Eiszwerge am Rande der Welt
"Arbeite hart, achte deinen Chef und hüte dich vor leichten Mädchen!" Mit diesen weisen Worten seines Vaters machte sich der junge Clyde Tombaugh im Jahre 1929 auf den weiten Weg nach Flagstaff, Arizona, um eine Stelle als Astronom am Lowell-Observatorium anzutreten. Sein Chef, Vesto Slipher, engagierte den jungen Mann, um einen Wunsch des verstorbenen Observatoriumgründers Percival Lowell nachzukommen: der Suche nach einem Planeten jenseits des Neptun. Sicherlich hörte Clyde Tombaugh auf seinen Vater, denn schon am 18. Februar 1930 entdeckte er den Himmelskörper, der später Pluto genannt werden sollte. Entdeckt wurde Pluto als wandernder Lichtpunkt und nicht als diffuses Planetenscheibchen; einzig seine Bewegung verriet ihn als sehr fern gelegenes Mitglied unseres Sonnensystems.
Mit dieser unterhaltsamen Entdeckungsgeschichte beginnen Alan Stern und Jacqueline Mitton ihr Buch über das Duo Pluto und Charon. Doch der Schwerpunkt des Buches liegt in den darauffolgenden Jahren. Die Autoren berichten, wie es den Astronomen gelang, einem rund sechs Milliarden Kilometer von der Sonne entfernten Lichtpunkt Informationen über seine Größe, Rotation und chemischen Aufbau zu entlocken. Natürlich sind Sterne noch weiter entfernt, doch senden sie auch viel großzügiger ihre "Lichtbotschaften". Sie sind auch zahlreicher und können so untereinander verglichen und kategorisiert werden – Planeten hingegen sind höchst individuelle Charaktere.
Einen großen Schritt machte die Plutoforschung aber dann doch ausgerechnet mit der Feststellung, dass Fotografien des Planeten doch nicht reine Punktquellen darstellen. James Christy bemerkte 1978 im Mikroskop beulenartige Ausbuchtungen der Plutoaufnahmen. Die Lage der Beule konnte auch bald korrekt vorhergesagt werden, unter der Annahme, es handelt sich nicht um Artefakte, sondern um einen Mond. Auf diese Weise entdeckte James Christy den Plutomond Charon. Dieser Mond ist nicht nur für sich interessant, er dient den Astronomen auch als Werkzeug: Da sich Pluto und Charon aus irdischer Perspektive wechselseitig bedecken, konnten Astronomen aus dem Studium der Lichtkurven Informationen über Atmosphären, Durchmesser und chemische Zusammensetzung gewinnen.
In den ersten Jahrzehnten seiner Entdeckung konnte Pluto noch als Kuriosität abgetan werden. Doch mit der Fernerkundung der äußeren Gasriesen Neptun und Uranus, dem Studium des Neptunmondes Triton und der Entdeckung Charons wurde klar, dass der äußere Bereich unseres Planetensystems eine Geschichte zu erzählen hat. Um die merkwürdigen Befunde zu erklären, mussten die Astronomen Modelle entwickeln, die weitaus mehr Pluto und Charon ähnliche Himmelskörper postulieren.
Aber wo sind sie? Hier kommt die Geschichte von Pluto und Charon in die 1990er Jahre. Die Helden heißen jetzt unter anderem David Jewitt und Jane Luu, die mit 1992QB1 das erste Objekt des so genannten Kuipergürtels entdeckten. Dank solcher Forscher wissen wir heute nicht nur in der Theorie, dass unser Sonnensystem nicht einfach mit Neptun abbricht und noch eine Kuriosität namens Pluto durch die Galaxie mitschleift, sondern dass der Übergang zum interstellaren Raum durch verschiedene Objektklassen gekennzeichnet ist.
Ironie der Geschichte: Genau dieser Paradigmenwechsel ist es, der die Astronomen nötigt, den Begriff Planet einmal sauber zu definieren. Nach der jüngst verabschiedeten Resolution ist Pluto als Zwergplanet einzustufen. Eine Entscheidung, gegen die der Autor Alan Stern Sturm läuft. Von all dem findet sich in diesem Buch aber nichts. Nichts auch über Nix und Hydra, die jüngsten Plutomonde. Auf Grund der Dynamik dieses Forschungsfeldes ist dies aber auch nicht weiter verwunderlich: Mit dieser Ausgabe liegt schon eine aktualisierte Auflage vor, die aber schon wieder zu alt ist, um neuere Entdeckungen zu würdigen. Den Wert dieses Buches schmälert dies aber nicht, denn die detaillierten Berichte von der frühen Pluto- und Charonforschungsfront bereiten viel Lesevergnügen. Außerdem formulieren die Autoren die grundlegenden Fragen dieser Disziplin, die wohl noch lange Bestand haben.
Sehr viel Neues über Pluto und Charon werden wir wissen, wenn die Raumsonde New Horizons an diesem Doppelsystem (plus Nix und Hydra) vorbeigeflogen ist. Alan Stern, der ja Leiter dieser Mission ist, versprach, spätestens dann wieder eine Neuauflage vorzulegen. Dieser New-Horizons-Mission ist der letzte Teil des Buches gewidmet. In ihm plaudert der Insider Alan Stern aus dem Nähkästchen, erzählt von all den bürokratischen Stolpersteinen, die einer solchen Mission vorausgehen. Die Planetensonde ist seit Ende Januar 2006 unterwegs. Gestartet zu einem Planeten, wird sie bei einem Zwergplaneten ankommen, der dafür inzwischen um zwei Monde reicher ist. Mit solchen Überraschungen muss rechnen, wer die fernsten Welten unserer kosmischen Heimat erkunden will.
Das Buch zu lesen bereitet großes Vergnügen, denn der Text ist sehr lebendig hautnah an der Forschung ausgerichtet. Das Duo Stern/Mitton hat viel Recherchearbeit geleistet, und seine hohe Sachkompetenz erlaubt es, erstaunlich unkompliziert und geradlinig zu schreiben. Die zahlreichen Abbildungen sind sehr hervorragend auf den Text abgestimmt, sie sind echte Erläuterungen und stehen meist genau da, wo man sie braucht.
Im Titel ist es ja nur ein Buchstabe, daher sei hier ausdrücklich erwähnt, dass das Buch in englischer Sprache ist. Eine deutsche Auflage ist meines Wissens nicht geplant. Statt darauf zu warten, freue ich mich lieber auf einen aktualisierten Pluto/Charon-Bericht von Stern/Mitton, wenn im Juli 2015 New Horizons sein Ziel erreicht hat.
Mit dieser unterhaltsamen Entdeckungsgeschichte beginnen Alan Stern und Jacqueline Mitton ihr Buch über das Duo Pluto und Charon. Doch der Schwerpunkt des Buches liegt in den darauffolgenden Jahren. Die Autoren berichten, wie es den Astronomen gelang, einem rund sechs Milliarden Kilometer von der Sonne entfernten Lichtpunkt Informationen über seine Größe, Rotation und chemischen Aufbau zu entlocken. Natürlich sind Sterne noch weiter entfernt, doch senden sie auch viel großzügiger ihre "Lichtbotschaften". Sie sind auch zahlreicher und können so untereinander verglichen und kategorisiert werden – Planeten hingegen sind höchst individuelle Charaktere.
Einen großen Schritt machte die Plutoforschung aber dann doch ausgerechnet mit der Feststellung, dass Fotografien des Planeten doch nicht reine Punktquellen darstellen. James Christy bemerkte 1978 im Mikroskop beulenartige Ausbuchtungen der Plutoaufnahmen. Die Lage der Beule konnte auch bald korrekt vorhergesagt werden, unter der Annahme, es handelt sich nicht um Artefakte, sondern um einen Mond. Auf diese Weise entdeckte James Christy den Plutomond Charon. Dieser Mond ist nicht nur für sich interessant, er dient den Astronomen auch als Werkzeug: Da sich Pluto und Charon aus irdischer Perspektive wechselseitig bedecken, konnten Astronomen aus dem Studium der Lichtkurven Informationen über Atmosphären, Durchmesser und chemische Zusammensetzung gewinnen.
In den ersten Jahrzehnten seiner Entdeckung konnte Pluto noch als Kuriosität abgetan werden. Doch mit der Fernerkundung der äußeren Gasriesen Neptun und Uranus, dem Studium des Neptunmondes Triton und der Entdeckung Charons wurde klar, dass der äußere Bereich unseres Planetensystems eine Geschichte zu erzählen hat. Um die merkwürdigen Befunde zu erklären, mussten die Astronomen Modelle entwickeln, die weitaus mehr Pluto und Charon ähnliche Himmelskörper postulieren.
Aber wo sind sie? Hier kommt die Geschichte von Pluto und Charon in die 1990er Jahre. Die Helden heißen jetzt unter anderem David Jewitt und Jane Luu, die mit 1992QB1 das erste Objekt des so genannten Kuipergürtels entdeckten. Dank solcher Forscher wissen wir heute nicht nur in der Theorie, dass unser Sonnensystem nicht einfach mit Neptun abbricht und noch eine Kuriosität namens Pluto durch die Galaxie mitschleift, sondern dass der Übergang zum interstellaren Raum durch verschiedene Objektklassen gekennzeichnet ist.
Ironie der Geschichte: Genau dieser Paradigmenwechsel ist es, der die Astronomen nötigt, den Begriff Planet einmal sauber zu definieren. Nach der jüngst verabschiedeten Resolution ist Pluto als Zwergplanet einzustufen. Eine Entscheidung, gegen die der Autor Alan Stern Sturm läuft. Von all dem findet sich in diesem Buch aber nichts. Nichts auch über Nix und Hydra, die jüngsten Plutomonde. Auf Grund der Dynamik dieses Forschungsfeldes ist dies aber auch nicht weiter verwunderlich: Mit dieser Ausgabe liegt schon eine aktualisierte Auflage vor, die aber schon wieder zu alt ist, um neuere Entdeckungen zu würdigen. Den Wert dieses Buches schmälert dies aber nicht, denn die detaillierten Berichte von der frühen Pluto- und Charonforschungsfront bereiten viel Lesevergnügen. Außerdem formulieren die Autoren die grundlegenden Fragen dieser Disziplin, die wohl noch lange Bestand haben.
Sehr viel Neues über Pluto und Charon werden wir wissen, wenn die Raumsonde New Horizons an diesem Doppelsystem (plus Nix und Hydra) vorbeigeflogen ist. Alan Stern, der ja Leiter dieser Mission ist, versprach, spätestens dann wieder eine Neuauflage vorzulegen. Dieser New-Horizons-Mission ist der letzte Teil des Buches gewidmet. In ihm plaudert der Insider Alan Stern aus dem Nähkästchen, erzählt von all den bürokratischen Stolpersteinen, die einer solchen Mission vorausgehen. Die Planetensonde ist seit Ende Januar 2006 unterwegs. Gestartet zu einem Planeten, wird sie bei einem Zwergplaneten ankommen, der dafür inzwischen um zwei Monde reicher ist. Mit solchen Überraschungen muss rechnen, wer die fernsten Welten unserer kosmischen Heimat erkunden will.
Das Buch zu lesen bereitet großes Vergnügen, denn der Text ist sehr lebendig hautnah an der Forschung ausgerichtet. Das Duo Stern/Mitton hat viel Recherchearbeit geleistet, und seine hohe Sachkompetenz erlaubt es, erstaunlich unkompliziert und geradlinig zu schreiben. Die zahlreichen Abbildungen sind sehr hervorragend auf den Text abgestimmt, sie sind echte Erläuterungen und stehen meist genau da, wo man sie braucht.
Im Titel ist es ja nur ein Buchstabe, daher sei hier ausdrücklich erwähnt, dass das Buch in englischer Sprache ist. Eine deutsche Auflage ist meines Wissens nicht geplant. Statt darauf zu warten, freue ich mich lieber auf einen aktualisierten Pluto/Charon-Bericht von Stern/Mitton, wenn im Juli 2015 New Horizons sein Ziel erreicht hat.
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