Planetensysteme: Die schrägen Vögel der Milchstraße
Dieses schöne Video ist nur 60 Sekunden lang. Das ist praktisch, denn man muss es mehrfach ansehen, um sich einen Reim darauf zu machen. Was auf den ersten Blick wie eine Sammlung zitternder Murmeln aussieht, ist tatsächlich eine Simulation aller 685 Sternsysteme mit mehr als einem Planeten, die mit dem Weltraumteleskop Kepler bis zum 24. November 2015 entdeckt worden sind. Dabei sind die Bahnen der Planeten im Größenvergleich zum Sonnensystem dargestellt.
Der mit sphärischer Musik unterlegte Film stammt von Ethan Kruse, einem amerikanischen Astronomiedoktoranden von der University of Washington, der sich wissenschaftlich der Entdeckung und Beschreibung von Exoplaneten widmet. Seine Simulation geizt mit Infos, aber immerhin hat Kruse in der Videobeschreibung auf YouTube noch einiges Wissenswerte für den Laien beigefügt: Wer es nicht schon selbst erkannt hat, erfährt, dass die Bahnen der Planeten im richtigen Größenverhältnis zueinander stehen, die Planetengrößen hingegen nicht. Gasriesen wären sonst übergroß geworden, terrestrische Planeten vom Format der Erde hingegen kaum zu erkennen.
Insgesamt 1705 Exoplaneten enthält die Simulation. Alle 685 Exoplanetensysteme fänden mühelos in unserem Sonnensystem Platz – mit wenigen Ausnahmen sogar innerhalb der Erdbahn. Die Planeten wirbeln in für unsere Verhältnisse extrem kleinen Abständen um ihre Sterne, ihre Umlaufzeiten sind mit wenigen Tagen entsprechend kurz. Ist das Sonnensystem mit seinen langen Umlaufzeiten also ein außergewöhnlicher Ort? Sehr wahrscheinlich nicht, vielmehr dürften die 685 Exoplanetensysteme kaum der Norm entsprechen. Vielmehr handelt es sich um ein Beispiel von "beobachterischer Befangenheit".
Um das zu erklären, müssen wir ein wenig ausholen. Kepler "sieht" einen Exoplaneten nur dann, wenn dieser vor seinem Stern vorbeizieht und dessen Licht (für uns auf der Erde) um einen winzigen Bruchteil abschwächt. Das passiert logischerweise nur ein einziges Mal während seines Umlaufs, und es müssen schon zwei oder besser drei dieser Transits beobachtet werden, bis die Existenz eines Planeten als gesichert gilt. Kepler war aber gerade einmal vier Jahre aktiv. In dieser Zeit hätte es einen Planeten wie Jupiter (11 Jahre Umlaufzeit), Saturn (23 Jahre) oder gar Neptun (165 Jahre) gar nicht sicher nachweisen können, wenn es denn überhaupt auf ihn aufmerksam geworden wäre. Dementsprechend kurz sind darum die bis 2015 von Kepler registrierten Umlaufzeiten der Exoplanetensysteme. Was wir an Planetensystemen außer dem unsrigen in der Milchstraße bislang kennen, gehört also eher zur Kategorie "schräge Vögel".
Insofern hat das Video einen aufklärenden, wenngleich etwas ernüchternden Effekt: Es zeigt, wie weit der Weg bei der Suche nach der viel beschworenen "zweiten Erde" noch ist.
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