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Keine Rechtfertigung, keine wohlfeile Empörung

Man dringt schnell zur Grundaussage dieses Sammelbands vor, wenn man sich die einfache Frage stellt, was am Deutschen Museum eigentlich "deutsch" ist. Die Sammlung der "Meisterwerke der Naturwissenschaft und Technik" (so der offizielle Name des Museums) ist ja nicht von Natur aus an eine Nation gebunden; Wissenschaft und Technik haben ihre Wirkung stets über Grenzen hinweg entfaltet. Seit der Gründung in der Kaiserzeit war die Sammlung allerdings immer auch eine nationale Leistungsschau: ein Ort, der besonders den Erfindungsreichtum deutscher Wissenschaftler und Ingenieure zur Geltung bringen sollte.

Die Autoren des vorliegenden Werks sind sich offenbar darin einig, dass sich an diesem Selbstverständnis nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten nichts änderte und auch nichts ändern musste. Das ermöglichte somit die relativ reibungslose Anpassung der Institution an die neuen Verhältnisse nach 1933.

In 17 gut zu lesenden und in vielerlei Hinsicht aufschlussreichen Einzeldarstellungen nähern sich die Autoren, allesamt ausgewiesene Experten zur Wissenschafts- und Technikgeschichte oder zum Nationalsozialismus, diesem Befund aus verschiedenen Blickrichtungen. Dabei wird vor allem eines deutlich: Die Mitarbeiter dieser Institution hätten sich gegen die kulturpolitischen Vorgaben des Nationalsozialismus nur dann überhaupt zur Wehr setzen können, wenn ihr – vermeintlich unpolitischer – Raum gleichsam von hohen Mauern geschützt gewesen wäre. Das entsprach aber gar nicht dem damaligen Charakter des Museums, welches eher als Schnittstelle der Selbstdarstellungsinteressen von Industrieunternehmen, Fachverbänden und Kulturfunktionären diente. Das Deutsche Museum arrangierte sich daher in demselben Maß mit den neuen Machthabern oder arbeitete eben auch mit ihnen zusammen, wie das die deutsche technisch-wissenschaftliche Elite in ihrer Gesamtheit zwischen 1933 und 1945 tat.

Es ist eine besondere Stärke dieser Publikation, dass die Autoren herausarbeiten, wie stark die Entscheidungsund Leitungsgremien des Museums mit dieser Elite vernetzt waren. Das erklärt auch den Befund, dass sich die Interessen des nationalsozialistischen Staats gelegentlich in der Ausstellungspolitik widerspiegelten, wie am Beispiel der Kraftfahrzeughalle überzeugend dargelegt wird.

Entscheidend war immer ein guter Draht zur politischen Führung. Die unvermeidlichen Rangeleien und Kompetenzstreitigkeiten, die typisch für das Herrschaftssystem des Nationalsozialismus überhaupt waren, sind erst im Nachhinein und auf durchschaubar apologetische Weise als absichtsvolle Distanz gedeutet worden. Wenn Besitz- und Kontrollansprüche seitens der NS-Führung zu Konflikten führten, wie etwa im Fall des Generalinspekteurs für das Deutsche Straßenwesen Fritz Todt, dann eher aus einer Logik institutionellen Handelns heraus und nicht etwa auf Grund ideologischer Bedenken.

So wäre zu fragen: Was war eigentlich spezifisch nationalsozialistisch am Deutschen Museum zur Zeit des Nationalsozialismus? Zwar gehörte dem dreiköpfigen Vorstand mit dem Verleger Hugo Bruckmann ein Förderer Hitlers und Nationalsozialist der ersten Stunde an, aber der Physiker Jonathan Zenneck und der Ingenieur Conrad Matschoß waren der Studie zufolge keine eifernden Nationalsozialisten (nicht einmal Mitglieder der NSDAP). Nach 1933 war es jedoch prinzipiell schwierig, zwischen Systemloyalität und Staatsloyalität zu unterscheiden. So wurden denn auch 1934 die jüdischen Mitglieder des Museumsausschusses bei dessen Umbildung nicht mehr um ihre Mitwirkung gebeten. Darüber hinaus ist die Bereitschaft zu beobachten, die Leistungen jüdischer Wissenschaftler und Ingenieure herabzuwürdigen, wie an einzelnen Ausstellungsstücken gezeigt werden kann.

Inhaltlich näherte sich die Ausstellungskonzeption der Autarkiepolitik des NS-Regimes an, so zum Beispiel bei der Präsentation neuer Werkstoffe. In der Leitung hatte sich durch die starke Persönlichkeit des Gründers Oskar von Miller (1855 – 1934) ohnehin bereits eine Form des "Führerprinzips" etabliert, da brachte der Nationalsozialismus nichts Neues.

Schließlich waren die Räume des Deutschen Museums Schauplatz zweier berüchtigter Propagandaausstellungen: "Die große antibolschewistische Schau" und "Der ewige Jude". Daraus lässt sich schließen, dass das Museum vor allem ein Resonanzraum des Zeitgeistes war, womit natürlich nichts entschuldigt ist. Als bedeutsame kulturelle Institution in der "Hauptstadt der Bewegung" ließ sich das Museum bereitwillig instrumentalisieren und trug dabei nicht unerheblich zum Prestige der nationalsozialistischen Machthaber bei.

Das alles schildern die Autoren kenntnisreich und ohne Gesten wohlfeiler Empörung. Der Untertitel "Bestandsaufnahme " mutet angesichts des Umfangs des Bands und seines Detailreichtums allzu bescheiden an. Es mag noch viele unbearbeitete Aspekte geben, aber das Buch gibt doch schon einen gründlichen und tiefen Einblick. Offensichtlich ist das Werk zumindest in Richtung einer Gesamtdarstellung angelegt; so verfügt es über einen Index, was bei Sammelbänden eher unüblich ist.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 6/2011

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