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Deutliche Worte

Ob dröge Unireferate, Business-Präsentationen im Fachjargon oder Festtagsredner, die sich in ihren eigenen Satzgirlanden verheddern: Unsachgemäßer Sprachgebrauch begegnet uns im Alltag auf Schritt und Tritt. Dabei könnte es doch so einfach sein, wie dieses angenehm schnörkellose Buch beweist: Autor Markus Reiter, Kommunikationstrainer in Stuttgart, hat dazu eine Mischung aus praktischem Ratgeber und Sachbuch über das Gehirn verfasst.

Darin erzählt er dem Leser zunächst im lockeren Plauderton Anekdoten aus der Sprachforschung und zeichnet die Versuche von Wissenschaftlern nach, entwicklungsgeschichtliche und neurobiologische Quellen des Redetalents zu ergründen. Sodann schlägt Reiter den Bogen von den Experimenten der Hirnforscher zur angewandten Sprachpflege.

In zwölf Ratschlägen – wie etwa "übersichtliche Sätze bauen", "konkret formulieren" oder "Gefühle ansprechen" – fasst er seine Anleitung zusammen und bringt sie noch einmal in Kurzübersichten auf den Punkt. Viele, oft witzige Beispiele aus dem Spracharchiv des Seminarleiters bieten hier hübsches Anschauungsmaterial.

Obendrein führt Reiter jeweils einschlägige neurobiologische Befunde zur Rechtfertigung seiner Thesen an. Zum Beispiel für den Rat, sich anhand konkreter Beispiele verständlich zu machen: Anders als abstrakte Begriffe ("Backwaren") aktivieren Wörter, die ein konkretes Objekt ("Brötchen") bezeichnen, eine Vielzahl von Hirnregionen, darunter neben den sprachverarbeitenden (linkshemisphärischen) Arealen auch das visuelle Vorstellungsvermögen in der rechten Hirnhälfte.

In einem dritten Teil seines Buchs schließlich widmet sich Reiter den besonderen Erfordernissen des Lesens und Schreibens und wartet abermals mit vielen Tipps auf. Wer etwa einen komplexen Sachverhalt verständlich darstellen wolle, tue gut daran, die Kernaussage zunächst einmal mündlich zu formulieren.

Zugegeben, diese Empfehlungen sind keineswegs revolutionär. Und um ihre Richtigkeit zu erkennen, bedürfte es wohl auch nicht unbedingt des Verweises auf die Hirnforschung. Umgekehrt sollte auch nicht jeder Mehraufwand in der neuronalen Verarbeitung von ungewöhnlichen Wörtern oder komplexem Satzbau vermieden werden: Was wäre beispielsweise ein Thomas Mann ohne imposante Syntax, was ein Arno Schmidt ohne Sprachverdrehungen?

Es gibt also durchaus Gelegenheiten, wo einfache, einprägsame Ansagen nicht unbedingt gefragt sind. Das räumt auch der Klarheitsverfechter Reiter ein. Doch für den alltäglichen Sprachgebrauch im Privaten wie im Beruf gilt: je deutlicher, desto besser. Und dazu braucht es eine klare, anschauliche und bildreiche Sprache ohne Fremdwörter und Schachtelsätze. Denn das bereitet dem Gehirn weniger Probleme – und fördert so Verständnis und Spaß am Ohr- oder Augenschmaus. Diese Botschaft kann man nicht oft und deutlich genug unters Volk streuen.

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  • Quellen
Gehirn und Geist 12/2008

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