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»Wie der Löwe an den Himmel kam«: Die Geschichte der Sternbilder

Der Sternenhimmel lässt uns nicht nur in die Tiefe des Alls schauen, sondern verbindet uns mit vergangenen Kulturen, so die Wissenschaftshistorikerin Susanne Hoffmann. Eine Rezension
Zwerggalaxie

Sternbilder sind eine erstaunliche kulturelle Errungenschaft: Es gibt wohl kein anderes Konzept, das alle Kulturen zu allen Zeiten gemein hatten. So ist es etwa ein faszinierender Gedanke, dass das Sternbild Steinbock eigentlich einen babylonischen Dämon, ein Mischwesen aus Ziege und Fisch, darstellt, oder der Löwe den Dämon Urgula. Dieser Name stammt aus dem Sumerischen, einer Sprache, die zu babylonischer Zeit in mündlicher Form bereits ausgestorben war und nur auf Tontafeln übermittelt wurde. Ein Blick zum Sternenhimmel lässt uns nicht nur die Tiefe des Alls schauen, sondern verbindet uns auch mit einer weit entfernten Vergangenheit. Es scheint so, als ob die Sternbilder tatsächlich ewig seien.

Sternbilder als Kulturobjekte

Doch das sind sie natürlich nicht, schließlich handelt es sich um konstruierte Kulturobjekte, die damit einer geschichtlichen Entwicklung unterliegen. Genau diese wird in dem schönen Buch »Wie der Löwe an den Himmel kam. Auf den Spuren der Sternbilder« kenntnisreich und detailliert vorgestellt. Die Autorin Susanne Hoffmann ist Astronomin und Wissenschaftshistorikerin und forscht am Michael Stifel Center der Universität Jena. Ihre umfangreiche Sachkenntnis ist bei der Lektüre deutlich zu spüren.

In dem Buch stellt sie sämtliche Sternbilder vor, sortiert nach deren Sichtbarkeit im Jahresverlauf. Neben der Erzählung der mehr oder weniger bekannten griechischen Mythen ist der spannendste Teil des Buchs die historische Entwicklung der griechischen Figuren aus den meist babylonischen Vorbildern. Zum Beispiel erklärt sich das seltsame Band, das die Fische im gleichnamigen Sternbild an ihren Schwänzen zusammenhält, offenbar aus einem Missverständnis der babylonischen Vorstellung eines V-förmigen Schwalbenschwanzes. Der griechische Wassermann wiederum, der aus unbekannten Gründen Wasser oder Wein ausschüttet, entstand aus einer Unkenntnis der mesopotamischen Mythologie. Dort entsprang Wasser aus den Schultern des Gottes Enki (oder Ea).

Zwei weitere Kapitel runden das Buch ab: eine kurze Einführung in die chinesischen Sternbilder und ein Abschnitt über »Dark Constellations«. Letztere sind Gestalten, die amerikanische oder australische Ureinwohner in den dunklen Strukturen der Milchstraße gesehen haben. Das ist erstaunlich, weil es für uns heute nicht mehr selbstverständlich ist, die Milchstraße überhaupt zu sehen – geschweige denn irgendwelche Dunkelwolken in ihr. Man kann sich kaum vorstellen, wie der Sternenhimmel vor Jahrtausenden in trockenen oder hoch gelegenen Regionen ausgesehen haben muss. So wird aber klar, warum man sich im antiken Mesopotamien intensiv mit Astronomie befasste.

Zu kritisieren gibt es nur wenige Details. Beispielsweise ist die Einleitung etwas unklar, wenn es um die Ursachen und die Rolle der Präzession oder die Bedeutung des marmornen »Atlas Farnese« als einer der wenigen Quellen für die konkrete Darstellung von antiken Sternbildern geht. Für ein populärwissenschaftliches Buch, bei dem man keine Voraussetzungen machen darf, wären zudem ein Glossar, das die Helligkeitsangaben in Magnituden erläutert, sowie weiterführende Literaturtipps durchaus wünschenswert. Hier könnte man etwa auf die Bücher von Ernst Künzl verweisen.

Ein wenig merkwürdig ist die Eigenschaft »Größenrang«, die jedem Sternbild zugeordnet und mit einer Zahl angegeben ist. Damit ist offenbar der Platz in der Liste aller Sternbilder gemeint, sortiert nach ihrer Fläche am Himmel in Quadratgrad. Das ist insofern irritierend, als die Maßeinheit nicht erklärt wird und diese Angabe keinen praktischen Nutzen hat: Der Himmel wurde im Jahr 1928 in 88 Sternzeichengebiete aufgeteilt. Die Grenzen hatte der belgische Astronom Eugène Delporte im Auftrag der Internationalen Astronomischen Union ausgearbeitet. Seitdem ist der Himmel lückenlos kartiert, neue Sternbilder haben darin keinen Platz. Die Fläche der Areale sagt aber nichts über die Augenfälligkeit aus: So ist etwa das Dreieck mit Rang 78 zwar sehr klein, im Gegensatz zum Einhorn (Größenrang 35) jedoch sofort zu erkennen.

Alles in allem handelt es sich um ein modern gestaltetes Sachbuch, das leicht lesbar ist. Es dürfte sowohl astronomisch als auch kulturgeschichtlich Interessierte ansprechen.

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