Direkt zum Inhalt

Geoengineering: Der Irrweg der Klimamanipulation

Ein künstlicher Sonnenschirm aus Schwefelteilchen ist machbar und könnte die Erde kühlen. Doch der Eingriff ist höchst riskant und darf keine Option für die Zukunft sein, meint Daniel Lingenhöhl.
Daniel Lingenhöhl

Ungerührt pustet die Weltgemeinschaft weiter Kohlendioxid in den Himmel. Erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen 1958 überschritt im letzten Jahr die Konzentration des Treibhausgases den Wert von 400 ppm (parts per million) am hawaiianischen Vulkan Mauna Loa. Und allen Bemühungen der Staaten zum Trotz stehen die Zeichen auf weitere Zunahme: Zwar stiegen die Emissionen im Jahr 2012 – dem letzten, für das aktuelle Zahlen vorliegen – nicht so stark wie befürchtet, was für eine Entkoppelung von Wirtschaftswachstum und CO2-Ausstoß spricht. Doch insgesamt nimmt der Kohlendioxidgehalt in der Luft selbst in Krisenzeiten weiter zu. Kein so genanntes Klimaschutzabkommen konnte dies bislang auch nur ansatzweise verhindern.

Das hat natürlich Folgen für den Planeten, auch wenn seit einigen Jahren die weltweite Mitteltemperatur auf relativ hohem Niveau verharrt und aus noch unbekannten Gründen nicht parallel zur Kohlendioxidkonzentration zulegt: Die Arktis beispielsweise erwärmt sich ungerührt weiter, und die Meere versauern stetig. Die Erwärmungspause kann aber natürlich jederzeit enden, und der Klimawandel sich deshalb wieder beschleunigen. Und so verschwinden auch Ideen zur Eindämmung der Erderwärmung nicht – allen voran der künstliche Sonnenschirm am Himmel, mit dem man technisch große Mengen an Schwefelteilchen ausbringt: Wie ein Grauschleier sollen sie sich in der Atmosphäre um die Erde legen und so die Sonneneinstrahlung teilweise abblocken – die Temperaturen würden eingehegt, so die Überlegungen.

Ausbruch des Pinatubo 1991 | Vulkanausbrüche schleudern enorm viel Asche und Schwefelsäure in die Atmosphäre und verdunkeln den Himmel. Häufig kühlt sich der Planet in der Folge zeitweilig ab, bis der Schmutz wieder ausgewaschen ist.

Als Vorbild für dieses Verfahren dienen große Vulkanausbrüche wie der des philippinischen Pinatubo 1991, dessen Asche- und Schwefelfracht im Jahr darauf die weltweite Mitteltemperatur um 0,5 Grad Celsius gesenkt hatte. Längst gibt es Studien, die zeigen, dass ein derartiges Verfahren technisch und finanziell machbar wäre. Und immerhin geht der Vorschlag auch auf Paul Crutzen, einen der Entdecker des Ozonlochs und Nobelpreisträger der Chemie, zurück.

Doch diese Idee ist ein Irrweg – auch das zeigt die Forschung. Kelly McCusker von der University of Washington und ihr Team beispielsweise warnen davor, den Schwefelschirm aufzuspannen, wenn man nicht gleichzeitig dennoch den CO2-Ausstoß reduziert. Andernfalls müsste man diese Art des Geoengineerings dauerhaft betreiben, so die Forscherinnen in ihrer neuen Veröffentlichung: Sobald man den Schwefelschirm nicht mehr künstlich aufrechterhält und die Sonne wieder ungehindert strahlen kann, machen die Temperaturen in kurzer Zeit einen Satz nach vorne. So ließe sich die Erwärmung mit Hilfe des Sonnenschirms auf ein Grad Celsius begrenzen, nach seinem Zusammenbruch schössen die Werte aber innerhalb weniger Jahrzehnte um vier Grad Celsius in die Höhe. Dem Planeten würde also rasch eingeheizt, wobei die Folgen wohl am drastischsten in tropischen Regionen wie Teilen Afrikas und Südasien ausfallen – mithin Regionen, die bereits heute unter Wetterkapriolen und damit verbundenen Ernteausfällen leiden. Ebenfalls nicht kalkulierbar sind die Folgen für den Wasserkreislauf und damit für die Niederschlagsverteilung: Dürren oder Überflutungen blieben weiterhin Risikofaktoren für die Bevölkerung, und ihre Entstehung wird noch unkalkulierbarer als gegenwärtig, weil man kaum voraussehen kann, wie das manipulierte Klima regional durchschlägt. Und letztlich spielen sogar ethische und ästhetische Fragen eine Rolle – etwa dass der Himmel nicht mehr blau wäre.

Momentan herrscht faktisch ein Moratorium bezüglich des Geoengineerings: 2010 hatten sich Vertragsstaaten der Biodiversitätskonferenz darauf verständigt, Geoengineering nicht einzusetzen, "bis eine gesicherte wissenschaftliche Basis besteht, die derartige Aktivitäten rechtfertigt und die damit verbundenen Risiken ausreichend berücksichtigt". Und auch der Weltklimarat IPCC empfiehlt gegenwärtig diese Methoden nicht, um den Klimawandel einzudämmen. Doch vom Tisch sind diese Techniken damit noch lange nicht – auch die Forschung daran darf vorerst weiterlaufen (was prinzipiell nicht verkehrt ist, um überhaupt die Risiken zu erkennen). Spätestens wenn die Erwärmungspause endet und die Temperaturkurve erneut nach oben zeigt, kommen die Diskussionen dazu wieder verstärkt auf.

Von den vielen Methoden, die Erderwärmung technisch in den Griff bekommen zu wollen, erscheint die des Schwefelschirms jedoch als eine der heikelsten. Ihr Einsatz birgt die größten Risiken. Und deshalb sollten die Vereinten Nationen sie bereits jetzt international bannen – bevor tatsächlich ein Staat voreilig aktiv wird.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.