Springers Einwürfe: Die Erblast des Klimawandels
Die agitatorische Wucht der Schülerproteste im Rahmen der Initiative »Fridays for Future« resultiert aus einem moralischen Vorwurf. Es ist demnach ungerecht, kommenden Generationen ein schlechteres Leben zuzumuten. Eltern sollten dafür sorgen, dass es ihren Kindern mindestens so gut, wenn nicht besser als ihnen selbst geht. Wenn sie dies unterlassen, machen sie sich schuldig.
Ursprünglich kam das Argument der Generationengerechtigkeit in Wirtschaftsdebatten auf: Es sei gewissenlos, Probleme durch Schuldenmachen zu lösen, hieß es, denn damit würde nachfolgenden Generationen die Last aufgebürdet, die geerbten Defizite zu begleichen. Dagegen wurde freilich eingewandt, es sei guter Brauch, Kredite aufzunehmen, um die Wirtschaft zu beleben und so die Zukunft zu sichern. Hinzu kam in Zeiten der Pandemie die schiere Notwendigkeit, die akuten Gesundheitsbaustellen erst einmal auf Pump anzugehen.
Während man in Wirtschaftsfragen weiter über Wohl und Wehe des Schuldenmachens streiten kann, stellt sich der Handlungsbedarf angesichts des globalen Klimawandels viel eindeutiger dar: Was die heute verantwortlichen Erwachsenen unterlassen, das haben ihre Kindeskinder unweigerlich auszubaden.
Nun ist ein Appell an Fairness und Gerechtigkeit zwar zunächst überaus wirksam, er droht jedoch, sofern er abstrakt bleibt, mit der Zeit durch Gewöhnung zu verblassen. Das eigene Kind möchte man natürlich vor Unheil bewahren, aber für »kommende Generationen« ganz allgemein fühlt man sich dann doch nur indirekt verantwortlich.
Was die Zukunft bereithält
Lohnt es sich, zu konkretisieren? Was erwartet die heutzutage Geborenen tatsächlich? Diese Frage hat ein Team von knapp 40 Experten – die meisten aus Europa sowie einige aus Japan, den USA und China – mit detaillierten Zukunftsszenarien zu beantworten versucht.
Die Autoren vergleichen die Alterskohorte der 1960 Geborenen mit der Kohorte der 2020 zur Welt Gekommenen, und zwar unter der Voraussetzung, dass entweder die derzeit eingegangenen Klimaverpflichtungen eingehalten oder so verschärft werden, dass die Erderwärmung auf 2 Grad beziehungsweise 1,5 Grad beschränkt bleibt. Das ergibt drei Szenarien, in denen die Kohorten unterschiedlich oft extreme Klimaereignisse erleiden – zum Beispiel Hitzewellen.
Die Resultate zeichnen ein drastisches Bild. Während eine 1960 zur Welt gekommene Person im Mittel viermal in ihrem Leben eine ungewöhnliche Hitzephase durchsteht, wird ein 2020 geborenes Kind das Gleiche rund 30-mal durchmachen, sofern die globale Erwärmung auf 2,5 Grad begrenzt bleibt. Bei Begrenzung auf 2 Grad beziehungsweise 1,5 Grad Erderwärmung sinkt die Zahl der erlebten Hitzewellen auf durchschnittlich 22 beziehungsweise 18. Das heißt, selbst in optimistischen Szenarien erhöht sich die Häufigkeit extremer Hitze auf das Vier- bis Siebenfache.
Zudem betrachten die Autoren der Generationenstudie weitere Wetterextreme. Bei 3 Grad Erderwärmung würde ein im Jahr 2020 sechsjähriges Kind bis ins hohe Alter mit zweimal so vielen Waldbränden und Wirbelstürmen, dreimal so vielen Überflutungen, viermal so vielen Ernteausfällen, fünfmal so vielen Dürren und 36-mal so vielen Hitzewellen konfrontiert werden wie eine anno 1960 geborene Vergleichsperson.
Diese Zahlen, so pauschal sie sind, illustrieren erstens, dass selbst die optimistischsten Szenarien eine deutliche Zunahme dramatischer Wetterereignisse vorhersagen, und zweitens, wie krass jedes halbe Grad globaler Erwärmung die Umweltschäden hochtreibt. Sehr konkrete Gründe also, alles nur irgend Mögliche zum Schutz unserer Nachkommen vor den Folgen des Klimawandels zu unternehmen.
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