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Kernenergie: Thorium-Reaktoren: Sichere Energiequellen der Zukunft?

Deutschland steigt aus der Atomkraft aus – weltweit werden etliche Kernkraftwerke neu gebaut. Angeblich soll sich das Element Thorium für eine besonders sichere Energiegewinnung eignen.
Atomkraft ohne Risiko? Der Flüssigsalzreaktor | Harald Lesch (Re-Upload)

Veröffentlicht am: 17.05.2017

Laufzeit: 0:08:15

Sprache: deutsch

Untertitel: deutsch

Der YouTube-Kanal Terra X Lesch & Co wird vom ZDF in Zusammenarbeit mit objektiv media produziert.

Beim Thema Kernenergie gehen die Meinungen weit auseinander. Was den einen als Lösung für Energieprobleme erscheint, gilt den anderen als Teufelszeug. Es lohnt daher, zunächst einmal nüchtern die Fakten zu betrachten. Auch wenn Deutschland den Atomausstieg vorantreibt, nutzen viele Länder, auch in Europa, weiterhin die Kernenergie und investieren unter anderem in neue Reaktortypen. Eine in letzter Zeit besonders heiß diskutierte neue Variante sind die so genannten Thorium-Reaktoren, bei denen nicht Uran als Brennstoff dient, sondern das chemische Element Thorium.

In diesem Video auf dem vom ZDF produzierten YouTube-Kanal »Terra X Lesch & Co« geht der Astrophysiker und bekannte Moderator Harald Lesch mit skeptischem Unterton auf zahlreiche Aspekte von Thorium-Reaktoren ein. Angesichts der gebotenen Kürze und des komplexen Themas ist das aber auch für einen gestandenen Physiker wie Lesch nicht ganz einfach zu bewältigen.

Das sieht man schon daran, dass sich die Redaktion nach Rückfragen von Zuschauern entschieden hat, das Video mit kleinen Korrekturen nochmals zu veröffentlichen. Dabei ist sie erfreulich konsequent und fachlich sauber auf die Anmerkungen eingegangen. Aber natürlich bleiben auch jetzt noch viele Fragen offen, die Aspekte reichen von grundlegender Kernphysik bis hin zur Geopolitik.

Thorium ist in der Erdkruste häufiger als Uran zu finden, was es für die Nuklearwirtschaft interessant macht. Es lässt sich allerdings nicht direkt zur Kernspaltung verwenden. Vielmehr muss es erst in einem Atomreaktor durch Aufnahme eines Neutrons – und über weitere Zwischenstufen – in das Isotop Uran-233 umgewandelt werden. Dieses in der Natur nicht vorkommende Isotop, das aus 141 Neutronen und 92 Protonen besteht, lässt sich gut spalten und liefert ähnlich viel Energie wie das natürlich vorkommende Uran-235, mit dem Kernreaktoren üblicherweise betrieben werden. Ein Vorteil des etwas leichteren Uran-233 ist zudem, dass weniger langlebige hochradioaktive Abfallstoffe entstehen und damit auch weniger Material endgelagert werden muss. Kein Wunder also, dass sich einige Staaten für die Thorium-Technologie interessieren und in ihre Erforschung und Entwicklung investieren.

Auf einen wichtigen Punkt, den Kernenergie-Experten intensiv diskutieren, geht das Video aber nicht ein: Thorium-Reaktoren könnten auch neuartige Atombomben ermöglichen. Mit gewissen Techniken ist es nämlich möglich, das brisante Uran-233-Isotop aus dem Reaktor zu extrahieren, bevor es gespalten wird. Für heutige Atombomben wird meist das berüchtigte, hochgradig radiotoxische Plutonium-239 genutzt. Historisch war auch Uran-235 von Bedeutung, auf ihm beruhte etwa die Bombe von Hiroschima. Bereits in den frühen Jahren des Kalten Kriegs haben Forscher jedoch herausgefunden, dass Uran-233 ebenfalls ein hervorragender Bombenstoff wäre. Probeweise wurden sogar gewisse Mengen dieses Stoffs hergestellt, dann aber vor allem als Brennstoff für Reaktoren verwendet.

Laut neueren Forschungsergebnissen und entgegen früheren Annahmen sollten sich Thorium-Reaktoren sogar sehr gut zur Produktion von Waffenmaterial eignen. Einige Experten haben deshalb schon vor ihrer Entwicklung gewarnt.

Wie es um die künftige Entwicklung von Thorium-Reaktoren bestellt ist, lässt sich schwer abschätzen. Klar ist: Die Entwicklung entsprechender Reaktortypen wird noch sehr viel Geld kosten. Gibt es sie aber einmal, würde die Beschaffung von Nuklearwaffen gerade in den politisch und gesellschaftlich weniger stabilen Teilen unseres Planeten nochmals stark vereinfacht. Dagegen ließe sich wohl nur wenig ausrichten. Selbst die heute etablierten Verfahren zur nuklearen Rüstungskontrolle konnten nicht verhindern, dass Nordkorea mittlerweile in den Kreis der Atommächte aufgestiegen ist und dass der Iran dies relativ schnell schaffen könnte, wenn er sich denn dazu entschiede. Vielen Ländern, insbesondere den USA als globaler Ordnungsmacht, dürften diese Aussichten große Sorge bereiten.

Andere indes hoffen regelrecht darauf. Indien etwa, das seinen Kernkraftwerkspark massiv ausbauen will, besitzt sehr große Thorium-Vorkommen und plant deshalb, sein ziviles und militärisches Atomprogramm am Thorium-Programm auszurichten. Damit würde das Land binnen weniger Jahrzehnte weit unabhängiger von Uran-Importen.

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