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News: Zwischen Kern und Mantel gerät die Welt ins Wanken

Nur 2 900 Kilometer unter unseren Füßen ist die Erde viel geheimnisvoller als die Gesteine auf Mars und Mond. Die Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern wird vielleicht immer unsichtbar bleiben und nur auf den Monitoren der Geophysiker erscheint der eine oder andere Hinweis. Neuesten Erkenntnissen zufolge kommt es im flüssigen äußeren Kern demnach offenbar zum Aufstieg von Sedimenten, die sich an der Grenze zum Erdmantel anreichern und hier sogar die Kreiselbewegung der Erdachse beeinflussen.
Wenn es um die Erforschung von Planeten geht, muss man sich rasch an gigantische Dimensionen gewöhnen – und dass die Dinge in nur 2 900 Kilometern Entfernung noch völlig rätselhaft sind. Die Rede ist vom Erdinneren, oder genauer, von der Grenze zwischen Erdmantel und Erdkern. Wissenschaftler können nur davon träumen, sie jemals durch Bohrungen zu erkunden, ihren Eigenschaften wird man wohl immer nur indirekt auf die Spur kommen können. Schon lange spekulieren Wissenschaftler über die Natur dieser Grenze, die zumindest in Teilen flüssig sein muss. Das ergibt sich aus der raschen Abnahme der seismischen Geschwindigkeiten an dieser rund 40 Kilometer mächtigen Basis des Erdmantels. Jetzt warten Bruce Buffett vom Department of Earth and Ocean Sciences der University of British Columbia in Vancouver und seine Mitarbeiter mit einer neuen Theorie auf, die nicht nur die Geschwindigkeitsabnahme sondern auch das Schwanken der Erdachse erklärt.

Vor rund zehn Jahren versuchte Buffett schon, den Regelmäßigkeiten der Erdachsen-Nutation auf die Spur zu kommen. Sie ist Ausdruck der so genannten Präzession – des Hin- und Herschwankens der Erde während ihrer Kreiselbewegung um die Achse der Ekliptik. Bei einem Kreisel ist dies dann zu beobachten, wenn er eine leichte Unwucht aufweist und die Achse eine mehr oder wenig zitterige Kreisbahn zieht. Aus der Größenordnung der jährlichen Nutation schloss der Geophysiker, dass sich an der Kern-Mantel-Grenze eine dünne Schicht unbekannten Materials befinden müsse, in der das Magnetfeld im flüssigen äußeren Kern bis in den Mantel vordringen kann. Die Gravitation von Mond und Sonne würde die Erde hier aus dem Gleichgewicht bringen, genauso als berührte man einen schnell laufenden Kreisel mit dem Finger. "Der Zusammenhang mit der Nutation wird immer deutlicher", meint Buffett. Es scheint also immer sicherer, dass Mantel und Kern magnetisch miteinander in Verbindung stehen.

Buffett und seine Mitarbeiter haben auch schon eine Vorstellung, wie dies geschehen könnte. Als sich der flüssige äußere Kern abkühlte, schied sich reines Eisen ab, aus dem sich schließlich der feste innere Kern bildete. Gleichzeitig kristallisieren aber auch unreine Verbindungen geringerer Dichte, die nun nicht zum Erdmittelpunkt absinken, sondern in Richtung des darüberliegenden Erdmantels streben. An der Grenze kommt es zu einer unregelmäßigen Anreicherung dieser "Sedimente", in deren Poren sich immer noch flüssiges Eisen befindet. Alles in allem kann so eine Schicht mit einer ausreichend großen Leitfähigkeit entstehen, um die Erdachse taumeln zu lassen. Andererseits würden die flüssigen Porenfüllungen die extrem niedrigen Geschwindigkeiten seismischer Wellen begründen (Science vom 17. November 2000).

Noch sind viele Kollegen skeptisch. So weist David Stevenson von der Division of Geological and Planetary Sciences des California Institute of Technology in Pasadena darauf hin, dass man immer noch sehr wenig über die Materialeigenschaften unter diesen extremen Druck- und Temperaturverhältnissen weiß. Doch wenn sich Buffetts Theorie dereinst als wahr herausstellt, wird man den Schalenbau der Erde aus Kruste, Mantel, äußerem und innerem Kern wohl um eine weitere Schicht bereichern müssen.

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