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Aufmerksame Gewächse

Pflanzen nehmen möglicherweise deutlich mehr wahr als gemeinhin angenommen.

Pflanzen können sehen, hören, riechen, schmecken und tasten. Das jedenfalls schreibt der Biologe Daniel Chamowitz in diesem Buch. Er stellt die genannten fünf Sinne ins Zentrum seines Werks und widmet jedem von ihnen ist ein eigenes Kapitel. Darin beschreibt er jeweils das entsprechende Wahrnehmungssystem beim Menschen und arbeitet dann präzise und detailliert heraus, auf welch völlig andere Weise es bei Pflanzen funktioniert und wozu sie es benötigen. Chamowitz gibt einen Überblick über die Forschungsgeschichte, fasst den aktuellen Wissensstand zusammen und erläutert, für welche Phänomene es noch keine schlüssigen Erklärungen gibt.

Wohl kaum jemand käme ernsthaft auf die Idee, das Wachstum von Pflanzen mit Musik zu stimulieren. Ein wissenschaftliches Experiment schien vor einiger Zeit jedoch zu bestätigen, dass dies funktioniert. Die Forscher hatten Mais unter anderem der Musik von Mozart sowie von Meat Loaf ausgesetzt. Es zeigte sich, dass die beschallten Samen schneller keimten als die nicht beschallten. Der verblüffende Befund relativierte sich aber bei näherer Überprüfung: Setzten die Forscher einen Ventilator ein, um die von den Lautsprechern erwärmte Luft wegzublasen, blieb von der vermeintlichen wachstumsfördernden Wirkung der Musik nichts übrig. Offensichtlich hatte bloß die Wärme der Boxen das Auskeimen beschleunigt.

Rätselhafte Schallwahrnehmung

Das bedeute jedoch keineswegs, dass Pflanzen generell kein akustisches Wahrnehmungsvermögen hätten, meint Chamowitz. Die Evolution könnte es ihnen ermöglicht haben, solche Geräusche wahrzunehmen, die ihnen beispielsweise das Herannahen von Schädlingen oder Bestäubern signalisieren oder auf Wasserquellen hinweisen. Tatsächlich gibt es dem Autor zufolge einige Hinweise darauf. So wachsen die Wurzeln mancher Pflanzen auf Geräuschquellen hin, deren Klang dem von fließendem Wasser ähnelt. Laut Chamowitz könnte das erklären, warum Baumwurzeln immer wieder Wasser- und Abwasserleitungen umschlingen oder sogar in sie eindringen.

Womit Pflanzen die Schallwellen möglicherweise empfangen, ist allerdings ungeklärt. Immerhin weiß man mittlerweile, dass sie mit Genen ausgestattet sind, die in mutierter Form beim Menschen mit Hörschäden oder Taubheit einhergehen. Zudem hält Chamowitz es nicht für unwahrscheinlich, dass Pflanzen Geräusche erzeugen, um damit Botschaften zu übermitteln.

Auch auf den Geruchssinn geht der Biologe ein. Demnach können Pflanzen es »erschnuppern«, wenn ihre eigenen Früchte reif sind. Auch warnen Bäume, die von gefräßigen Raupen geschädigt worden sind, ihre Nachbarn mit Pheromonen vor drohenden Insektenangriffen. Und dann ist da noch der Teufelszwirn, jenes merkwürdige Gewächs, das weder Blätter noch Wurzeln hat und keine Photosynthese betreibt. Um an Nährstoffe zu kommen, wickelt er sich um eine benachbarte Pflanze und saugt sie aus. Sein Opfer findet er, indem er auf die Quelle bestimmter flüchtiger chemischer Substanzen hin wächst. Er lässt sich anhand von Düften zu dem Wirt leiten, der das beste Nahrungsangebot verheißt.

Pflanzen können nicht flüchten, wenn sie von Feinden bedroht werden. Sie müssen deshalb zeitig erkennen, ob sich in ihrer Umgebung etwas verändert. Daher, schreibt Chamowitz, verfügten über eine Art Gedächtnis und seien imstande, auf Umweltveränderungn mit »intelligenten« Strategien zu antworten. Das erlaubt ihnen beispielsweise, »herauszufinden«, wann sich eine Investition ins Wurzelwachstum lohnt und wann nicht.

Obwohl sie weder Gehirn noch Nervenzellen haben, seien Pflanzen ständig damit beschäftigt, Informationen über Lichtverhältnisse, Außentemperaturen, chemische Stoffe in Luft und Boden und vieles mehr zu sammeln. Sie verarbeiteten diese Informationen, speicherten sie und tauschten sie zwischen Wurzeln, Blättern, Blüten und Stängeln aus, so Chamowitz. Das funktioniere, weil die meisten Zellen jeden Gewächses, vor allem die in den Wurzeln, elektrische und chemische Signale ähnlich denen von Neuronen erzeugen und weiterleiten können, und weil sie eng vernetzt seien.

Der Biologe formuliert anschaulich und verständlich, und er vermittelt auf fast jeder Seite verblüffende Einsichten. Unterm Strich überzeugt sein Werk daher als eines der aufschlussreichsten und schönsten Bücher über die Welt der Pflanzen. Es verdeutlicht, wie revolutionär sich das Wissen der Botanik in den zurückliegenden Jahren erweitert hat.

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