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Buchkritik zu »Wir Wettermacher«

Tim Flannery, Professor für Zoologie an der Universität von Adelaide (Australien) und bekannter Umweltschützer, stand 1981 auf einem Berg in Papua-Neuguinea und fand Anzeichen dafür, dass sich die Baumgrenze mit dramatischer Geschwindigkeit nach oben verschoben hatte. Zwanzig Jahre später ist er davon überzeugt, dass die Ursache der menschengemachte Klimawandel ist. Alarmiert beschließt er, das vorliegende Buch zu schreiben, eine "Gebrauchsanleitung für den Thermostat der Erde". Das ist ein hoher Anspruch.

Anschaulich erzählt der Autor zu Beginn vom "großen Luftozean" und vom Wärmefang der Treibhausgase. Er schildert lebendig, wie die fossilen Brennstoffe ("vergrabener Sonnenschein ") entstanden sind und ausgebeutet werden. Deren Verbrennung lässt bekanntlich die CO2-Konzentration in der Luft ansteigen.

Für die Zukunft malt uns Flannery ein apokalyptisches Szenario aus: Super-El-Niños bringen zwei Dritteln des Globus Trockenheit, Überschwemmungen oder andere extreme Wetterverhältnisse, das Polareis schmilzt, Hurrikane schwellen an. Die Ökosysteme reagieren heute schon auf die Veränderungen: Korallenriffe erbleichen (Bild), der Klimawandel rottet die erste Tierart aus – die Goldkröte in Costa Rica –, und die Lemminge werden nach Norden an die Küste getrieben. Packend liest sich das allemal. Doch der Wahrheitsgehalt ist dünn. Keiner dieser Umweltschäden lässt sich nämlich monokausal auf den Ausstoß von Treibhausgasen zurückführen.

Wie reagiert unsere Zivilisation auf die globale Erwärmung? Den Trend umzukehren sei zu teuer; man solle sich besser beizeiten an die veränderten Umweltbedingungen anpassen, empfehlen manche Wirtschaftswissenschaftler. Flannery nennt das einen Völkermord und dramatisiert, dass es nur so kracht: Ohne Klimaschutz stehe der Kollaps ganzer Megastädte bevor. "Schon 0,63 Grad Celsius Erwärmung haben sich als ausreichend erwiesen, um … den Sahel, die Arktis oder die subantarktischen Gewässer erheblich zu schädigen."

In den Kapiteln über die Klimapolitik kommt Flannerys Heimatland schlecht weg – kein Wunder, denn das an Kohle reiche Australien produziert pro Kopf sogar ein Viertel mehr CO2 als die USA. Wenig überraschend lehnt Australien das Kioto-Protokoll ab. Flannery hält den Zauderern entgegen, dass sie die Kosten für die Einhaltung des Abkommens überschätzen, und erinnert daran, dass der Handel mit Emissionsrechten in den USA erfunden wurde – die Maßnahme hat erfolgreich die Umweltverschmutzung mit Schwefeldioxid verringert.

Zum Schluss lässt der Autor Maßnahmen für den Klimaschutz Revue passieren. Die Kernenergie fasst er wegen des Müllproblems nur vorsichtig ins Auge, und von der Speicherung von CO2 im Untergrund hält er mangels Lagerstätten nicht viel. Er empfiehlt vor allem alternative Energiequellen, die Erdwärme etwa. Und wie es sich für einen richtigen Umweltschützer gehört, geht er selbst mit gutem Beispiel – Solarpaneele auf dem Dach und Auto mit Hybridantrieb – voran.

So flockig sich manche Passage liest – der hohe Anspruch des engagierten Buchs wird nicht eingelöst. Das liegt zum einen daran, dass es dem Autor an wissenschaftlicher Skepsis mangelt. So propagiert er die "Gaia"-Theorie von James Lovelock, doch diese Vorstellung von einem sich selbst stabilisierenden, die Erde umspannenden Ökosystem ist äußerst umstritten. "Telekinese" oder "magische Tore" existieren vielleicht in Flannerys Fantasie, aber nicht im Klimasystem. Auch referiert der Autor viele Studien, als ob sie der letztgültige Stand der Forschung wären – die Unsicherheit in der Wissenschaft kommt viel zu kurz. Nicht von ungefähr trägt eines der seriösesten Bücher über den Klimawandel, George Philanders "Is the temperature rising?", den Untertitel "The uncertain science of global warming".

Darüber hinaus fabriziert Flannery eine Fülle von groben Patzern. Im Zusammenhang mit der Klimawirkung von Kondensstreifen schreibt er: "Flögen die Flugzeuge tiefer, könnte man … die CO2-Emissionen um vier Prozent senken." Das ist physikalisch widersinnig – die Jets fliegen ja gerade so hoch, um Treibstoff zu sparen – und falsch abgeschrieben: In der Quelle heißt es korrekt, dass die Emissionen um vier Prozent steigen würden. Zu allem Überfluss dichtet der Autor den Kondensstreifen eine kühlende Wirkung an – in Wirklichkeit erwärmen sie die Luft unter sich.

Es sei "mittlerweile klar, dass das Abschmelzen des Südpolareises in den kommenden Jahrzehnten den bei Weitem größten Beitrag zum Meeresspiegelanstieg leisten wird". Das ist Nonsens; der wichtigste Faktor ist die Ausdehnung der Ozeane durch Erwärmung. Unter Forschern ist sogar umstritten, ob das Eis der Antarktis überhaupt schrumpfen wird.

Und die schwimmenden Eisschollen! Nach Flannery lässt ihr Schmelzen den Meeresspiegel steigen, wenn auch nicht sehr stark: "Nur das Volumen, das vorher den Meeresspiegel überragte, verdrängt entsprechend viel vorhandenes Wasser." Archimedes würde sich in der Wanne herumdrehen.

Gewiss, "Wir Wettermacher" ist streckenweise unterhaltsam zu lesen. Doch Flannerys Fehler und Übertreibungen können Laien ganz erheblich in die Irre führen. Der ehrgeizige Versuch, ein populäres und zugleich seriöses Sachbuch über die globale Erwärmung zu schreiben, ist gescheitert.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 8/2006

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