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Drogenkonsum - bekämpfen oder freigeben?

Dieser Sammelband enthält in einem knappen Dutzend Beiträge geballte theoretische Substanz, und am Ende sogar eine Antwort auf die im Titel gestellte Frage. Günter Amendt, ein Altmeister der Drogendiskussion, schreibt: "Der dauerhafte exzessive Konsum von psycho-aktiven Substanzen ist höchst riskant, daran kann kein Zweifel bestehen. Wer abstürzt und in einen Suchtkreislauf gerät, zahlt einen hohen Preis. Doch die Bereitschaft der Subjekte, Risiken in Kauf zu nehmen, ist gewachsen – und sie wird weiter wachsen. Deshalb wird die Erziehung zur Drogenmündigkeit und die Befähigung zum Risikomanagement zu einer der wichtigsten Aufgaben einer realitätsgerechten Präventionspolitik werden." Aber bis zu dieser klaren Aussage sind 198 Seiten Text sehr unterschiedlicher Qualität abzuarbeiten. Wenig ergiebig sind Beiträge zum Drogenkonsum in unterschiedlichen historischen Gesellschaften und zum Koka- und Kokaingeschäft in Bolivien, die zum Titelthema wenig beitragen, sowie hoch wissenschaftliche, mit Fußnoten überladene Texte zur Biologie und Psychologie des Drogenkonsums. Lorenz Böllinger versucht die Rechtfertigung des Betäubungsmittelstrafrechts nicht nur mit nachvollziehbaren Argumenten, sondern abschließend mit merkwürdigen Gedanken über die angebliche Unschädlichkeit der Drogen bis hin zur "Selbstheilung" der Heroinabhängigen in Frage zu stellen. Dagegen hat Artur Kreuzer, einer der bedeutendsten Drogenrechtsexperten, eine seiner vielen hervorragenden Arbeiten abgeliefert. Er gibt auch Antworten auf Fragen, die im Kontext der Drogenfreigabe nicht so gern gestellt werden. So haben von 100 von ihm untersuchten straffällig gewordenen Drogenkonsumenten 65 eine Drogenkarriere erst im späteren Verlauf einer ausgeprägten Delinquenz-Karriere entwickelt. In der Mehrzahl der Fälle ist also nicht die Kriminalität Folge des Drogenkonsums, sondern es besteht erst ein strafrechtliches und dann ein Drogenproblem. Kreuzer relativiert auch den so häufig wiederholten Hinweis auf Nachbarländer, die wesentlich mehr Erfolg im Umgang mit den Drogenproblemen hätten. Bemerkenswerterweise hatten die liberale Drogenpolitik in den Niederlanden und die zumindest bis 1998 in der Bundesrepublik stärker repressiv orientierte Drogenpolitik annähernd gleiche Konsequenzen. Insbesondere war die repressiv ausgerichtete Strategie nicht erfolgreicher als eine moderate. Zunächst akzeptieren, was ist Günter Amendts pragmatische Urteile über Drogen und Drogenpolitik haben in der Vergangenheit häufig Aufsehen erregt, wenn er sagte, was ist: Drogen werden konsumiert, und man muss das zunächst akzeptieren. "Die Konsumenten und Konsumentinnen von Drogen werden als Menschen wahrgenommen, die krank und grundsätzlich auf Hilfe von außen angewiesen sind". Diese Wahrnehmung ist mittlerweile glücklicherweise überholt. Aber von der falschen Aussage kommt er zur richtigen und hoch aktuellen Schlussfolgerung: Zu fordern sind eine Erziehung zur Drogenmündigkeit und ein Risikomanagement im Sinne einer neu orientierten Präventionspolitik. Amendt spricht wichtige Wahrheiten aus: Im Trend der Globalisierung werden auch die Drogengeschäfte globalisiert und damit immer weniger kontrollierbar. Oder: Das so genannte Drogenproblem ist ein Ausdruck gigantischer gesellschaftlicher Fehlentwicklungen, ein Resultat falscher Analysen und Folge einer Blickverengung auf jeweils nur einen bestimmten Aspekt des Problems. Recht hat er und legt am Schluss kurz und pragmatisch seine Vorschläge zu Maximen einer vernünftigen Drogenpolitik dar. Schade nur, dass der Herausgeber sich selbst mit einem Beitrag noch an den Schluss des Buches gesetzt hat. Teilweise wirken seine Ausführungen (etwa über den "vierten Trieb") wie Wiederholungen des Vorangegangenen, teilweise sind sie nicht nachzuvollziehen ("obwohl Tee und Marihuana gleichermaßen harmlos sind, ist der erste erlaubt, das zweite verboten"), und Aussagen wie die, dass "die Drogenpolitik nicht in erster Linie von der Sorge um die Volksgesundheit geleitet ist, sondern als Instrument der Diskriminierung von Randgruppen eingesetzt wird", lassen auf einen kleinen Verfolgungswahn und geringe Kenntnis politischer Sachverhalte schließen. Der von ihm und anderen Autoren verfolgte Ansatz, Drogenkonsum in die Entscheidung jedes Einzelnen zu stellen, verkennt, dass dieser Drogenkonsum stets in kommunizierenden Systemen stattfindet und damit andere Menschen sozial, materiell oder psychisch beeinträchtigen kann. Neben den erwähnten inhaltlichen Highlights bleibt das schale Gefühl, vieles schon einmal gelesen zu haben. Die Hoffnung des Herausgebers, dass Leserinnen und Leser zu einem fundierten Urteil über eine brennende soziale und ethische Frage gelangen, wird unerfüllt bleiben: Zu viele Aspekte fehlen, und aus dem Potpourri darf sich jeder das heraussuchen, was seine (Vor-)Urteile stützt.
  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 01/01

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