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Der Mathematische Monatskalender: Emanuel Lasker (1868–1941): Schach mit Leidenschaft

Als Emanuel Lasker für das Schachspiel das Lernen zu vernachlässigen begann, half auch ein Schulwechsel nicht: Der neue Schulleiter war Präsident des örtlichen Schachvereins und Laskers Mathelehrer der lokale Schachmeister. Doch auch in der Mathematik war der spätere Schachweltmeister erfolgreich.
Mathematiker gehen bisweilen aufs Ganze

Emanuel Lasker wird in Berlinchen, einem Ort in West-Pommern (heute: Barlinek), als Sohn von Adolf Lasker, Kantor der jüdischen Gemeinde, und seiner Ehefrau Rosalie Israelssohn geboren. Im Alter von elf Jahren schicken ihn seine Eltern nach Berlin, damit er dort eine höhere Schule besuchen kann. Er wohnt bei seinem acht Jahre älteren Bruder Berthold, der in Berlin Medizin studiert (1894 heiratet Berthold Lasker die Schriftstellerin Else Lasker-Schüler). Aus einer Freizeitbeschäftigung, dem Schachspielen, das ihm der Bruder beibringt, wird schnell eine Leidenschaft, mit der er sich in Cafés das Taschengeld aufbessert. Als die schulischen Leistungen darunter leiden, drängen die Eltern auf einen Wechsel der Schule und finden ein ihnen geeignetes Gymnasium in Landsberg an der Warthe (heute: Gorzów Wielkopolski). Allerdings übersehen sie, dass der Schulleiter des neuen Gymnasiums Präsident des örtlichen Schachvereins ist und sein Mathematiklehrer der lokale Schachmeister.

Nach bestandener Abiturprüfung studiert Emanuel Lasker Mathematik und Philosophie an den Universitäten in Berlin, Göttingen und Heidelberg und setzt gleichzeitig seine Karriere als Schachspieler fort. 1889 gewinnt er ein erstes Schachturnier in Berlin und einen Monat später ein Turnier in Breslau, das ihm den Titel des deutschen Schachmeisters einbringt. Einladungen zur Teilnahme an Schachturnieren in England und in den Vereinigten Staaten nutzt er auch dazu, sein Studium der Mathematik fortzusetzen. Da er in den USA kein einziges Spiel verliert, kann er schließlich sogar den amtierenden (ersten offiziellen) Weltmeister Wilhelm Steinitz herausfordern – Lasker ist gerade einmal 24 Jahre alt. Der deutliche Sieg in diesem Wettkampf wird von Neidern darauf zurückgeführt, dass der Gegner bereits 58 Jahre alt und daher der Herausforderung eines langen Turniers nicht mehr gewachsen sei.

Lasker kehrt nach Deutschland zurück und erkrankt an Typhus, was ihn aber nicht daran hindert, ein erstes Buch über das Schachspielen zu verfassen. Wegen der Wiederaufnahme des Mathematikstudiums kann er nur noch an wenigen Turnieren teilnehmen, die er aber alle gewinnt. Auch ein erneuter Weltmeisterschaftswettkampf gegen Steinitz verläuft für ihn erfolgreich.

Im Jahre 1900 kann er endlich sein Mathematikstudium abschließen; in Erlangen promoviert er bei dem Algebraiker Max Noether mit der Arbeit Über Reihen auf der Convergenzgrenze, die auch in der Zeitschrift Philosophische Transaktionen veröffentlicht wird. Obwohl seine Schrift Zur Theorie der Moduln und Ideale (erschienen 1905 in den Mathematischen Annalen) in der Fachwelt große Anerkennung findet (und Grundlage für die bedeutenden Untersuchungen ist, die Emmy Noether später durchführt), gelingt es ihm weder an einer Hochschule in Deutschland oder England, noch in den Vereinigten Staaten eine Stelle als Mathematiker zu finden. Er konzentriert sich wieder ganz auf das Schachspielen und gibt Schach-Zeitschriften heraus (Deutsche Schachzeitung; Lasker's Chess Magazine).

Zwischen 1907 und 1910 verteidigt er seinen Titel als Weltmeister insgesamt sechsmal; hinzu kommen Schaukämpfe und Turniere. Von den Herausforderern und Veranstaltern verlangt er ein hohes Honorar, denn er muss seinen Lebensunterhalt davon bestreiten. 1911 heiratet er die verwitwete Schriftstellerin Martha Cohn; sie leben zusammen in Berlin, später auch auf einem Landsitz südlich Berlins.

Ein erneuter Wettkampf um den Weltmeistertitel wird durch den ersten Weltkrieg verhindert. Da Lasker als »deutscher Patriot« seine gesamten Ersparnisse in deutsche Kriegsanleihen investiert, steht er nach Kriegsende fast mittellos da. Dennoch ist er bereit, seinen Titel ohne Wettkampf an den kubanischen Herausforderer José Raúl Capablanca abzugeben. Veranstalter überreden ihn jedoch zu einem Wettkampf, der dann 1921 in Havanna stattfindet. Lasker leidet sehr unter dem Klima in der kubanischen Hauptstadt und gibt nach 14 gespielten Partien auf. 27 Jahre lang hat er nun den Titel eines Schach-Weltmeisters innegehabt – länger als alle Weltmeister, die noch folgen werden. In einem Turnier in New York besiegt er zwar noch einmal den neuen Weltmeister Capablanca, aber von da an beschäftigt er sich stärker mit anderen strategischen Spielen, vor allem mit Go und Bridge.

1933 sieht sich Lasker gezwungen, Deutschland zu verlassen; das nationalsozialistische Regime konfisziert sein gesamtes Vermögen. Erneut muss er durch Teilnahme an Schach-Turnieren und Demonstrationsveranstaltungen seinen Lebensunterhalt verdienen. Während eines Turniers in Moskau im Jahr 1936 wird dem 68-Jährigen eine Stelle als Mathematiker an der dortigen Akademie der Wissenschaften angeboten; sein »Arbeitgeber«, Nikolai Wassiljewitsch Krylenko, Volkskommisar für Justiz und selbst hochrangiger Schachspieler, erwartet von ihm jedoch, dass er sich weniger mit Mathematik beschäftigt als dass er sowjetische Schachspieler trainiert. Aber bereits ein Jahr später, als Krylenko im Rahmen der stalinistischen Säuberungsaktionen seiner Ämter enthoben und nach einem Schauprozess hingerichtet wird, muss Lasker zusammen mit seiner Frau erneut emigrieren. In New York angekommen, erkrankt Martha Lasker und stirbt kurze Zeit später. Auch Laskers gesundheitliche Verfassung wird zunehmend schlechter; bei einer Veranstaltung wird ihm schwindelig und er muss ins Krankenhaus eingeliefert werden. Er stirbt an Nierenversagen.

Zu Laskers Lebensleistungen gehören neben den o. a. mathematischen Schriften und zahlreichen Beiträgen zur Schach-Literatur (u. a. Lehrbuch des Schachspiels, How to play chess) auch philosophische Schriften (Struggle – Titel der deutschen Ausgabe: Kampf – sowie Die Philosophie des Unvollendbar und Das Begreifen der Welt), von denen er sich – vergeblich – einen größeren Nachruhm erhofft als von seinen Schach-Schriften. Außerdem beschäftigt er sich – über Go und Bridge hinaus – mit verschiedenen strategischen Spielen, entwickelt das Dame-Spiel weiter (das neue Spiel wird unter dem Namen Laska bekannt), veröffentlicht Schriften über Kartenspiele (Das verständige Kartenspiel) und andere Spiele (Brettspiele der Völker).

Zwar tragen heute einige Schachspiel-Eröffnungen den Namen Emanuel Laskers, er selbst aber hat es stets abgelehnt, das Gedächtnis mit dem Auswendig-Lernen von allzu vielen Spielzügen zu belasten. Immer wieder geben Spielgegner im Rückblick ihre Verwunderung zum Ausdruck, wie Lasker trotz einiger als ungünstig erscheinenden Spielzüge dennoch die Partie gewinnen konnte; andere sehen darin gerade seine strategische Überlegenheit, dass er Spielzüge wählte, mit denen der Gegner überhaupt nicht rechnete.

Emanuel Lasker (1868 – 1941)

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