Mit dem Wildtier auf Du und Du
Sind Wildtiere nun ein Hausfreund oder eher Störenfriede? Das entscheidet jeder selbst, denn: Wilde Tiere teilen sich mit uns nicht nur den Lebens-, sondern auch den Wohnraum. Gemeint sind unsere Siedlungen und Häuser mit Dächern, Dachböden, Kellern und Fassaden ebenso wie die vielen Gärten in deren Umgebung.
Durch ein ganzjährig gleichbleibend großes Nahrungsangebot lockt das Dorf gleichermaßen wie die Stadt immer mehr Wildtiere an, so dass es nicht weiter überrascht, dass die Artenvielfalt hier inzwischen sehr viel größer ist als auf intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen oder sogar im Wald. Denn: Als so genannter Kulturfolger passt man sich an und profitiert. Von Abfällen und weggeworfenen Speiseresten, nicht aufgesammelten Früchten und Nüssen, aber auch vom wärmeren städtischen Klima, von den kleinräumigen Strukturen naturnaher Grünanlagen und von den vielen künstlich angelegten Gewässern.
Junge, um Futter bettelnde Vögel oder ein Igel im Garten – wenn es nach Michael Stocker und Sebastian Meyer, den Autoren des im Schweizer Haupt Verlag in diesem Jahr erschienenen Buchs "Wildtiere" geht, birgt das Zusammenleben von Mensch und Tier vor allem viel Freude und gute Unterhaltung. Zum Glück wird dabei nicht vergessen, dass das oft unfreiwillige Zusammenleben auch zu Konflikten führen kann. Nämlich immer dann, wenn durch Wildtiere der Hausfrieden gestört wird und ein Miteinander nicht mehr möglich erscheint.
Für ein Wespennest auf dem Dachboden oder Mäuse im Keller begeistern sich verständlicherweise schon weniger Menschen. Wenn man aber an die invasionsgleiche Ausbreitung des aus Nordamerika stammenden Waschbärs in vielen mitteleuropäischen Städten denkt, dem die beiden Autoren erstaunlicherweise kein eigenes Kapitel widmen, kann einem die Freude auch schon einmal vergehen.
Stocker und Meyer, selbst Zoologen, werben nachdrücklich für ein konfliktfreies Miteinander von Mensch und Tier, das unter anderem auch gefährdeten Arten in unserem unmittelbaren Umfeld Schutz und Hilfe bietet. Vom Dach bis in den Keller, vom Balkon bis in den Garten betrachten die Natur- und Landschaftsschützer die verschiedenen Lebensräume am, im und um ein Haus herum. In sieben, gut lesbaren Kapiteln beschreiben sie jeweils einen Gebäudeteil und zeigen, welche Tiere hier zu Mitbewohnern werden können. Dazu porträtieren sie insgesamt 38 Tierarten und ihre besonderen Bedürfnisse – von der Amsel über die Fledermaus bis zur Zebraspringspinne.
Dass Stocker und Meyer von der Natur in unmittelbarer Nähe zu uns Menschen fasziniert sind und dies mit ihrer Leserschaft teilen möchten, merkt man jeder einzelnen Seite an. So geben sie für den Konfliktfall hilfreiche Ratschläge, um ein "Gutes Einvernehmen" herzustellen, aber auch zahlreiche Beobachtungstipps "vom Nestdetektiv" sowie weiter gehende Informationen unter der Rubrik "Haben Sie´s gewusst?". Wer sich inspirieren und von der Begeisterung anstecken lässt, findet bei "Gewusst wie" Bauanleitungen für Turmfalkennistplätze, Fledermauswinterquartiere und sogar für Weißstorchhorstplattformen.
Abschließend werden gefährliche Tierfallen im Siedlungsraum "entschärft" sowie Häuser saniert und Gärten umgestaltet, um unseren tierischen Nachbarn "unter die Flügel und Beine zu greifen". Ich wünsche viel Spaß auf insgesamt 352 Seiten mit 630 gelungenen Farbfotos, 70 Zeichnungen und einem umfangreichen Anhang mit vielen nützlichen Internet-Links.
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