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News: Verdaute Geschichte

Exkremente aus Höhlen sind wahre Bibliotheken über das frühere Leben von Menschen und Tieren. Nachdem es Forschern vor wenigen Jahren gelang, die DNA aus den zuckerhaltigen Verbindungen der Ausscheidungen zu befreien und so für Analysen zugänglich zu machen, beginnen sie nun, die Speisepläne der Frühzeit zu rekonstruieren. In einer Höhle in Texas wiesen die Archäologen aus 500 bis 8 000 Jahre alten Exkrementen verschiedene Pflanzenarten, aber auch Mäuse, Ratten und Schafe im Nahrungsspektrum der frühen Menschen nach.
Höhlen boten den Menschen früher ideale Schutz- und Wohnräume, in denen sie sich auch den Resten ihrer Mahlzeiten entledigten. Das trocken-kühle Klima konservierte die in den Fäzes enthaltene DNA, sodass Wissenschaftler noch heute auf die Mahlzeiten der einstigen Jäger und Sammler schließen können. Bis vor etwa zwei Jahren war die Spurensuche in den Palaeofäzes aber eher frustrierend. Denn die in den Exkrementen enthaltene DNA früherer Speisen war zwischen zuckerreichen Verbindungen regelrecht gefangen, sodass die Wissenschaftler sie nicht für ihre Nachweise vervielfältigen konnten. Dann kamen Hendrik Poinar und Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig auf eine bahnbrechende Idee, welche die Detektivarbeit an den prähistorischen Exkremeten revolutionierte. Es gelang ihnen, mit N-phenacylthiazolium-Bromid (PTB) die zwischen den Zuckerbindungen gefangene DNA in 20 000 Jahre altem Kot von bodenbewohnenden Faultieren zu befreien und so einer Vervielfältigung zugänglich zu machen.

Angespornt durch Kristin Sobolik von der University of Maine untersuchten die Wissenschaftler nun Verdauungsreste unserer menschlichen Vorfahren in der Hinds Cave, einem gut untersuchten Felsentor im Gebiet des Unterlaufs des Pecos in Texas. Archäologen sammelten hier bereits Tausende der Hinterlassenschaften, die zwischen 500 und 8 500 Jahre alt sind. Aber nur wenige von ihnen wurden bisher untersucht. Die Wissenschaftler setzten wiederum die bereits bewährte PTB-Methode ein, um in den Fäzes DNA aus Chloroplasten zu vervielfältigen, welche die Verdauung unversehrt überstanden hatten. Anschließend verglichen sie die gefundenen Sequenzen mit denjenigen von rezenten Pflanzen. Ihre DNA-Analyse ermöglichte den Forschern so, einen Einblick auf den vegetarischen Teil des Speiseplans der frühen Menschen zu ergattern, der sonst verborgen geblieben wären – denn selbst mit dem Mikroskop konnte Sobolik keine dieser Pflanzenarten nachweisen. Die Forscher fanden DNA-Sequenzen, die auf Sanddorn, Eicheln, Sonnenblumen, einer bestimmten Kaktus-Art (Ocotillo) und einem Nachtschattengewächs – vermutlich wildem Tabak – schließen lassen. Außerdem enthielten die vorzeitlichen Ausscheidungen weitere Hinweise auf die Nahrung der frühen Menschen. Die Archäologen sichteten Knochen von Ratten und Mäusen sowie Fischschuppen. Aber auch weitere DNA-Sequenzen, die auf Schaffleisch hinweisen, was die Forscher wunderte, da in der Hinds Cave bisher keine Schafknochen gefunden wurden. Poinar vermutet daher, dass großes Wild an anderen Plätzen getötet und verspeist wurde.

"Das ist wirklich hübsch", meint Karl Reinhard von der University of Nebraska. "Dies wird unsere Möglichkeiten erweitern, das gesamte Nahrungsspektrum und den Gebrauch der natürlichen Ressourcen zu identifizieren". Als nächstes Ziel wollen die Forscher den Speiseplan über eine Zeitspanne von 8 000 Jahren zurückverfolgen, indem sie den Kot aus verschiedenen Jahrtausenden untersuchen. Aus den Ergebnissen erhoffen sich die Forscher dann beispielsweise Aufschlüsse darüber, ob die Häufigkeit von Großwild schwankte.

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