New Horizons: Entdeckungsreise an den Rand des Sonnensystems
Anfang 2006 machte sich eine rasante Raumsonde auf den Weg in die Außenbereiche unseres Sonnensystems. »New Horizons«, wie die NASA diese Mission taufte, war auch im Vergleich mit anderen Raumsonden ungewöhnlich schnell. Möglich war das deshalb, weil einerseits eine leistungsstarke Trägerrakete bereitstand, um ihr ordentlich Schub mitzugeben. Aber es lag auch daran, dass »New Horizons« nicht unbedingt zu den Schwergewichten gehört, sondern nur ein mittelgroßer Späher ist. Sie verließ die Erde mit der höchsten je erreichten Endgeschwindigkeit von über 16 Kilometern pro Sekunde. Das hohe Reisetempo war auch nötig, denn das Ziel von »New Horizons« lag in den Außengefilden unseres Sonnensystems: zu Pluto und weiter in den Kuiper-Gürtel, wo noch mehr eiskalte Zwergplaneten ihre Bahnen ziehen. Um noch mehr Schwung zu holen, flog die Raumsonde auch in einem Swing-by-Manöver 2007 an Jupiter vorbei und erreichte schließlich 2015 Pluto. Um sich diese schwer vorstellbaren Distanzen etwas begreiflicher zu machen: Funkwellen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, sind von der Erde bis zum Jupiter rund eine Dreiviertelstunde unterwegs, bis zu Pluto sind es schon gut fünf Stunden – wobei diese Werte nochmals deutlich schwanken können, je nachdem, auf welcher Stelle der Bahn um die Sonne sich beide Himmelskörper relativ zur Erde gerade befinden.
Dabei hatten die Wissenschaftler Sorge um ihren Flugkörper: Bei so hohen Geschwindigkeiten können schon sandkorngroße Mikrometeoriten gefährlichen Schaden bei einem Aufprall ausrichten. »New Horizons« musste nicht nur den Asteroidengürtel durchqueren. Auch beim Anflug auf Pluto, der bereits im Kuiper-Gürtel liegt, und weiter in den Kuiper-Gürtel hinein, befürchteten die Wissenschaftler Schlimmes: In diesem Außenbereich unseres Sonnensystems schwirren viele kleine Asteroiden, Felsbrocken und kleine Trümmerstücke aus vergangenen Kollisionen umher. Denn hier gibt es keine großen Planeten, die dieses Gestein mit ihrer Schwerkraft hätten »aufsaugen« können. Doch alles ging gut. Und die Bilder, die »New Horizons« schließlich von Pluto zurück zur Erde funkte, hätten spektakulärer kaum sein können. Sie zeigen, wie reichhaltig die Geologie von Pluto ist. Einige führende Planetenforscher bringen diese Strukturen sogar als Argument dafür vor, den vor einigen Jahren zum Zwergplaneten degradierten Pluto doch wieder in den Rang eines Planeten zu erheben.
Die herzförmigen »Sputnik Planitia« auf Pluto sind eine riesige Ebene, ein gefrorener Ozean, der hauptsächlich aus Stickstoff besteht. Darunter könnte sogar ein unterirdischer Ozean herumschwappen. Und trotz seiner extrem kalten Oberfläche – so weit von der Sonne entfernt kommt nur noch wenig Strahlungswärme an – hat Pluto eine dünne Atmosphäre aus Stickstoff, Methan und Kohlenmonoxid. Kein anderes Objekt jenseits von Neptun besitzt nach heutiger Kenntnis eine solche Atmosphäre. Auch Plutos Mond Charon – der größte von fünf Monden – ist ungewöhnlich: Er ist an einer Seite rötlich gefärbt von Methanmolekülen, die von Pluto herübergeweht wurden. Solch ein Austausch ist ebenfalls von anderen Himmelskörpern in unserem Sonnensystem nicht bekannt.
Hinter Pluto raste »New Horizons« weiter mit Vollgas in die Tiefen des Alls. Wie sich herausstellte – das war zu Beginn der Mission noch gar nicht klar –, konnte die Raumsonde mit dem verbliebenen Treibstoff noch ausreichende Kurskorrekturen vornehmen, um ein weiteres Objekt zu untersuchen. Anfang 2019 erreichte sie Ultima Thule, ein eigenartiges Objekt, das aus zwei großen Felsbrocken zusammengesetzt ist, die sich vermutlich bei einer Kollision aneinandergeheftet haben. Seine Doppelgestalt erinnert entfernt an den Kometen »Tschuri«, der ebenfalls vor wenigen Jahren Besuch von der Erde hatte, als die Raumsonde Rosetta und der Lander Philae ihn untersuchten. Allerdings ist Ultima Thule mehrfach größer als »Tschuri«. Mittlerweile hat »New Horizons« auch Ultima Thule weit hinter sich gelassen und düst weiter zum Rand unseres Sonnensystems. In etwas über 20 Jahren sollte sie die Heliopause erreichen, an der der Einflussbereich unserer Sonne aufhört und der offene interstellare Raum beginnt. Mit etwas Glück funktioniert bis dahin auch die Energieversorgung noch gut genug, um Daten aus dieser Region senden zu können.
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