Lexikon der Neurowissenschaft: Bonobo
Bonobom [von einer Sprache Zentralafrikas], Zwergschimpanse, Pan paniscus, Ebonobo, pygmy chimpanzee, eine der insgesamt 4 heute unterschiedenen Arten der Menschenaffen. Die erste ausführliche Beschreibung von Verhaltensbeobachtungen zweier (damals noch für Schimpansen angesehener) Bonobos in Gefangenschaft stammt von dem amerikanischen Primatologen R.M. Yerkes aus dem Jahr 1925. Erst seit 1974 werden Bonobos auch in ihrer natürlichen Umgebung erforscht, und man spricht ihnen heute sogar eine Schlüsselstellung für das Verständnis der menschlichen Evolution zu. Die Körperproportionen des Bonobos, besonders seine relativ stämmigen und vergleichsweise langen Beine, erinnern stark an die der Australopithecinen. In der Bonobo-Gesellschaft nehmen die weiblichen Tiere eine zentrale (dominante) Stellung ein, die zudem auch durch enge nicht-verwandtschaftliche Weibchen-Weibchen-Beziehungen gekennzeichnet ist; Weibchen haben am häufigsten Kontakt untereinander, Männchen mehr mit dem anderen Geschlecht als mit dem eigenen. Von freilebenden Bonobos ist kein Werkzeuggebrauch bekannt – auch wenn sie in Gefangenschaft hierzu ohne weiteres in der Lage sind und verschiedene komplexe Aufgaben lösen können, ebenso keine systematische Jagd auf kleinere Affen, wie man es von Schimpansen kennt. Neue Feldforschungen und Beobachtungen an Bonobo-Gemeinschaften in Zoologischen Gärten schreiben dem Sexualverhalten der Bonobos eine besondere Bedeutung für das soziale Gefüge der Gruppe zu. In einem bisher bei keiner anderen Tierart beobachteten Ausmaß nimmt das Sexualverhalten bei Konflikten als Vermeidungsstrategie von Aggressionen eine zentrale Stellung ein. Nicht nur, daß die Bonobo-Weibchen fast ständig sexuell attraktiv, aktiv und somit interessant für Männchen sind, auch untereinander bezeugen sich die Weibchen ihre engen freundschaftlichen Bindungen durch das "Genito-Genital-Reiben" ("GG-Rubbing"; auffällig sind die nach vorn gerichteten Genitalien der Weibchen, die geschlechtliche Aktivitäten von Angesicht zu Angesicht erlauben) und setzen es auch ein, um auftretende Spannungen abzubauen. Die enge Beziehung zu gleichgeschlechtlichen Partnern und ursprünglich fremden Weibchen ermöglicht ihnen auch, sich gegen die körperlich stärkeren Männchen durchzusetzen. Konfliktsituationen, wie sie u.a. bei Fütterungen aufkommen, können aber auch zwischen den Geschlechtern oder zwischen zwei männlichen Tieren durch die versöhnliche Aktion des Genitalreibens oder dem "Penisflechten" (Aneinanderreiben der erigierenden Penisse) verhindert oder – nach erfolgter aggressiver Auseinandersetzung, z.B. nach ernsthaften Dominanzstreitigkeiten der Männchen – wieder bereinigt werden.
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