schematisch ab à la »Wer hat was wann erfunden und welche Eigenschaften besitzt es«. Sämtliche Begeisterung verpufft, wenn der Autor die Atomorbitale herunterrasselt.
Nichtsdestoweniger enthält das Buch diverse originelle Fundstücke oft kurioser Geschichten über einzelne Elemente. Geholfen hätte freilich ein Index, denn der Autor hat die Elemente nach einer eigenen Logik sortiert, die es erschwert, ein bestimmtes davon zu finden. Interessierte Leser können sich aus dem Werk das für sie Interessante herauspicken und benötigen zu seinem Verständnis meist keine Chemiekenntnisse.
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