Dont know much Trigonometry. Ein erweiterter Leistungskurs über elementare Schulgeometrie und deren praktische Anwendungen
Das Buch „Geometry“ von Roger Fenn untersucht verschiedene, mindestens in ihren Grundzügen aus dem Schulunterricht bekannte Fragen und Probleme der Geometrie. Dabei versteht Fenn unter "Geometrie" keinen der modernen, in der mathematischen Forschung üblichen Begriffe ("algebraische", "arithmetische" Geometrie usw.), sondern elementare Themen aus dem reellen euklidischen zwei- bzw. dreidimensionalen Standardvektorraum. Nur an sehr wenigen Stellen, z.B. in Verbindung mit Quaternionen und Oktaven, treten höhere Dimensionen auf. Somit ist der Titel des Buches für Mathematiker etwas irreführend, vielleicht sogar in seiner Allgemeinheit etwas anmaßend. Anderseits trifft er ziemlich gut das, was sich Schüler unter dem Begriff "Geometrie" vorstellen. Fenn führt die Sprache und Hilfsmittel der analytischen Geometrie ein, benutzt jedoch an vielen Stellen auch klassische Beweismethoden wie Winkel- und Dreiecksvergleiche. Dabei bemerkt er selbst, dass es ziemlich schwer ist, ein paar dieser Techniken auf nach heutiger mathematischer Sichtweise sichere Fundamente zu stellen – und lässt dies dann auch aus. Andererseits benutzt er sehr elegant die topologische Isomorphie der (reellen) Ebene und der komplexen Zahlen, um mit Hilfe der Arithmetik der letzteren die Geometrie der ersten zu untersuchen. Positiv zu bewerten ist auf jeden Fall die große Anzahl von Beispielen und Aufgaben – zumeist einfacher Rechenaufgaben mit Teillösungen –, sofern man das Buch für den Schulunterricht bestimmt. In diesen Rahmen passt auch die Behandlung anwendungsorientierter Themen, wie das der sphärischen Geometrie und deren Verbindung mit Schifffahrt und Sternbeobachtung. Damit wird das Buch, wie vom Springer-Verlag bei dieser Serie auch explizit angestrebt, dem Selbststudium leichter zugänglich. An vielen Stellen geht Fenn jedoch mit den konkreten Problemstellungen etwas zu weit: Oftmals erweckt er den Eindruck, dass Drehungen oder Bewegungen in den von ihm untersuchten sehr speziellen Räumen oder gewöhnliche Kegelschnitte etwas ganz besonderes, ja fast schon so etwas wie die „absolute Wahrheit“ in der Mathematik darstellten. Natürlich kann man einem Schüler nicht die allgemeinsten Vektorräume als Ausgangspunkt der Geometrie zumuten – man könnte jedoch klarer machen, dass zum eigentlichen mathematischen Denken noch mehrere Abstraktionsstufen gehören und z.B. ein paar allgemeine Eigenschaften von Quadriken zumindestens im n-dimensionalen angeben. Genauso scheint es fraglich, ob es sinnvoll ist, elementare Geometrie immer komplizierter zu machen. Probleme wie das Theorem von Napoleon oder Morley sind eher Knobel-Aufgaben als echte mathematische Probleme. Durch ihre Behandlung ergibt sich leider zu oft für Nichtmathematiker der Eindruck, es handle sich hierbei um Mathematik: das Hinzufügen von Dutzenden weiterer Dreiecke und Kreise zu einer Zeichnung mit dem Ziel, irgendwann ein Quadrat zu erhalten. Dabei geht der qualitative Unterschied zu den geometrischen Fragen unter, die die Forschung der letzten Jahrhunderte tatsächlich antrieben, z.B., welche regulären n-Ecke allgemein mit Zirkel und Lineal konstruierbar sind – im Gegensatz zu der konkreten Konstruktion des 17-Ecks. (Außerdem kann irritierend wirken, wenn jemand mathematische Kreativität an der Lösung solcher Probleme misst – so als ob man einen Ingenieur an seiner Fähigkeit, 15-stöckige Kartenhäuser zu bauen, beurteilte.) Insgesamt ist das Buch zwar lebendig geschrieben und sowohl als Lehrbuch für einen Leistungskurs als auch für das Selbststudium geeignet. Die geäußerten Vorbehalte sollte man jedoch im Hinterkopf behalten, sonst läuft man Gefahr, ein falsches Bild von der Mathematik zu bekommen.
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