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Lobes Digitalfabrik: Der (Wahl-)Kampf ums Handy

Social Media war 2016. Im Fokus der Materialschlacht, die Trumps Wiederwahl sichern soll, steht das persönlichste aller Geräte: das Smartphone.
Kapitol in Washington

Die US-Präsidentschaftswahl wirft ihre Schatten voraus. Amtsinhaber Donald Trump, auch als Präsident permanent im Wahlkampfmodus, bringt seine Bataillone in Stellung und versuchte Zeugenaussagen zufolge den aussichtsreichen Konkurrenten der Demokraten, Joe Biden, mit einer Korruptionskampagne zu diskreditieren. Es sieht ganz danach aus, als würde der kommende Wahlkampf mindestens genauso schmutzig werden wie der vorige – dabei allerdings noch um eine Stufe technisierter.

So schrieb der US-Journalist Thomas B. Edsall kürzlich in einem Leitartikel für die »New York Times«, Trump sei im Begriff, den »Onlinekrieg« für sich zu entscheiden. Unter der Ägide von Wahlkampfmanager Brad Parscale habe das Trump-Team ausgefeilte Microtargeting-Techniken entwickelt. Seit 2016 tüftele das Wahlkampfteam an neuen elektronischen Kommunikationsverfahren, um Wähler zu identifizieren, ihnen gezielt Wahlbotschaften zukommen zu lassen und die Wirksamkeit dieser Nachrichten zu testen.

Dass sich der Wahlkampf zusehends in die Onlinewelt verlagert, ist keine neue Erkenntnis. Im Zuge des Datenskandals um Cambridge Analytica wurde bekannt, dass die Analysefirma illegal Daten von 87 Millionen Facebook-Nutzern abgegriffen hat, die sie der Trump-Kampagne zugespielt haben soll. Überraschend ist, dass diese Praktiken der heimlichen Datenerhebung offenbar munter weitergehen.

Leitartikler Edsall stützt seine These auf Erkenntnisse des US-Gewerkschaftsvorsitzenden Michael Podhorzer, der behauptet, Trumps Wahlkampfteam würde massiv Smartphonedaten abgreifen. Dreh- und Angelpunkt seien so genannte Mobile Advertising IDs, kurz MAIDs, eine Werbekennung, die die meisten Smartphones besitzen. Installiert man eine werbefinanzierte App, sendete diese die im Telefon eingetragene Werbe-ID, eine simple Zeichenfolge, an ihren Werbedienstleister, der sie wiederum mit einer Datenbank abgleicht. Ist dort ein Profil hinterlegt, das beispielsweise verrät, dass der Nutzer männlich und Fußballfan ist, sieht er in der App womöglich Bierwerbung. Der Werbefachmann Tom Laband hat MAID einmal als »Supercookie« bezeichnet.

Vor allem Wechselwähler sind Ziel der Big-Data-Methoden

Durch die Verknüpfung der Werbe-ID mit Webaktivitäten könnten Wahlkampfteams herausfinden, wo sich der Smartphone-Nutzer aufhält, welche Webseiten er besucht, in welchen Geschäften er eincheckt, welche Interessen er hat – und detaillierte Psychogramme potenzieller Wähler erstellen. Auf dieser Grundlage könnten diese Wähler dann über subtile Werbung, etwa SMS, oder (weniger subtil) mit Anrufen angesprochen werden – und zwar ganz legal.

Denn die Datenschutzbestimmungen in den USA sind deutlich laxer als in Europa, wo durch die E-Privacy-Richtlinie die Cookie-Nutzung erheblich eingeschränkt ist. So erhalten in den Vereinigten Staaten die Parteien regelmäßig Updates der Wählerverzeichnisse, die nicht nur Namen und Adressen enthalten, sondern auch Details über die Kreditkartennutzung, über Zeitungsabos, Kirchenmitgliedschaft oder Jagdscheinbesitz. Man kann also mit etwas gesundem Menschenverstand und analogen Methoden herausfinden, wer die Demokraten oder Republikaner wählt. Eine Frau mit Wohnsitz in Manhattan, die den »New Yorker« abonniert hat, wird mit großer Wahrscheinlichkeit für die Demokraten stimmen. Ein älterer Mann mit Wohnsitz in Utah, der einen Jagdschein hat und Mitglied in einer Mormonengemeinde ist, wird dagegen sein Kreuz bei den Republikanern machen. Bei den Wechselwählern der Swing States, die mal von den Demokraten, mal von den Republikanern erobert werden, geht diese Rechnung aber nicht auf. Genau in diese Unsicherheitszone wollen die Wahlkampfteams mit Big-Data-Methoden vordringen.

Eine zentrale Rolle könnten dabei auch so genannte Beacons spielen, Minisender, die schwache Bluetooth-Signale an Smartphones senden. Hat der Benutzer eine App der Trump-Kampagne installiert, kann er mit Hilfe dieser Beacons identifiziert werden. So lassen sich beispielsweise alle Teilnehmer einer Wahlkampfveranstaltung ansprechen, möglich wäre es aber auch, sämtlichen Besuchern einer Waffenmesse maßgeschneiderte Botschaften zukommen zu lassen. Ein aktiver Beacon am Wahltag würde es zudem erlauben, allen Trump-App-Besitzern im Umkreis den Weg zu ihrem Wahllokal zu weisen. Das Interessante daran ist, dass die Trump-Kampagne offenbar nicht wie zuletzt über soziale Netzwerke und dubiose Datenbroker an potenzielle Wähler gelangen will, sondern direkt über deren Hardware. Datenschützer befürchten, dass Trump seine Wiederwahl über ein groß angelegtes Smartphone-Tracking sichern will.

Wobei die Erhebung und Auswertung von Wählerdaten kein neues Phänomen ist. Als der Republikaner und spätere Präsidentschaftsbewerber Mitt Romney 2002 erstmals für das Amt des Gouverneurs in Massachusetts kandidierte, griff sein Wahlkampfteam auf die Hilfe der Beratungsfirma TargetPoint zurück, die Konsumentendaten von Handelsketten mit Daten aus Wählerverzeichnissen verknüpfte und daraus Vorhersagemodelle erstellte.

Der CEO von TargetPoint, Alexander Gage, der als Pionier der Datenanalyse gilt, prägte den Begriff des Microtargetings. Solche Techniken gab es also schon lange vor Facebook. Die Obama-Kampagne nutzte 2012 bei dessen Wiederwahl Big-Data-Methoden und heuerte sogar den damaligen Google-Chef Eric Schmidt als Berater an (seltsamerweise wurden damals keine Manipulationsvorwürfe in der Öffentlichkeit erhoben). Der nächste US-Präsidentschaftswahlkampf könnte abermals zu einer digitalen Materialschlacht werden – und auch diesmal könnte Trump seine technologische Überlegenheit ausspielen.

Als weiterer Hebel taugen womöglich Smart-TV-Daten, die mit anderen Daten verknüpft und zu politischen Zwecken ausgewertet werden. Wer zum Beispiel häufig Fox News schaut und regelmäßig Trump googelt, könnte Wahlwerbespots der Republikaner sehen. Du bist, was du schaust! Zahlreiche Smart-TV-Hersteller tracken das Sehverhalten ihrer Kunden und leiten Nutzungsdaten auch an Drittparteien wie Google oder Netflix weiter. Der Elektronikkonzern Vizio musste 2015 eine Strafe von 2,2 Millionen Dollar bezahlen, weil er über die Geräte gesammelte Kundendaten an Werbeanbieter verkaufte. Der nächste Datenskandal lässt wohl nicht lange auf sich warten.

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