News: 'Mäuseschlank' durch Gentechnik
"Das Clonen des mahogany-Gens und die Identifikation des entsprechenden Proteins sind wichtige erste Schritte auf dem Weg zu einem besseren Verständnis ihrer Rollen, wenn bei einer Diät das Gewicht durch den Fettgehalt der Nahrung beeinflußt wird", sagte Dr. Karen Moore von Millennium. Aufgrund der großen Ähnlichkeit zwischen dem Metabolismus von Mäusen und Menschen erwarten die Wissenschaftler, daß das Gen bei Menschen eine ähnliche Rolle spielt.
Zur Lokalisierung des mg-Gens verwendeten Moore und ihre Kollegen das sogenannte positionale Klonen, bei dem Wissenschaftler sozusagen "rückwärts" arbeiten. Sie beginnen mit der Untersuchung eines spezifischen Krankheitsmerkmals und suchen dann nach dem dafür verantwortlichen genetischen Grund. In ihrer Studie wurde diese Technik zum ersten Mal zur Identifizierung eines Suppressorgens bei einer Maus eingesetzt.
Mäuse, die eine Mutation in ihrem mg-Gen aufweisen, halten ein gesundes Gewicht, egal ob sie – bei der gleichen Menge an Kalorien – Nahrung mit hohem Fettgehalt (42 Prozent) oder niedrigem Fettgehalt (9 Prozent) zu sich nehmen. Im Gegensatz dazu setzen Mäuse mit einem normalen mg-Gen bei einer Diät mit hohem Fettgehalt stark an. Dieses ernährungsbedingte Übergewicht unterscheidet sich von genetisch bedingten Formen, bei denen die Gewichtszunahme auch auftritt, wenn die Mäuse normale Nahrung zu sich nehmen. Genetisch bedingte Fettleibigkeit bei Mäusen wurde in Zusammenhang gebracht mit Mutationen in den Genen obese (ob), diabetes (db), tubby (tub), fat (fat) und agouti-yellow (Ay). Mäuse mit einer Mutation in ihrem mg-Gen können die genetisch bedingte Übergewichtigkeit bei agouti-yellow-Mäusen unterdrücken, nicht jedoch die von ob-, db-, tub- und fat-Mäusen.
Die Struktur des relativ großen MG-Proteins ist komplex. Es tritt vor allem in zwei Formen auf. Eine davon sitzt so in der Zellhülle, daß mehrere Abschnitte des Proteins aus der Zelle herausragen. Diese dienen als Rezeptoren für Peptide, durch deren Bindung verschiedene zelluläre Reaktionen ausgelöst werden. Ein kleiner Teil des Proteinendes ragt auch in das Innere der Zelle hinein und könnte so nach der Bindung von Peptiden interne Zellaktivitäten signalisieren. Des weiteren tritt das Protein auch in einer sekretierten Form auf. Dr. Moore und ihr Team erforschen nun mögliche Mechanismen des Proteins, wobei sie Hinweise aus seiner Struktur und seiner Zellbiologie benutzen.
Genetische und biologische Anzeichen deuten darauf hin, daß das MG-Molekül dazu dienen könnte, Antagonisten, welche die Funktion bestimmter gewichtsregulierender Melanocortin-Rezeptoren blockieren, zu sammeln und zu konzentrieren. Dadurch wird die Signalfunktion der Rezeptoren verstärkt, erklärt Moore. In agouti-yellow-Mäusen, wie sie in der Studie eingesetzt wurden, veranlaßt das agouti-Gen eine übermäßige Produktion seines entsprechenden Proteins. Dieses stellt einen derartigen Antagonisten dar, und blockiert also den Melanocortin-Rezeptor. Als Folge können die Mäuse fettleibig werden. Allerdings unterdrückt das durch Mutation entstandene mg-Gen diese Gewichtszunahme, so daß agouti-yellow-Mäuse ihr normales Gewicht behalten.
Möglicherweise verhindert das mg-Gen einen wirksamen Antagonismus durch das agouti-Genprodukt. Alternativ dazu schlagen die Wissenschaftler vor, daß das MG-Protein selbst ein signalgebender Rezeptor sein könnte. Sie wissen aber nicht, welche Funktion das MG-Protein in diesem Falle einnehmen könnte.
"Weil der gewünschte Effekt dann auftritt, wenn das mahogany-Gen defekt ist, sind wir optimistisch bezüglich der Verwendung des Proteins für die Entwicklung von Medikamenten gegen Übergewicht. ... es ist immer einfacher, die Genfunktion einzuschränken, als sie auszubauen", sagt Moore.
Da sich das Genom der Maus und des Menschen stark ähneln, hoffen die Wissenschaftler, das MG-Protein für Untersuchungen nutzen zu können, mit denen die Funktion und Wirksamkeit verschiedener Substanzen gegen Übergewicht bei Menschen getestet werden. "Die Verwendung des MG-Proteins als Ziel bietet uns eine hervorragende Möglichkeit, die Entwicklung eines kleines Moleküls voranzutreiben, das sich an einen Rezeptor anlagern und die Funktion des Proteins beeinflussen könnte. Bei einem erfolgreichen Verlauf könnte ein solches Molekül die Basis eines Medikamentes gegen Fettleibigkeit werden", sagte Robert Tepper, Wissenschaftler bei Millennium.
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 31.8.1998
"Das Immunsystem aushungern"
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