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Grams' Sprechstunde: Auch bei Angst zum Arzt

Angst ist ein schlechter Ratgeber - und bei Krankheiten ein ganz besonders schlechter. Denn wenn sie uns vom Arztbesuch abhält, wird es fast immer schlimmer statt besser.
Brustuntersuchung

Neulich sprach mich eine Nachbarin ganz leise und ein bisschen verstohlen an, sie habe da diesen Knoten in der Brust getastet, der sei ganz neu, und ich sei ja Ärztin, ob ich nicht mal einen Blick drauf werfen könnte? Weil »zum Arzt gehen mag ich nicht, nachher stellt der noch was Böses fest«, flüsterte sie mir zu. Kurz bin ich irritiert, habe das allerdings auch schon so oft zu hören bekommen, dass es mich nicht wirklich wundert. Viele Menschen haben Angst vor dem Arztbesuch. In diesem Fall nicht etwa, weil das Wartezimmer zu voll oder die Ärztin zu unfreundlich und kurz angebunden sein könnte, sondern weil man echt krank sein könnte.

Zum Arzt geht man nur, wenn man was hat – zum Heilpraktiker, wenn einem was fehlt, sagte der Comedy-Arzt Eckart von Hirschhausen einmal so treffend. Nur, was ist, wenn man wirklich »was hat«? Wenn da wirklich plötzlich ein kleiner, tastbarer Knoten ist, der vorher sicher noch nicht da war, oder man deutlich merkt, dass ein Symptom sich zu hartnäckig hält, als dass man es länger getrost ignorieren kann, plötzlich heftige Schmerzen auftauchen, die einem zeigen: Da stimmt jetzt wirklich etwas nicht mit mir.

Meist – und total verständlich – macht das erst einmal Angst. Und Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber, bei Krankheiten ein ganz besonders schlechter. Wir denken mit Schrecken: Wenn es wirklich etwas Schlimmes ist, wenn es vielleicht Krebs ist oder ein Bandscheibenvorfall? Muss ich dann operiert werden? Muss ich vielleicht sogar bald sterben? Manchmal sind es auch banalere Ängste. Wie kriege ich jetzt einen Termin beim Facharzt? Bekomme ich dafür von der Arbeit frei? Überhaupt, was wird mein Chef, meine Frau sagen?

Doch wir sollten in dieser Angst bedenken: Was auch immer »es« ist – und zu Glück ist es dann ja meist nichts so Schlimmes wie befürchtet –, Kriterium Nummer eins bei praktisch allen Krankheiten ist die möglichst frühe Diagnose und Therapie. Je früher eine Krankheit richtig erkannt und benannt wird, umso schneller kann eine Therapie eingeleitet werden und umso häufiger gelingt es, eine Krankheit gänzlich oder möglichst unbeschadet zu überstehen. Viele Krebsarten lassen sich recht gut behandeln, wenn sie noch sehr klein sind, noch möglichst wenig in benachbartes Gewebe eingewachsen sind oder gar in den Körper gestreut haben. Hält man Schmerzen zu lange unbehandelt aus, kann der Körper eine Art Schmerzgedächtnis entwickeln und die Schmerzen sind viel schwieriger wieder loszuwerden. Und klar, auch eine Magenschleimhautentzündung wird nicht besser, wenn man sie verdrängt und mit Kaffee füttert, bis sie sich durch ein Magengeschwür den Ausgang selbst sucht.

Also würde man doch meinen, es sei ganz einfach: Beschwerden haben, die einem komisch vorkommen? Ab zum Doc! Aber viele fürchten sich und hoffen, durch Ignorieren würde es besser. Manche Krankheiten spürt man auch gar nicht; so wird zwar kräftig für das Darmkrebsscreening geworben, so richtig gern geht aber keiner hin. Könnte ja was sein. Ist vielleicht schon da. Aber eines ist sicher: Geht, wenn es da ist, durch Verdrängen, Vergessen und Verschieben nicht weg. Also bitte, geben Sie sich einen Ruck und als Partner Ihrem Partner einen Schubs! Ärzte sind dafür da, Ihnen zu helfen, wenn Sie was haben. Das ist ihr Job. Nicht immer helfen sie so, wie wir uns das wünschen, und manchmal gibt es auch keine Hilfe. Manchmal erzählen sie sogar Quatsch, aber noch größerer Quatsch wäre es, gar nicht erst hinzugehen (oder bei einem Arzt zu bleiben, der einem nicht hilft).

Meine Nachbarin hat ihre Angst zum Glück überwunden. Sie ist hingegangen, hat sich ihrer Hausärztin anvertraut und die hat sie weiter zur Frauenärztin geschickt. Gehabt hat sie nichts, aber bekommen ganz viel: ihre Zuversicht zurück und das gute Gefühl, dass manchmal die beste Medizin aus »nur gucken« besteht. Und wenn doch mal was sein sollte, hat sich wahrscheinlich auch durch diese Geschichte die Bereitschaft erhöht, sich ohne zu zögern dem Arzt oder der Ärztin anzuvertrauen.

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