Geheimnisse der Kultur von Elam
Wo liegt das Land Elam, und wer waren seine Bewohner? In der Bibel (Genesis Kapitel 10, Vers 22, und Kapitel 14) finden sich nur zwei wenig ergiebige Erwähnungen des Namens. Aber die Sumerer und Akkader pflegten engen Kontakt zu ihren östlichen Nachbarn. So berichten Tontafeln von Elam als dem "oberen Land", jenen ausgedehnten Berglandschaften, die sich im Osten bis zur Wüste Lut erstrecken und im Süden zur fruchtbaren Ebene Chusistan erweitern. Auf Grund gemeinsamer Kulturmerkmale, besonders der unverwechselbaren Keramik und vermutlich auch der Sprache, ist Elam in den Grenzen des heutigen Iran zu lokalisieren.
Heidemarie Koch, Professorin für Altiranistik an der Universität Marburg, lädt in ihrem Buch zu einer Zeitreise durch dieses weit gehend unbekannte Land ein. In fünfzehn Kapiteln durchmisst sie die letzten fünf vorschristlichen Jahrtausende, mit Schwerpunkt auf charakteristischen Fundorten und ihrem Fundgut. Hinzu kommen neue Forschungsergebnisse zu frühen Stadtgründungen, Bauwerken, Herrschafts- und Sozialstrukturen, Götter- und Grabkult, Religion, Kunst und Alltagsleben, Stellung der Frau sowie Klima, Landwirtschaft, Handel und Handwerk.
Vereinzelte Siedlungsspuren sind seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. im fruchtbaren Land der heutigen iranischen Provinz Chusistan nachweisbar. Dort wurde um 4200 v. Chr. erstmals ein Verwaltungssitz namens Susa gegründet, der zur Hauptstadt des Reiches Elam heranwuchs. Seine Bewohner bauten lange vor den Sumerern den ersten Stufentempel (Zikkurat) im Vorderen Orient. Dieses Gemeinschaftswerk erforderte umfangreiche Planung und konnte, so die Autorin, nur unter der Leitung einer starken Persönlichkeit erstehen.
Noch heute beeindrucken die Massen an luftgetrockneten Lehmziegeln, die von der monumentalen Anlage übrig geblieben sind, ebenso wie die hier geborgenen Kleinfunde. Feinste Keramik trägt expressive Bemalung mit Tieren, möglichen Tempel- und Götterbildern und Symbolen, wie dem schwer zu deutenden achtförmigen Kiden-Zeichen. Ferner fanden sich eine Fülle von Symbolsteinen, dazu deren versiegelte Behältnisse (Tonbullen), seltsame Terrakottafiguren, steinerne Milchgefäße, miniaturhafte Frauen- und Tierplastiken. Letztere zeugen besonders von der ungewöhnlichen Fantasie der Elamer, wie der mit einem Rock bekleidete Stier, der – knieend wie ein Mensch – eine große Vase zwischen den Vorderhufen hält, oder ein Siegelabdruck mit Tieren, die wie Menschen in einer Werkstatt arbeiten.
Im 4. Jahrtausend v. Chr. entstanden neben Susa blühende Stadt- und Handelszentren im Osten Elams. Chlorit, ein dunkelgrüner Stein, der in Tepe Yahya und Djiroft abgebaut wurde und diesen Städten großen Reichtum brachte, eignete sich vorzüglich zur Gefäßherstellung, wie mehr als tausend Artefakte belegen. Den Betrachter überraschen aber nicht nur originell verzierte Grabgefäße, sondern vor allem die als "Schlangenhandtaschen" wahrgenommenen Objekte (Titelbild des Buchs). Ihr praktischer Nutzen ist unklar; man vermutet, dass sie als tragbare Gewichte dienten.
Blütezeit unter König Untasch-Napirischa
Spannende Kapitel führen den Leser an die Erfindung der frühen Schrift und ihre Entzifferung heran. Die proto-elamische Strichschrift ist älter als die sumerische Keilschrift und eng mit dem Aufkommen früher Verwaltungssysteme verknüpft. Bis zu drei Zentimeter große, eigenartig geformte Tonplättchen tragen geometrische oder figürliche Muster, teils eingetieft, teils aufgemalt. In einem komplizierten Prozess wurden aus diesen Symbolen Bild- und später Schriftzeichen, was die Autorin als die höchste geistige Leistung der Elamer herausstellt.
Elams Blütezeit fällt in das 14. bis 11. Jahrhundert v. Chr. Verschiedene Dokumente berichten von erfolgreichen Beutezügen, neuen Handelswegen, wechselnden Herrschaftsdynastien sowie von reichen Heiraten und komplizierten Familienbanden, die Inzucht nicht ausschließen. In diesem Zusammenhang wäre eine Herrscherliste der zeitgleich regierenden Fürsten westlich des Tigris eine hilfreiche Ergänzung gewesen. Unter König Untasch-Napirischa erreichte Elam seine größte Ausdehnung. Sichtbarer Ausdruck des Wohlstands ist der gewaltige Zikkuratbau von Dur-Untasch nahe Susa. Noch heute ist er der besterhaltene Stufentempel im Vorderen Orient. Die 100 Hektar große Anlage mit dreifachem Mauerring, Neben- und Tieftempel sowie Ziegelsockel für Schlachtopfer beeindruckt nachhaltig. Im akkurat gemauerten Sockel aus gebrannten Ziegeln von 105 Meter Länge wurden 659 Inschriftenziegel von Untasch-Napirischa gefunden; sie tragen Weihungen an Inschuschinak, den höchsten Gott Susas. In anderen Ziegeln fanden sich Gold-, Silber- und farbige Emailreste zur prachtvollen Reflexion der Sonnenstrahlen.
Von diesem baufreudigen König ist kein Bildnis erhalten, aber die fast lebensgroße Bronzestatue seiner Frau Napir-asu zählt zu den Kostbarkeiten des Louvre. Dieses Werk bezeugt sowohl die exzellente manuelle Fertigkeit der elamischen Handwerker als auch die Eigenständigkeit der Königin. Es war nachweislich sie selbst, die eine Aufstellung ihrer Statue veranlasste, damit deren elegantes Gewand und würdige Haltung ihren hohen sozialen Status signalisiere. Überhaupt genoss die Frau in der elamischen Gesellschaft eine für diese Zeit ungewöhnliche Wertschätzung. Schon sehr früh wurden weibliche Gottheiten, besonders die Göttin Pinengir, verehrt. In dynastischen Kreisen hatten die Mütter den jeweils legitimen Erben und berechtigten Thronfolger zu bestimmen. Auch eine einfache Ehefrau hatte eine rechtlich gesicherte Position und die Erlaubnis für eigenen Besitz.
"Die Elamer liebten Schlangen und Frauen", hatte Heidemarie Kochs Lehrer, der bekannte Altorientalist Walther Hinz, schon 1964 in seinem Buch "Das Reich Elam" konstatiert. Gemessen and dem Buchtitel "Frauen und Schlangen" ist das gleichnamige Buchkapitel mit nur fünf Seiten überraschend kurz.
Schlangenbilder in differenzierten Ausprägungen als Symbol der Fruchtbarkeit und des göttlichen Willens reichen weit in die Frühzeit Elams zurück, sprechen für den hohen Stellenwert dieses unheimlichen Tiers. Aber bisher schienen die Themen Frauen und Schlangen in der elamischen Vorstellungswelt in keinem direkten inhaltlichen Zusammenhang zu stehen. Umso mehr überrascht ein abschließender Blick auf zwei Funde aus Susa: Ein kleines Terrakottafragment vom Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. zeigt eine Schlange, die sich um Kopf und Brüste einer Frau windet. Ein Siegelabdruck um 3300 v. Chr. zeigt einen Baum mit runden Früchten, nach denen eine rechts stehende Frau greift. In dieser Geste wird sie von einem hinter ihr stehenden katzenartigen Mischwesen vorwärts gedrängt. Links vom Baumstamm erhebt sich senkrecht eine Schlange. Die merkwürdige Szene erweckt sofort Assoziationen an unsere christlichen Vorstellungen vom Sündenfall, verträgt sich aber nicht mit den elamischen von Frauen und Schlangen. So gibt die Deutung des Bildes – wie vieler anderer – den Forschern immer wieder Rätsel auf.
Im 1. Jahrtausend v. Chr. geht die uralte elamische Kultur unter dem Ansturm der Perser und Meder aus dem Norden im Persischen Weltreich auf, aber nicht völlig unter. Die Elamer vermitteln den siegreichen, aber schriftunkundigen Reiternomaden auf deren Wunsch hin ihr Wissen um Verwaltung und Schrift.
Heidemarie Koch entwirft ein großartiges Panorama Elams, der vergangenen, immer noch weit gehend unbekannten Hochkultur. In klarem, verständlichem Stil spricht sie alle Aspekte kulturellen und politischen Lebens an, basierend auf neuesten archäologischen, epigrafischen und linguistischen Forschungsergebnissen. Exzellente Fotos dokumentieren Wesentliches und Seltenes. Diese Neuerscheinung wird Altertumsfreunde fesseln und Fachleute zu interdisziplinären Diskussionen anregen. Sie stellt nämlich die Elamer gleichberechtigt neben die Sumerer und Akkader, deren Regionen bereits seit dem 19. Jahrhundert intensiv erforscht wurden – auf der Suche nach dem biblischen Paradies!
Heidemarie Koch, Professorin für Altiranistik an der Universität Marburg, lädt in ihrem Buch zu einer Zeitreise durch dieses weit gehend unbekannte Land ein. In fünfzehn Kapiteln durchmisst sie die letzten fünf vorschristlichen Jahrtausende, mit Schwerpunkt auf charakteristischen Fundorten und ihrem Fundgut. Hinzu kommen neue Forschungsergebnisse zu frühen Stadtgründungen, Bauwerken, Herrschafts- und Sozialstrukturen, Götter- und Grabkult, Religion, Kunst und Alltagsleben, Stellung der Frau sowie Klima, Landwirtschaft, Handel und Handwerk.
Vereinzelte Siedlungsspuren sind seit dem 7. Jahrtausend v. Chr. im fruchtbaren Land der heutigen iranischen Provinz Chusistan nachweisbar. Dort wurde um 4200 v. Chr. erstmals ein Verwaltungssitz namens Susa gegründet, der zur Hauptstadt des Reiches Elam heranwuchs. Seine Bewohner bauten lange vor den Sumerern den ersten Stufentempel (Zikkurat) im Vorderen Orient. Dieses Gemeinschaftswerk erforderte umfangreiche Planung und konnte, so die Autorin, nur unter der Leitung einer starken Persönlichkeit erstehen.
Noch heute beeindrucken die Massen an luftgetrockneten Lehmziegeln, die von der monumentalen Anlage übrig geblieben sind, ebenso wie die hier geborgenen Kleinfunde. Feinste Keramik trägt expressive Bemalung mit Tieren, möglichen Tempel- und Götterbildern und Symbolen, wie dem schwer zu deutenden achtförmigen Kiden-Zeichen. Ferner fanden sich eine Fülle von Symbolsteinen, dazu deren versiegelte Behältnisse (Tonbullen), seltsame Terrakottafiguren, steinerne Milchgefäße, miniaturhafte Frauen- und Tierplastiken. Letztere zeugen besonders von der ungewöhnlichen Fantasie der Elamer, wie der mit einem Rock bekleidete Stier, der – knieend wie ein Mensch – eine große Vase zwischen den Vorderhufen hält, oder ein Siegelabdruck mit Tieren, die wie Menschen in einer Werkstatt arbeiten.
Im 4. Jahrtausend v. Chr. entstanden neben Susa blühende Stadt- und Handelszentren im Osten Elams. Chlorit, ein dunkelgrüner Stein, der in Tepe Yahya und Djiroft abgebaut wurde und diesen Städten großen Reichtum brachte, eignete sich vorzüglich zur Gefäßherstellung, wie mehr als tausend Artefakte belegen. Den Betrachter überraschen aber nicht nur originell verzierte Grabgefäße, sondern vor allem die als "Schlangenhandtaschen" wahrgenommenen Objekte (Titelbild des Buchs). Ihr praktischer Nutzen ist unklar; man vermutet, dass sie als tragbare Gewichte dienten.
Blütezeit unter König Untasch-Napirischa
Spannende Kapitel führen den Leser an die Erfindung der frühen Schrift und ihre Entzifferung heran. Die proto-elamische Strichschrift ist älter als die sumerische Keilschrift und eng mit dem Aufkommen früher Verwaltungssysteme verknüpft. Bis zu drei Zentimeter große, eigenartig geformte Tonplättchen tragen geometrische oder figürliche Muster, teils eingetieft, teils aufgemalt. In einem komplizierten Prozess wurden aus diesen Symbolen Bild- und später Schriftzeichen, was die Autorin als die höchste geistige Leistung der Elamer herausstellt.
Elams Blütezeit fällt in das 14. bis 11. Jahrhundert v. Chr. Verschiedene Dokumente berichten von erfolgreichen Beutezügen, neuen Handelswegen, wechselnden Herrschaftsdynastien sowie von reichen Heiraten und komplizierten Familienbanden, die Inzucht nicht ausschließen. In diesem Zusammenhang wäre eine Herrscherliste der zeitgleich regierenden Fürsten westlich des Tigris eine hilfreiche Ergänzung gewesen. Unter König Untasch-Napirischa erreichte Elam seine größte Ausdehnung. Sichtbarer Ausdruck des Wohlstands ist der gewaltige Zikkuratbau von Dur-Untasch nahe Susa. Noch heute ist er der besterhaltene Stufentempel im Vorderen Orient. Die 100 Hektar große Anlage mit dreifachem Mauerring, Neben- und Tieftempel sowie Ziegelsockel für Schlachtopfer beeindruckt nachhaltig. Im akkurat gemauerten Sockel aus gebrannten Ziegeln von 105 Meter Länge wurden 659 Inschriftenziegel von Untasch-Napirischa gefunden; sie tragen Weihungen an Inschuschinak, den höchsten Gott Susas. In anderen Ziegeln fanden sich Gold-, Silber- und farbige Emailreste zur prachtvollen Reflexion der Sonnenstrahlen.
Von diesem baufreudigen König ist kein Bildnis erhalten, aber die fast lebensgroße Bronzestatue seiner Frau Napir-asu zählt zu den Kostbarkeiten des Louvre. Dieses Werk bezeugt sowohl die exzellente manuelle Fertigkeit der elamischen Handwerker als auch die Eigenständigkeit der Königin. Es war nachweislich sie selbst, die eine Aufstellung ihrer Statue veranlasste, damit deren elegantes Gewand und würdige Haltung ihren hohen sozialen Status signalisiere. Überhaupt genoss die Frau in der elamischen Gesellschaft eine für diese Zeit ungewöhnliche Wertschätzung. Schon sehr früh wurden weibliche Gottheiten, besonders die Göttin Pinengir, verehrt. In dynastischen Kreisen hatten die Mütter den jeweils legitimen Erben und berechtigten Thronfolger zu bestimmen. Auch eine einfache Ehefrau hatte eine rechtlich gesicherte Position und die Erlaubnis für eigenen Besitz.
"Die Elamer liebten Schlangen und Frauen", hatte Heidemarie Kochs Lehrer, der bekannte Altorientalist Walther Hinz, schon 1964 in seinem Buch "Das Reich Elam" konstatiert. Gemessen and dem Buchtitel "Frauen und Schlangen" ist das gleichnamige Buchkapitel mit nur fünf Seiten überraschend kurz.
Schlangenbilder in differenzierten Ausprägungen als Symbol der Fruchtbarkeit und des göttlichen Willens reichen weit in die Frühzeit Elams zurück, sprechen für den hohen Stellenwert dieses unheimlichen Tiers. Aber bisher schienen die Themen Frauen und Schlangen in der elamischen Vorstellungswelt in keinem direkten inhaltlichen Zusammenhang zu stehen. Umso mehr überrascht ein abschließender Blick auf zwei Funde aus Susa: Ein kleines Terrakottafragment vom Ende des 3. Jahrtausends v. Chr. zeigt eine Schlange, die sich um Kopf und Brüste einer Frau windet. Ein Siegelabdruck um 3300 v. Chr. zeigt einen Baum mit runden Früchten, nach denen eine rechts stehende Frau greift. In dieser Geste wird sie von einem hinter ihr stehenden katzenartigen Mischwesen vorwärts gedrängt. Links vom Baumstamm erhebt sich senkrecht eine Schlange. Die merkwürdige Szene erweckt sofort Assoziationen an unsere christlichen Vorstellungen vom Sündenfall, verträgt sich aber nicht mit den elamischen von Frauen und Schlangen. So gibt die Deutung des Bildes – wie vieler anderer – den Forschern immer wieder Rätsel auf.
Im 1. Jahrtausend v. Chr. geht die uralte elamische Kultur unter dem Ansturm der Perser und Meder aus dem Norden im Persischen Weltreich auf, aber nicht völlig unter. Die Elamer vermitteln den siegreichen, aber schriftunkundigen Reiternomaden auf deren Wunsch hin ihr Wissen um Verwaltung und Schrift.
Heidemarie Koch entwirft ein großartiges Panorama Elams, der vergangenen, immer noch weit gehend unbekannten Hochkultur. In klarem, verständlichem Stil spricht sie alle Aspekte kulturellen und politischen Lebens an, basierend auf neuesten archäologischen, epigrafischen und linguistischen Forschungsergebnissen. Exzellente Fotos dokumentieren Wesentliches und Seltenes. Diese Neuerscheinung wird Altertumsfreunde fesseln und Fachleute zu interdisziplinären Diskussionen anregen. Sie stellt nämlich die Elamer gleichberechtigt neben die Sumerer und Akkader, deren Regionen bereits seit dem 19. Jahrhundert intensiv erforscht wurden – auf der Suche nach dem biblischen Paradies!
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