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Keine Ortsbestimmung ohne Nullpunkt

Wohl jeder geografisch Interessierte denkt beim Wort "Nullmeridian" sofort an das Royal Observatory in Greenwich bei London. Seit einer Konferenz im Jahr 1884 gilt der Meridian, der durch das Observatorium verläuft, international als derjenige, von dem aus die geografische Länge nach Westen und Osten gezählt wird. Weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, dass vor jener Konferenz praktisch jedes europäische Land seinen eigenen Nullmeridian besaß. Paul Murdin, Astronom an der University of Cambridge, erzählt die Geschichte des wichtigsten dieser historischen Längengrade, des Nullmeridians von Paris.

Es ist eine Geschichte, die uns durch drei Jahrhunderte führt: Von den Anfängen der französischen Akademie der Wissenschaften im 17. Jahrhundert, deren Mitglieder sich alsbald der immer genaueren Vermessung des Lands widmeten, über die Wirren der Französischen Revolution, wo selbst ein harmloser Landvermesser unter der Guillotine enden konnte, bis ins 19. Jahrhundert, als die Frage eines international einheitlichen Koordinatensystems immer drängender wurde und England mit Frankreich um die weltweite Gültigkeit des eigenen Nullmeridians wetteiferte.

Murdin breitet diese Geschichte kenntnisreich aus und spart dabei nicht mit technischen Details, an denen vor allem Freunde der Geodäsie Vergnügen finden werden. Doch auch wer in der Welt der Landvermessung weniger zu Hause ist, wird das Buch mit Genuss lesen. Führt es uns doch unterhaltsam einige der bedeutendsten Geistesgrößen der Wissenschaftsgeschichte vor.

Namen wie Newton, Cassini, Descartes oder Huygens belegen, dass die Vermessung der Erdoberfläche zu den größten intellektuellen Herausforderungen ihrer Zeit gehörten. Weniger intellektuell, dafür umso unterhaltsamer fällt der Dan-Brown-Exkurs aus, mit dem Murdin sein Buch ausklingen lässt.
  • Quellen
epoc 6/2010

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