Kompaktlexikon der Biologie: Mendel-Regeln
Mendel-Regeln, die nach G. Mendel benannten, allgemein gültigen Regeln über das Verhalten von Genen bei ihrer Vererbung, d.h. deren Weitergabe an die nächste Generation. Die um das Jahr 1847 begonnenen und in der 1866 veröffentlichten Arbeit Versuche über Pflanzenhybriden geschilderten Experimente und Ergebnisse blieben zu Mendels Zeit in ihrer Tragweite unbeachtet und wurden erst 1900 durch C. Correns in Tübingen, H. de Vries in Amsterdam und E. von Tschermak in Wien in ihrer Bedeutung erkannt und somit „wiederentdeckt“. Die Entdeckung der später nach ihm benannten Regeln war Mendel nur möglich, weil seine bei der Erbse Pisum sativum durchgeführten Experimente auf zwei wichtigen Grundlagen basierten: Mendel verwendete reine Linien mit sieben klar voneinander abgegrenzten Merkmalen ( vgl. Tab. ) und unterzog seine Ergebnisse einer mathematisch-statistischen Analyse. Durch Kreuzungen und Analyse der Nachkommen in der ersten und zweiten Filialgeneration konnte er seine Beobachtungen als bestimmte Regeln formulieren, mit denen sich die Kreuzungsergebnisse nicht nur erklären, sondern sogar voraussagen lassen. Zu diesem Zweck führte Mendel auch die Begriffe Dominanz und Rezessivität ein. Er erkannte zudem, dass während der Bildung der Geschlechtszellen eine Verteilung der Allele erfolgen muss. Mit der Chromosomentheorie der Vererbung wurde der Zusammenhang zwischen Mendels Merkmalen und den im Zellkern lokalisierten Chromosomen formuliert und mit den Begriffen Gen bzw. Genotyp das Pendant zum Phänotyp der Mendel'schen Merkmale geschaffen. Mendels Ergebnisse lassen sich als drei Regeln wiedergeben ( vgl. Abb. ), ( vgl. Abb. ):
1. Mendel-Regel, Uniformitätsregel, Reziprozitätsregel. Kreuzt man zwei homozygote (Homozygotie) Eltern, die sich in einem oder mehreren Allelen voneinander unterscheiden, so erhält man in der ersten Filialgeneration (F1) Nachkommen (Hybride, Bastarde), die in ihrem Aussehen identisch sind. Im Falle eines dominant-rezessiv vererbten Merkmals sehen alle Nachkommen so aus, wie der Elternteil, der Träger des dominanten Allels ist. Diese uniforme Merkmalsausprägung bleibt auch bei einer reziproken Kreuzung, d.h. beim Tausch des Geschlechts der Eltern erhalten. Die von Mendel untersuchten Merkmale folgten einem autosomalen Erbgang.
2. Mendel-Regel, Spaltungsregel. Kreuzt man die Nachkommen der F1-Generation untereinander, gehen aus dieser bei Pflanzen auch als Selbstung bezeichneten Kreuzung nicht mehr uniforme Nachkommen hervor, sondern sie spalten in einem bestimmten Zahlenverhältnis auf. Je nachdem, ob der Erbgang z.B. monohybrid oder dihybrid ist, kommt es zu unterschiedlichen Zahlenverhältnissen. Bei einem monohybriden, dominant-rezessiven Erbgang sind in der F2-Generation Nachkommen, die den dominanten Phänotyp des einen Elters und Nachkommen, die den rezessiven Phänotyp des anderen Elternteils aufweisen, im Verhältnis von 3:1 vorhanden. Bei einem monohybriden, intermediären Erbgang sieht die Situation anders aus: Hier spalten die Nachkommen zahlenmäßig im Verhältnis 1:2:1 (Phänotyp des einen Elters : Phänotyp der F1-Generation : Phänotyp des zweiten Elters) auf. Diese Spaltungsverhältnisse setzen jedoch voraus, dass eine ausreichend große Anzahl von Nachkommen vorhanden sind. Sie gelten auch nicht für den Fall der Rückkreuzung eines F1-Hybriden mit einem doppelt rezessiven Elter; hier treten unter den Nachkommen der so genannten Rückkreuzungsgeneration (Abk. R) die Phänotypen beider Eltern im Verhältnis 1:1 auf.
3. Mendel-Regel, Unabhängigkeitsregel, Regel von der freien Kombinierbarkeit. Bei di- und polyhybriden Erbgängen spalten die einzelnen Merkmale in der F2-Generation unabhängig voneinander auf und sind somit frei kombinierbar. Im klassischen Fall, in dem zwei Merkmale jeweils einem dominant-rezessiven Erbgang folgen, kommt es somit zu einer Aufspaltung im Verhältnis 9:3:3:1, bei der jeweils drei Nachkommen den Phänotyp des jeweiligen Elternteils, neun Nachkommen den der F1-Hybriden haben und es in einem Fall zu einer Neukombination kommt. Bei einem trihybriden dominant-rezessiven Erbgang bleibt die freie Kombinierbarkeit in derselben Weise bestehen, was sich im Auftreten der Phänotypen der F2-Generation bemerkbar macht: 27:9:9:9:3:3:3:1. Diese Erbgänge gelten nur, so lange bei den untersuchten Merkmalen keine Kopplung vorliegt.
Die M. – R. beziehen sich, wie bereits deutlich wurde, zunächst auf die Vererbung der auf den Nichtgeschlechtschromosomen (Autosomen) lokalisierten, nicht gekoppelten Gene. Für die Weitergabe von auf den Geschlechtschromosomen lokalisierten und gekoppelten Genen scheinen sie hingegen nicht zuzutreffen. Solche Fälle als „Ausnahmen der M. – R.“ zu bezeichnen ist jedoch nicht richtig, weil auch bei ihnen die Grundannahmen Mendels zutreffen, dass ein Wechsel zwischen Diploidie und Haploidie existieren muss und die Allele bei der Gametenbildung unabhängig voneinander verteilt werden. Durch Ergänzungen zu den M. – R., die z.B. die Art der Verteilung des genetischen Materials berücksichtigen, können diese Erbgänge in analoger Weise beschrieben werden. Neben der Geschlechtschromosomen-gebundenen Vererbung wurden die M. – R. durch die Beschreibung von Phänomenen wie z.B. unvollständige Dominanz, Kodominanz, Pleiotropie, multiple Allelie und Polygenie erweitert.
Mendel-Regeln: Schema für einen monohybriden, intermediären Erbgang am Beispiel der Gefiederfärbung bei Hühnern. Nach der 1. Mendel-Regel sind die Nachkommen der F1-Generation in ihrer Gefiederfärbung identisch; in der F2-Generation kommt es zu der nach der 2. Mendel-Regel zu erwartenden Aufspaltung von 1:2:1. Anhand der F3-Generation lässt sich die genetische Konstitution der F2-Generation voraussagen, wenn sich jeweils Tiere mit derselben Färbung kreuzen. Der jeweilige Genotyp ist in den Kästen angegeben, die Kombinationen der Gameten sind durch Verbindungslinien dargestellt. In der F2-Generation sind zur Übersichtlichkeit nur weibliche Tiere dargestellt
Mendel-Regeln: Beispiel für einen dihybriden, dominant-rezessiven Erbgang am Beispiel von Fellfarbe und Fellmuster bei Rindern. A steht für schwarz, a für braun, B für ungescheckt, b für gescheckt. Die Nachkommen der F1-Generation zeigen die Merkmale der dominanten Allele (1. Mendel-Regel), in der F2-Generation zeigt sich die typische Spaltung nach der 3. Mendel-Regel, weil die beiden Merkmale nicht gekoppelt vererbt werden
Mendel-Regeln: Die sieben von G. Mendel untersuchten Merkmale der Erbse
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