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Genie und Handwerk

Joseph von Fraunhofer (1787-1826) passt nicht zum Klischee des verkopften Physikgenies, das komplizierte Theorien ersinnt. Er war Handwerker und Unternehmer und gehörte doch zu den ganz Großen seines Fachs. Indem er aus der Herstellung optischer Linsen eine exakte Wissenschaft machte, gelangen ihm bahnbrechende Verbesserungen von Teleskopen. Damit revolutionierte er die Optik und bereitete den Boden für wichtige spätere Entdeckungen, etwa in der Astronomie. Fraunhofer trug maßgeblich zum Wissenserwerb bei – durch Strebsamkeit, Perfektionismus, Detailversessenheit, aber auch praktischem und unternehmerischem Geschick.

In ihrer dreiteiligen Dokumentation würdigen Kloska und Richter das Verdienst Fraunhofers und beleuchten sein Leben. Die eingesprochenen Texte sind angenehm ruhig und sachlich. Einige wenige Schauspielszenen bebildern das Erzählte; Interviews sorgen für Abwechslung und Authentizität. Auf der fachlichen Ebene bekommen die Zuschauer eine verständliche, präzise Einführung in die Optik geboten.

Joseph von Fraunhofer, wie er sich nach der Erhebung in den Ritterstand nennen konnte, hat nie eine Universität besucht, sondern sein Wissen als Autodidakt und Lehrling bei einem Spiegelschleifer erworben. Als Forscher mit unternehmerischem Geist wusste er seine Entdeckungen pragmatisch zu nutzen. Wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn und technischer Fortschritt griffen bei ihm stets ineinander, selbst bei seiner berühmtesten Entdeckung, den nach ihm benannten Spektrallinien der Sonne: Er wies sie mit Hilfe eigens verbesserter Prismen nach und begründete damit die Spektroskopie, eines der wichtigsten Werkzeuge der heutigen Naturwissenschaft. Ganz zweckorientiert nutzte er diese Spektrallinien später, um – gewissermaßen im Umkehrverfahren – die Brechzahl von Gläsern genauer zu bestimmen und optische Linsen dadurch weiter zu verbessern.

Dass aus dem Lehrling überhaupt ein großer Physiker und Unternehmer werden konnte, verdankte er einem Glück im Unglück. Seine wundersame Rettung aus einem eingestürzten Haus brachte ihm finanzielle Zuwendungen seitens des Kurfürsten ein – und ließ den Techniker und Unternehmer Joseph von Utzschneider (1763-1840) auf ihn aufmerksam werden. Dieser machte ihn erst zum Angestellten, dann zum Teilhaber seines optischen Instituts, was Fraunhofer ermöglichte, seine Forschungen zu betreiben.

Utzschneider tritt in der Dokumentation als Gastgeber auf und wird von dem Schauspieler Ralf Weikinger dargestellt. Leider ist die Figur nicht ganz stimmig: Sie schwankt zwischen historischer Gestalt, jovialem Onkel und süffisantem Conférencier. In ihrer Perspektive auf Fraunhofer vermischen sich persönliche Bezüge mit historischen und modernen Deutungen. Zum Glück nimmt sie nur in der ersten Folge größeren Raum ein.

Ihre Stärken zeigt die Dokumentation vor allem, wenn sie sich von der historischen Person Fraunhofers entfernt und in die Moderne springt. Dann verdeutlicht sie, dass die Entdeckungen des Physikers, wie die Spektroskopie, noch heute relevant sind und etwa in der Kriminologie eingesetzt werden. Den eher trockenen Stoff der Instrumentenkunde vermitteln die Filmemacher gekonnt, indem sie heutige Physiker über die Suche nach außerirdischem Leben erzählen lassen. Nach welchen Anzeichen für Leben halten die Forscher dabei Ausschau, und welche Anforderungen ergeben sich daraus an die Messinstrumente? In dem Zusammenhang bekommt der Zuschauer moderne Teleskope zu sehen, die durch ihre enorme Leistungsfähigkeit beeindrucken und für heutige Spitzentechnik stehen – ebenso wie die fraunhoferschen Exemplare zu ihrer Zeit.

Die Dokumentation "Joseph v. Fraunhofer" macht experimentelle Wissenschaft anschaulich und verständlich – eine insgesamt gelungene Hommage an den Physiker.

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