News: Kometenschauer beschleunigen Evolution
Richard Muller vom UC Berkeley war der Ansicht, dass die benötigten Daten in jeder beliebigen Bodenprobe von der Mondoberfläche in Form von mikroskopisch kleinen Kügelchen enthalten sind: Diese entstehen wenn durch den Aufprall von Kometen der Basalt des Untergrundes schmilzt und wegspritzt, wo er dann kleine Tröpfchen bildet und aushärtet. Anhand dieser Partikel kann das Alter der Krater und somit der Zeitpunkt der Einschläge ermittelt werden.
In einem Gramm Oberflächenmaterial, das die Apollo 14 Besatzung 1971 nahe dem Mare Imbrium sammelte, fanden die Forscher 155 solcher Kügelchen. Deren Alter bestimmten sie mit einer hoch empfindlichen Methode, indem sie das Verhältnis von Argon-40 zu Argon-39 durch Neutronenbestrahlung und anschließender Massenspektroskopie ermittelten. Die Größe der Kügelchen variierte zwischen 100 und 250 Mikronmeter. Eine statistische und chemische Analyse ergab, dass sie von etwa 146 verschieden Einschlägen stammen. "Obwohl wir nicht wissen, von welchem Krater jedes einzelne Kügelchen kommt, spiegelt ihre Altersverteilung vermutlich die Altersverteilung der Mondkrater wider", erläutert Muller.
Die von den Wissenschaftlern gewonnen Daten zeigen, dass die Einschlagshäufigkeit vor 400 Millionen Jahren plötzlich erheblich anstieg, nachdem sie zuvor für etwa drei Milliarden Jahre beständig abgenommen hatte. Diese unerwartete Zunahme ereignete sich erstaunlicherweise in einer Zeitspanne, in der das Leben auf der Erde geradezu "explodierte": Eine unglaublichen Anzahl und Vielfalt neuer Arten entstand. "Obwohl die meisten Menschen annehmen, dass Einschläge Tod und Vernichtung mit sich bringen, könnte es aber auch sein, dass der durch die Kometenschauer verursachte Stress das Leben dazu gezwungen hat, flexibler und vielfältiger zu werden", meint Muller.
Die Tatsache, dass die Zeugnisse ersten Lebens auf der Erde mit der Abnahme der Einschlagshäufigkeit vor etwa 3,5 Milliarden Jahren zusammenfällt, lässt vermuten, dass "das Leben auf der Erde viele Male begann, aber die Kometenschauer vor drei oder vier Milliarden Jahren aufhörten, es auszulöschen", glaubt der Geologe Paul Renne.
Die Ergebnisse der Wissenschaftler lassen nicht nur Rückschlüsse auf die Evolution, sondern auch auf unser Sonnensystem zu, sagt Muller. Seiner Ansicht nach ist die Abnahme der Einschläge auf die "Reinigung" des Sonnensystems durch Jupiter, unsere Sonne und vorbeiziehende Sterne zurückzuführen, wogegen die Zunahme des Bombardements schwieriger zu erklären ist. Muller vermutet, dass der Anstieg der Kometeneinschläge einen indirekten Hinweis auf die Existenz eines Begleitsterns unserer Sonne – Nemesis – darstellen könnte. "Die Zunahme könnte von einer Veränderung in der Umlaufbahn von Nemesis herrühren", sagt er. "Wenn ein vorbeiziehender Stern ihn aus seinem gewohnten Weg in eine lang gestreckte Umlaufbahn gebracht hätte, könnte dies den Anstieg der Einschlagshäufigkeit erklären."
Siehe auch
- Spektrum Ticker vom 15.9.1999
"Fliegende Trümmerhaufen"
(nur für Ticker-Abonnenten zugänglich) - Spektrum der Wissenschaft 9/94, Seite 18
"Der große Kometen-Crash"
(nur für Heft-Abonnenten online zugänglich)
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