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Satelliten erklären die Welt

Jeder Strauch, jeder Baum, jeder Gletscher und jede Wolke. Die Erde wird durchleuchtet. Ständig. Denn moderne Satelliten helfen nicht nur bei der Wettervorhersage. Astrophysiker und Wissenschaftsjournalist Dirk Lorenzen blickt mit dem Leser hinab auf die Erde, die heute genauer denn je von hochspezialisierten Raumfahrzeugen erforscht wird.

Der Bildband nähert sich der "Oase im Weltraum" aus Sicht von Astronauten im Mondorbit – und steigt dann sofort ein in die prägenden Elemente der Erde: "Eis, Feuer und Wasser". Denn Vulkanausbrüche sind aus dem All ebenso gut zu beobachten wie Fluten oder wandelbare Gletschermassen. Die Abbildungen der automatischen Fotografen im Erdorbit lassen den Betrachter staunen. Wie die Satelliten Veränderungen aus der Umwelt "sehen, fühlen und riechen", wird im Begleittext erläutert und durch diverse Grafiken und Karten illustriert. Zuletzt ordnet Lorenzen die Erde als Teil des Sonnensystems ein: Diese Dynamik aus Wetterphänomenen, zirkulierenden Ozeanen, einer lebendigen Umwelt und aktiver Plattentektonik gibt es nirgendwo sonst. Doch die hoch entwickelten Kameras finden aus der Umlaufbahn auch planetare Ähnlichkeiten: So sind Dünenfelder auf dem Mars kaum von denen in der Nordsahara zu unterscheiden.

Die auf den ersten Blick ästhetischen Bilder machen zudem nachdenklich: Denn Satelliten beobachten heute sehr genau, wie gravierend der Mensch seine Heimat verändert. Sie bilden ab, wie in Brasilien großflächig tropischer Regenwald abgeholzt und durch Felder ersetzt wird. Sie registrieren, wie sich der Ölteppich der Bohrplattform Deepwater Horizon durch den Golf von Mexiko bewegt. Und sie erkennen, wie der Aralsee in Zentralasien durch übermäßige Bewässerungsmaßnahmen der Landwirtschaft innerhalb weniger Jahrzehnte austrocknet und eine unwirtliche Salzwüste zurücklässt.

Der Raumfahrtfreund Lorenzen möchte jedoch mit seinem Band keineswegs schwarz malen. Denn wo Satelliten Probleme sichtbar machen, ergeben sich auch Lösungsansätze für Mensch und Umwelt. Im Vorwort mahnt der ehemalige Direktor des UN-Umweltprogramms Klaus Töpfer, dass die fantastischen Möglichkeiten der Erdbeobachtung eine "neue Dimension der Verantwortung" preisgeben. Der Mensch könne aus dem All die Folgen seines Tuns beobachten, etwa wenn sich das Ozonloch über der Antarktis vergrößert – und handeln.

Besonders in Entwicklungsländern sind Menschen den Naturgewalten schutzlos ausgeliefert – ob menschgemacht oder nicht. Der Band dokumentiert zahlreiche aktuelle Naturkatastrophen wie die Flut in Pakistan im Sommer 2010, Waldbrände in Griechenland und Russland oder den Ausbruch des Vulkans Eyjafjallajökull. Solche Ereignisse können Satellitenbilder zwar nicht verhindern, aber sie dienen den Helfern als wertvolles Werkzeug. Die Lage nach dem Erdbeben von Haiti oder nach dem Tsunami im Indischen Ozean 2004 wurde aus dem All genauer abgebildet, als dies vor Ort möglich gewesen wäre.

Leider schafft es Autor nur teilweise, die faszinierenden wie alarmierenden Abbildungen adäquat zu umrahmen. Der viersprachig gesetzte Begleittext beleuchtet zwar, welche Satelliten die Erde umkreisen und welchem Zweck sie dienen, er taucht in die Geschichte der Raumfahrt ein und erklärt die irdische Sonderstellung im Planetensystem. Doch er steht selten im direkten Zusammenhang mit den nebenstehenden Bildern. Außerdem hinterlassen zu knappe Bildunterschriften gelegentlich ein Stirnrunzeln: Denn die Fotos sind nicht immer im optischen Bereich des elektromagnetischen Spektrums gemacht. Aufnahmen von Radarinstrumenten oder Wärmekameras sind mit Falschfarben kodiert, die zu kurz oder gar nicht erläutert werden: Violette Gletscherzungen und knallrote Vegetation in den Anden hätten mit prägnanten Infokästen und Legenden leicht erläutert werden können und den Lerneffekt beim Betrachter noch vergrößert.

Dennoch macht es Spaß, Dirk Lorenzen auf der "Mission Erde" zu begleiten: Denn die Raumfahrt hat den Blick des Menschen auf seine Welt verändert. Astronauten der Mondmission Apollo 8 blickten noch ehrfürchtig auf den kleinen blauen Fleck, von dem sie weiter entfernt waren als jeder Mensch vor ihnen. Heute sehen wir mit Satelliten nicht nur die unbeschreibliche Schönheit unseres Planeten in vielen Details, sondern lernen ebenso, seine Umwelt besser zu begreifen. Der Band regt gleichermaßen den Forschergeist wie die Verantwortung für unsere Welt.

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