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News: Europas Klima importiert aus Südamerika?

Auf seiner Reise über die Weltmeere hat das Bohr- und Forschungsschiff Joides Resolution Halt in der Karibik gemacht und einen 170 Meter langen Bohrkern aus dem Boden gezogen. Wissenschaftler haben die oberen 36 Meter bereits untersucht. Erstaunlich war für die Forscher, welche besondere Bedeutung das karibische Küstenmeer vor Venezuela für die Klimaentwicklung hat - selbst für uns Europäer.
Für Wissenschaftler, welche die Klimageschichte unseres Planeten nachzeichnen, ist das Cariaco-Becken vor der Küste Venezuelas erste Wahl. Die in diesen Teil der Karibik mündenden Flüsse spülen so viel Sediment ins Meer, dass der Ozeanboden pro Jahrtausend um bis zu einen Meter anwächst. Normal sind Werte zwischen einem und drei Zentimetern. Kein Wunder also, dass die Joides Resolution, das Bohrschiff des internationalen Ocean Drilling Program (ODP) hier vor einiger Zeit Station machte. Denn es gilt: Je höher die Ablagerungsrate, desto zeitgenauer lässt sich die Klimaentwicklung der jüngsten Erdgeschichte verfolgen.

Ursula Röhl von der Universität Bremen und ihre Kollegen untersuchten die obersten 36 Meter eines 170 Meter langen Sedimentkerns, der inzwischen im Bremer ODP-Kernlager aufbewahrt wird. Der grünlich-braune Schlamm aus knapp 900 Metern Wassertiefe verrät, wie Golf- und Nordatlantikstrom im Laufe der letzten 90 000 Jahre von eiszeitlichen Klimaprozessen in karibischen Breiten beeinflusst wurden (Science vom 8. Dezember 2000). "In milderen Eiszeitphasen regnete es im nördlichen Südamerika relativ viel. Ein Teil der über der Karibik aufsteigenden Wolken driftete über die Panama-Landenge in den Pazifik und regnete dort ab", sagt Röhl.

Das hatte weit reichende Folgen: Weil dem Atlantik Wasser entzogen wurde, stieg dessen Salzgehalt an. Via Golfstrom gelangte das salzhaltige und daher relativ "schwere" Karibikwasser in den Nordatlantik, wo es in die Tiefen des Nordatlantiks absank. Diese Tiefenwasserbildung war aber von entscheidender Bedeutung für das Klima hierzulande, denn das absinkende Wasser hielt die Wärmepumpe Golfstrom in Schwung.

In den kühleren Abschnitten der letzten Eiszeit verschob sich das karibische Niederschlagsgebiet allerdings in Richtung Süden. Die Wolken regneten sich nun an den Gebirgshängen der Anden und nicht mehr über dem Pazifik ab. Über die Flüsse gelangte das Süßwasser zurück in den Atlantik. Im Vergleich zur milderen Klimaepoche nahm dessen Salzgehalt ab. Folglich war auch das Golfstromwasser jetzt weniger salzig und daher leichter als zuvor. Im Nordatlantik angekommen, konnte es nicht mehr so gut absinken – die Tiefenwasserpumpe geriet ins Stocken. Das Fazit für Europa lautete: weniger Golfstromwasser und damit sinkende Temperaturen.

"Es scheint also, als sei das Wetter- und Klimageschehen im tropischen Südamerika für die Klimaentwicklung auf der Nordhalbkugel insgesamt von ganz besonderer Bedeutung", bilanziert Röhl. "So gesehen stellt das relativ kleinräumige Cariaco-Becken für uns eine Schlüsselstelle des ozeanischen Klimaarchivs dar, an dem wir diese langfristigen Prozesse aufklären können."

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